Grundstückseigentum und Wegerecht – das Tor bleibt nicht geschlossen

Mit Urteil vom 16.04.2021 (V ZR 17120) hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit einem Streit unter Nachbarn befasst. Auslöser für den Rechtsstreit waren die unterschiedlichen Vorstellungen der Grundstücksnachbarn, ob gemeinsam genutzte Tore immer geschlossen werden müssen, die der klagende Grundstückseigentümer zum Schutz seines Grundstücks errichtet hat.

Der Kläger ist Miteigentümer eines an einer öffentlichen Straße gelegen Grundstücks. Die Beklagten sind Eigentümer eines dahinter liegenden Grundstücks. Aufgrund eines Wegerechts sind die Beklagten berechtigt, das klägerische Grundstück zu passieren. Zum Schutz des Grundstücks hat der Kläger eine Einfriedung errichtet und auf dem Weg zwei Tore errichtet, eines an der Grenze zur öffentlichen Straße, eines an der Grenze zum Grundstück der Beklagten.

Das Landgericht (LG) Hildesheim hat die Klage abgewiesen, mit der die Beklagten verurteilt werden sollten, beide Tore nach dem jeweiligen Passieren des Weges zu schließen. Auf die Widerklage der Beklagten hat es den Kläger und dessen Ehefrau verurteilt, es zu unterlassen, die Tore zu schließen. Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hat dem Kläger im Berufungsverfahren teilweise recht gegeben. Das hintere Tor sei zu schließen. Dagegen sind die Beklagten in Revision gegangen.

Der BGH hat das erstinstanzliche Urteil wieder hergestellt. Ob dem Kläger als Miteigentümer seines Grundstücks ein eigentumsrechtlicher Abwehranspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB zusteht, hängt von der Abwägung der beiderseitigen lnteressen ab. Die aufgrund einer Grunddienstbarkeit in Form eines Geh- und Wegerechts zum Passieren des klägerischen Grundstücks berechtigten Beklagten sind verpflichtet, auf das Interesse des Grundstückseigentümers Rücksicht zu nehmen. Gleichzeitig steht ihnen das Recht zu, den Weg ungehindert zu passieren. Was genau bedeutet das aber in einem Fall wie dem, über den der BGH zu entscheiden hatte? Der BGH hat herausgestellt, dass die Interessen beider Seiten, das Interesse des Eigentümers an der ungehinderten Nutzung seines Grundstücks und das Interesse des Berechtigten an der sachgemäßen Ausübung seines Rechts, unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände abzuwägen sind.

Nach dem Urteil des BGH hatte das OLG Celle wesentliche Abwägungsgesichtspunkte unberücksichtigt gelassen, indem es das Interesse des klagenden Grundstückseigentümers einseitig zu hoch gewichtet hatte. Das OLG Celle war davon ausgegangen, dass der Grundstückseigentümer wegen des ihm zustehenden Sicherungsbedürfnisses von den Beklagten verlangen könne, das Tor bei jedem passieren zu schließen; dies sei den Wegeberechtigten nicht unzumutbar. Da aber die Wegeberechtigten ein rechtliches Interesse an der ungehinderten Zufahrt zu ihrem Grundstück haben, hätte das Gericht die Interessen beider Seiten unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände gegeneinander abwägen müssen. Mit welchem Gewicht das berechtigte Sicherungsinteresse des Grundstückseigentümers in die Abwägung einzustellen sein kann, hängt beispielsweise davon ab, ob es schon zu Einbrüchen oder ähnlichen Vorfällen gekommen ist. Diesbezüglich hatte das OLG Celle noch einen weiteren Einzelfallumstand außer Betracht gelassen, auf den es in dem Fall entscheidend ankam, nämlich dass das Grundstück der Beklagten wie auch das Grundstück des Klägers vollständig eingefriedet ist. Das hatte das OLG Celle im Hinblick auf die Frage, ob aus der Richtung der hinteren Grundstücksgrenze zum Grundstück der Beklagten mögliche Einbruchsgefahren bestehen, unberücksichtigt gelassen. Auch deshalb hatte der Kläger kein rechtlich anzuerkennendes, überwiegendes Interesse, dass gerade das hinten liegende Tor bei jeder Durchfahrt geschlossen werden sollte.

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte