Amtspflichten des Betreibers einer kommunalen Kläranlage in Bezug auf die Behandlung legionellenbelasteten Abwassers

Mit Urteil vom 14.12.2018 (11 U 10/18) hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in der Berufungsinstanz die Schadensersatzklage eines Klägers abgewiesen, der im Jahr 2013 an einer Legionelleninfektion erkrankt war und dafür den Betreiber der kommunalen Kläranlage verantwortlich gemacht hatte.

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche gegen den Ruhrverband als Betreiber einer kommunalen Kläranlage geltend. Zum Zeitpunkt der Erkrankung wohnte und arbeitete der Kläger in der Gemeinde, in der der beklagte Ruhrverband die kommunale Kläranlage betreibt, in die neben kommunalen Abwässern auch Abwässer einer ortsansässigen Brauerei eingeleitet werden. Der Beklagte hat das der Kläranlage zugeführte legionellenbelastete Abwasser in den Fluss Z eingeleitet.

Das kommunale Wasserversorgungs-, Kanal- und Abwassersystem betreibt die verbandsangehörige Gemeinde selbst. Die Gemeinde hat der Kläger nicht verklagt.

Der Kläger hat in dem Klageverfahren behauptet, seine Legionelleninfektion sei durch das Einatmen legionellenhaltiger Aerosole verursacht worden, die von der Kläranlage und von der Luft über dem Fluss Z ausgegangen seien. Er habe die legionellenhaltigen Aerosole auf dem in unmittelbarer Nähe zur Kläranlage gelegenen Firmengelände seines Arbeitgebers eingeatmet.

Das OLG Hamm hat die Klage in der Berufungsinstanz abgewiesen.

Der Beklagte hat mit dem Betrieb der kommunalen Kläranlage eine hoheitliche Aufgabe wahrgenommen. In Betracht kam daher ein Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 34 Grundgesetz (GG).

Nach den gerichtlichen Feststellungen fehlt es jedoch an einer dem Beklagten anzulastenden schuldhaften Amtspflichtverletzung. Denn es sei nicht festzustellen, dass der Beklagte bei dem Betrieb der Kläranlage gegen gesetzliche Vorschriften oder sonstige von ihm bei der Abwasserbehandlung und –beseitigung zu beachtende Regelungen verstoßen habe, die zumindest auch dem Schutz des Bürgers vor einer Erkrankung mit Legionellen zu dienen bestimmt sind.

Wasserrechtlich ist vorgeschrieben, dass bei dem Betrieb von Abwasseranlagen, zu denen Kläranlagen gehören, die „Anforderungen an die Abwasserbeseitigung“ eingehalten werden müssen (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG)). Die für Abwasserbeseitigungsanlagen und daher auch für Kläranlagen geltenden Anforderungen richten sich nach § 57 WHG und nach der Abwasserverordnung (AbwV). Zur Reduzierung oder Begrenzung der im Abwasser befindlichen Schadstoffe muss ein Verfahren angewandt werden, das dem Stand der Technik (§ 3 Nr. 11 WHG, Anlage 1 zum WHG, AbwV) entspricht. Zusätzliche Anforderungen, die über den wasserrechtlich vorgeschriebenen Stand der Technik hinausgehen, können durch die zuständige Behörde in dem Erlaubnisbescheid festgesetzt werden.

Nach den gerichtlichen Feststellungen waren solche weitergehenden Anforderungen in dem wasserbehördlichen Erlaubnisbescheid zum Betrieb der Kläranlage nicht geregelt. Danach war der Anlagenbetreiber weder zur Überwachung des Abwassers auf Legionellen verpflichtet, noch hatte er die Pflicht, im Abwasser enthaltene Legionellen auf einen bestimmten Grenzwert zu reduzieren.

Die nach dem Stand der Technik geltenden Mindestanforderungen für das Einleiten kommunaler Abwässer und von Brauereiabwässern sind in der AbwV geregelt. Die Überprüfung und Behandlung des Abwassers auf Legionellen ist nicht vorgeschrieben. Das Gericht stellt außerdem fest, dass auch die aufgrund europarechtlicher Vorgaben in das WHG aufgenommenen, den Stand der Technik konkretisierenden BVT-Merkblätter weder zum damaligen Zeitpunkt Regelungen betreffend die Behandlung und Reduzierung von Legionellen in Abwasserbeseitigungsanlagen enthalten haben, noch aktuell solche Regelungen enthalten. Auch sonstige technische Vorschriften, Empfehlungen oder VDI-Richtlinien gibt es hierzu nach den gerichtlichen Feststellungen bis heute nicht. Der abwasserbeseitigungspflichtige Beklagte hat folglich die für den Bau und Betrieb von Abwasserbehandlungsanlagen und für die Einleitung von Abwasser geltenden Anforderungen eingehalten. Deshalb liegt auch kein Verstoß gegen das im WHG normierte Gebot vor, Abwasser so zu beseitigen, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird (§ 55 Abs. 1 WHG). Ob die Vorschrift drittschützende Wirkung hat, was die Voraussetzung dafür ist, dass der Kläger bei einem Verstoß des Beklagten gegen diese Vorschrift Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten geltend machen kann, hat das Gericht daher offengelassen.

Ersichtlich nicht einschlägig waren die für immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen geltenden Betreiberpflichten (§ 5 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz – BImSchG). Denn weder die Kläranlage als solche noch ihre einzelnen Anlagenteile sind immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen nach der dafür maßgeblichen Vierten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (4. BImSchV). Auf die diesbezügliche Drittschutzproblematik kam es daher nicht mehr an.

Nach den gerichtlichen Feststellungen hat der Beklagte auch nicht gegen immissionsschutzrechtliche Pflichten verstoßen, die für die Betreiber immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen gelten (§ 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG). In Bezug auf die von dem Anlagenbetreiber nach dem Stand der Technik zu ergreifenden Maßnahmen zur Verhinderung vermeidbarer schädlicher Umwelteinwirkungen seien wirtschaftliche Erwägungen zu berücksichtigen. Besonderheiten im Umfeld der konkreten Anlage hätten außer Betracht zu bleiben. Nach der Auffassung des Gerichts war der Beklagte nicht bereits vor dem Legionellenausbruch in der von ihm betriebenen Kläranlage verpflichtet, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Denn bis zu diesem Zeitpunkt seien kommunale Kläranlagen in Fachkreisen nicht als relevante Emittenten von Legionellen eingeordnet worden.

Abschließend stellt das Gericht noch fest, dass auch das Infektionsschutzgesetz (IfSG) den Abwasserbeseitigungspflichtigen nicht verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, die über den Stand der Technik hinausgehen (§ 41 Abs. 1 IfSG). Von der gesetzlichen Ermächtigung, durch Rechtsverordnung in Bezug auf das Abwasser Regelungen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten zu erlassen, hat das Land Nordrhein-Westfalen keinen Gebrauch gemacht (§ 41 Abs. 2 IfSG).

Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG war auch deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger nicht nachweisen konnte, dass seine Erkrankung auf den – nach seiner Behauptung – rechtswidrigen Betrieb der Kläranlage zurückzuführen war.

Ausgeschlossen war auch ein Schadensersatzanspruch nach § 89 Abs. 1 Satz 1 WHG, der neben § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG anwendbar ist wegen des Einleitens der Abwässer der Kläranlage in den Fluss Z zwar lag die durch § 89 Abs. 1 Satz 1 WHG vorausgesetzte nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit infolge der Einleitung bakterienverseuchten Abwassers vor. Unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) hat das OLG Hamm aber festgestellt, dass ein Schadensersatzanspruch gemäß § 89 Abs. 1 Satz 1 WHG zwar gegen eine Gemeinde als Betreiber in der Abwasserkanalisation in Betracht komme, die Abwasser aus ihrer Kanalisation in ein Gewässer einleite (BGH, Urt. v. 11.01.1971 – III ZR 217/68 –). Eine Haftung des Kläranlagenbetreibers gemäß § 89 Abs. 1 Satz 1 WHG sei in Fällen wie dem vorliegenden nach der ständigen Rechtsprechung des BGH hingegen ausgeschlossen. Nach dem Gesetzeszweck des § 89 WHG könne der Betreiber einer Kläranlage nicht haftbar gemacht werden, wenn die Anlage ordnungsgemäß gearbeitet habe und die Kläranlage die ihr zugeführten Schadstoffe, zu deren Beseitigung sie weder bestimmt noch geeignet sei, lediglich weiterleitet habe. Nach der ständigen BGH-Rechtsprechung sei in diesen Fällen der Tatbestand des § 89 WHG einschränkend auszulegen und nicht von einem „Einleiten“ i.S.d. Vorschrift auszugehen (BGH, Urt. v. 30.05.1974 – III ZR 190/71; Urt. v. 07.11.2002 – III ZR 147/02 –). Das gelte vorliegend auch deshalb, weil nach den bindenden erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen der Betrieb der Kläranlage zu einer Verminderung der Legionellenbelastung geführt habe.

Zudem konnte der Kläger den für einen Schadensersatzanspruch gemäß § 89 Abs. 1 Satz 1 WHG erforderlichen Kausalitätsnachweis zwischen der behaupteten nachteiligen Veränderung der Wasserbeschaffenheit des Flusses Z und seiner Erkrankung nicht erbringen. Nach der Entscheidung des OLG Hamm konnte sich der Kläger hier nicht auf eine in der Rechtsprechung anerkannte Beweiserleichterung bei der Anwendung des § 89 Abs. 1 WHG berufen. Dem OLG Hamm ist diesbezüglich beizupflichten, dass die nach der Rechtsprechung anerkannte Beweiserleichterung im Rahmen des § 89 WHG nur den Nachweis der Schadenskausalität in Bezug auf in das Gewässer gelangende Schmutzstoffe im Verhältnis zu anderen bereits im Gewässer befindlichen Stoffen betreffen kann. Die Beweiserleichterung konnte daher nur gelten, wenn festgestanden hätte, dass eine nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit des Gewässers Z für die Erkrankung des Klägers ursächlich gewesen ist. Nach den tatsächlichen Feststellungen in dem Gerichtsverfahren stand aber nicht fest, dass sich der Kläger durch das Einatmen legionellenhaltiger Aerosole infiziert hatte, die von der Luft über dem Fluss Z ausgegangen waren, weil es auch möglich war, dass sich der Kläger durch von der Verdunstungskühlanlage der ortsansässigen Brauerei verbreitete legionellenhaltige Aerosole infiziert hatte.

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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