Folgenbeseitigungsanspruch eines Grundstückseigentümers nach Straßensanierung

Mit Urteil vom 09.05.2019 (III ZR 388/17) hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass ein durch Straßenbaumaßnahmen verstärkter Wasserabfluss auf Nachbargrundstücke einen Folgenbeseitigungsanspruch der Eigentümer der Nachbargrundstücke auslösen kann.

Der Kläger nimmt die beklagte Gemeinde als Grundstückseigentümer in Anspruch, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den Rückstau wild abfließenden Niederschlagswassers von einer Gemeindestraße auf sein Grundstück zu verhindern.

Die beklagte Gemeinde hatte Sanierungsmaßnahmen an der Gemeindestraße durchgeführt. Zwischen den Parteien ist streitig, ob im Zuge dieser Sanierungsmaßnahmen die Steigung der Straße verändert worden ist und ob es dadurch im Fall eines Starkregens zu einem erheblichen Rückstau von Niederschlagswasser auf das Grundstück des Klägers verbunden mit Schäden an dem Wohnhaus des Klägers kommen kann.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Eigentümer eines Grundstücks mit dem vorbeugenden Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Unterlassung künftig drohender beeinträchtigender Einwirkungen auf das Grundstück verlangen kann, die von einem Nachbargrundstück ausgehen und sein Eigentum beeinträchtigen (§ 903 BGB), sofern die erstmalige Beeinträchtigung ernsthaft droht. Lässt sich die drohende Beeinträchtigung nicht anders verhindern, kann auch ein Anspruch auf aktives Eingreifen bestehen.

Zu den Einwirkungen i.S.d. § 903 BGB zählt auch wild abfließendes Niederschlagswasser. Wild abfließendes Niederschlagswasser ist Regenwasser, das nicht von bebauten oder befestigten Flächen gesammelt abfließt.

Gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) darf der natürliche Ablauf wild abfließenden Wassers auf ein tiefer liegendes Grundstück nicht zum Nachteil des höher liegenden Grundstücks behindert werden. Das bedeutet, dass eine künstliche Veränderung des Wasserablaufs zum Nachteil des höher liegenden Grundstücks verboten ist. In dem vorliegenden Fall kam es daher darauf an, ob die vorhandenen Geländeverhältnisse, wie sie vor der Straßensanierung bestanden hatten, durch die Straßenbaumaßnahmen zum Nachteil des höher liegenden Grundstücks verändert worden waren.

Ob ein Nachteil i.S.d. § 37 Abs. 1 WHG vorliegt, ist unter Anlegung eines objektiven Betrachtungsmaßstabs grundstücksbezogen zu beurteilen. Die Nutzbarkeit des betroffenen Grundstücks muss gegenüber dem bisherigen Zustand eingeschränkt sein, wobei nach der Rechtsprechung eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschritten sein muss. Nur drohende Nachteile reichen nicht aus. Sie müssen tatsächlich eintreten oder mit Sicherheit zu erwarten sein. Von einer erheblichen Beeinträchtigung i.S.d. § 37 Abs. 1 WHG ist auszugehen, wenn bei stärkerem Regen und daher regelmäßig wiederkehrend eine Überschwemmung des klägerischen Grundstücks zu erwarten ist. Hingegen liegt keine erhebliche Beeinträchtigung des betroffenen Grundstücks und daher kein Nachteil i.S.d. § 37 Abs. 1 WHG vor, wenn nur bei einem ganz ungewöhnlichen und seltenen Starkregen mit der Überschwemmung des Grundstücks zu rechnen ist.

Nach den Feststellungen des BGH kann die bauliche Veränderung der Straße und die damit verbundene Veränderung ihrer Steigung einen Verstoß gegen § 37 Abs. 1 WHG darstellen, wenn dadurch der Wasserabfluss auf die Nachbargrundstücke verstärkt wird und bei starkem Regen wiederkehrend Überschwemmungen wegen eines Rückstaus des Wassers auf dem betroffenen Grundstück zu erwarten sind. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, liegen auch die Voraussetzungen des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB vor, weil eine Beeinträchtigung ernsthaft droht.

Die danach entscheidenden tatsächlichen Voraussetzungen waren in der ersten und in der zweiten Instanz nicht ermittelt worden. Der BGH hat deshalb den Fall zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Da ausgehend von dem Tatsachenvorbringen des Klägers durch die Veränderung der Steigung der Straße faktisch ein Damm geschaffen worden war, der bei starkem Regen zu dem Rückstau von Niederschlagswasser auf dem betroffenen Grundstück führt, konnte auch die Anwendung des § 907 BGB in Erwägung gezogen werden. Nach dieser Regelung kann der Eigentümer eines Grundstücks verlangen, dass auf den Nachbargrundstücken nicht Anlagen hergestellt oder gehalten werden, von denen mit Sicherheit vorauszusehen ist, dass ihr Bestand oder ihre Nutzung eine unzulässige Einwirkung auf sein Grundstück zur Folge hat. § 907 BGB ist jedoch wegen der spezielleren Regelung in § 37 WHG nicht anwendbar. Die wasserrechtlichen Vorschriften bestimmen insoweit abschließend, was als unzulässige Einwirkung i.S.d. § 907 BGB anzusehen ist.

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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