Das Abfallrecht hat sich von einem reinen Entsorgungsrecht zu einem Kernbereich der Kreislaufwirtschaft und des Ressourcenmanagements entwickelt.
1. Die Fundamente des Deutschen Abfallrechts
Die Basis des deutschen Abfallrechts bildet das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG), welches am 01. Juni 2012 in Kraft getreten ist und die zentrale EU-Vorgabe, die Abfallrahmenrichtlinie (ARRL), in nationales Recht umsetzt.
A. Die Abfallhierarchie (§ 6 KrWG)
Das Herzstück des KrWG ist die fünfstufige Abfallhierarchie. Sie legt die verbindliche Rangfolge für den Umgang mit Abfällen fest und priorisiert den Schutz von Mensch und Umwelt:
- Vermeidung: Höchste Priorität hat die Reduzierung der Abfallentstehung.
- Vorbereitung zur Wiederverwendung: Maßnahmen, durch die Erzeugnisse oder Bestandteile, die zu Abfall geworden sind, ohne weitere Verarbeitung wiederverwendet werden.
- Recycling: Jedes Verwertungsverfahren, durch das Abfallmaterialien zu neuen Produkten verarbeitet werden.
- Sonstige Verwertung: Insbesondere die energetische Verwertung (thermische Behandlung).
- Beseitigung: Die Deponierung oder Verbrennung ohne Energiegewinnung als letzte Option.
B. Grundlegende Begriffe
- Abfallbegriff: Abfälle sind alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss.
- Produktstatus (End-of-Waste): Material, das die strengen Kriterien des § 5 KrWG erfüllt (z. B. festgelegte Qualitätsnormen und Verwendungszweck) und nicht mehr als Abfall gilt.
2. Aktuelle Nationale Neuerungen und Herausforderungen
Die jüngsten nationalen Entwicklungen zielen darauf ab, die Kreislaufwirtschaft zu stärken und die Verwertung zu qualifizieren.
A. Die Mantelverordnung (EBV und BBodSchV)
Die am 01. August 2023 in Kraft getretene Mantelverordnung stellt eine der wichtigsten Neuregelungen dar. Sie umfasst unter anderem die:
- Ersatzbaustoffverordnung (EBV): Schafft bundesweit einheitliche, verbindliche Qualitätsanforderungen für mineralische Ersatzbaustoffe (z. B. Recycling-Baustoffe, Bodenaushub) und reguliert deren Einbau in technischen Bauwerken. Sie dient der Stärkung des Baustoff-Recyclings bei gleichzeitigem Schutz von Boden und Grundwasser.
- Novellierte BBodSchV: Regelt den Umgang mit Bodenmaterial außerhalb technischer Bauwerke und führt neue schärfere Grenzwerte ein.
B. Phosphorrückgewinnung und Klärschlammentsorgung
Mit der Klärschlammverordnung (AbfKlärV) wird der Ausstieg aus der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung und die Pflicht zur Phosphorrückgewinnung gesetzlich verankert. Dies stellt einen Paradigmenwechsel dar: Der Klärschlamm wird von einem Entsorgungsproblem zu einer strategischen sekundären Phosphorquelle (kritischer Rohstoff).
3. Der Dominierende Einfluss der Europäischen Union
Das deutsche Abfallrecht ist zu über 90% von der Europäischen Union geprägt. Die EU treibt die Entwicklung von der reinen Abfallentsorgung zur Ressourcenunion und zum Green Deal voran.
A. Die Abfallrahmenrichtlinie (ARRL) und Circular Economy
Die ARRL (2008/98/EG, novelliert 2018/851) gibt nicht nur die Abfallhierarchie vor, sondern setzt auch konkrete Recyclingquoten für Siedlungsabfälle und Verpackungsabfälle.
| Zielvorgabe (ARRL) | Recyclingquote Siedlungsabfälle |
| Bis 2025 | 55% |
| Bis 2030 | 60% |
| Bis 2035 | 65% |
Diese ambitionierten Quoten zwingen die Mitgliedstaaten zu einer kontinuierlichen Optimierung der getrennten Sammlung, der Sortiertechnologien und des Recyclings.
B. EU-Düngemittelverordnung und Produktstatus
Die EU-Düngemittelverordnung (Verordnung (EU) 2019/1009) ist ein Beispiel für die europäische Produktregulierung, die direkt auf die Abfallwirtschaft einwirkt. Sie schafft erstmals europaweit harmonisierte Kriterien, damit aus Abfällen gewonnene Materialien (wie Recycling-Phosphat oder Kompost) den Produktstatus erlangen und als EU-Düngeprodukte frei im Binnenmarkt gehandelt werden können. Dies ist essenziell für die Marktfähigkeit von Sekundärrohstoffen.
C. Das Europäische Abfallverzeichnis (EAV)
Die EU bestimmt durch das EAV (umgesetzt in der Abfallverzeichnis-Verordnung – AVV) die europaweite Systematik zur Bezeichnung und Klassifizierung von Abfällen (Abfallschlüssel).
Fazit
Das deutsche Abfallrecht ist ein dynamisches Feld, das sich im stetigen Wandel befindet. Getrieben durch die europäischen Kreislaufwirtschaftspakete und nationale Gesetzesinitiativen (wie die MantelV) liegt der Fokus eindeutig auf der Qualifizierung des Recyclings und der Ressourcensicherung. Für Unternehmen bedeutet dies eine Zunahme der Anforderungen an Dokumentation, Probenahme und Verwertungsnachweise, jedoch auch die Chance, durch die Nutzung von Sekundärrohstoffen einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen.
Das dazu gehörige Fachseminar ist in der Seminarwelt des IWU Magdeburg auffindbar.
