Am 15. Juni 2021 ist das „SaubereFahrzeuge-Beschaffungs-Gesetz“ (im Folgenden: SFBG), welches die Vorgaben der EU-Richtlinie über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge (EU-Richtlinie (EU) 2019/1161 „Clean Vehicles Directive“) umsetzt, in Kraft getreten. Mit diesem werden verbindliche Mindestziele für die Beschaffung emissionsarmer und -freier Personenkraftwagen sowie leichter und schwerer Nutzfahrzeuge – wie beispielsweise Lkw und Busse – vorgegeben. Diese sind von öffentlichen Auftraggebern im Rahmen öffentlicher Aufträge zu berücksichtigen.
Das SFBG gilt nicht nur für die unmittelbare Beschaffung von Fahrzeugen durch die öffentliche Hand, sondern auch für bestimmte öffentliche Dienstleistungsaufträge, zu deren Umsetzung die Beschaffung bzw. der Einsatz von entsprechenden Fahrzeugen notwendig ist. Zu nennen sind Verkehrsdienstleistungen, Post und Paketbeförderung sowie -zustellung, und Verträge über die Abholung von Siedlungsabfällen (CPV Referenznummer 90511000-2). Geltung in zeitlicher Hinsicht entfaltet das SFBG für alle Vergabeverfahren, in denen nach dem 2. August 2021 zur Abgabe eines Angebots aufgefordert wird.
Die maßgebende und praktisch relevante Verpflichtung für Auftraggeber ergibt sich aus § 5 Abs. 1 SFBG. Danach müssen die Auftraggeber bei der Beschaffung von Fahrzeugen und Dienstleistungen die für den jeweiligen gesetzlich näher definierten Referenzzeitraum festgelegten Mindestziele insgesamt einhalten. Dabei geben die Mindestziele einen Mindestprozentsatz an sauberen Fahrzeugen, gemessen an der Gesamtzahl der im Referenzzeitraum beschafften Nutzfahrzeuge bzw. an der Gesamtzahl der in dem jeweiligen Referenzzeitraum im Rahmen von Dienstleistungsaufträgen eingesetzten Nutzfahrzeuge, wieder. Hinsichtlich schwerer Nutzfahrzeuge der Fahrzeugklasse N3 (z.B. Abfallsammelfahrzeuge) gilt etwa für den Zeitraum vom 2. August 2021 bis zum 31. Dezember 2025 das Mindestziel von 10 Prozent. In diesem Zusammenhang werden Nutzfahrzeuge der Fahrzeugklasse N3 als sauber definiert, wenn sie alternative Kraftstoffe wie Strom, Wasserstoff, Erdgas oder Biostoffe nutzen.
Auf der Grundlage dieser gesetzlichen Vorgaben, an die der öffentliche Aufraggeber gebunden ist, muss Bietern aktuell empfohlen werden, die Ausschreibungsbedingungen sorgfältig auf die Anforderungen hinsichtlich der einzusetzenden Fahrzeuge zu prüfen, da andernfalls ein Ausschluss des eigenen Angebotes droht. Entsprechende Vorgaben sind auf ihre Gesetzeskonformität zu prüfen und ggf. zu hinterfragen. Abzuwarten bleibt, wie mit Fällen umzugehen sein wird, in denen der öffentliche Auftraggeber erkennbar weit über die geforderten Mindestziele für den Referenzzeitraum hinausschießt und der betroffene Markt eine derart hohe Sättigung an sogenannten sauberen Fahrzeugen nicht aufweist. Unterschreitungen des Mindestziels dürften vergaberechtlich indes zunächst eine Anknüpfung an die vergaberechtlichen Regelungen im GWB finden und als solches unter Umständen als Vergaberechtsverstoß zu beanstanden sein. Allerdings ist insofern keine gleichmäßige Verteilung des prozentualen Mindestziels für den Referenzzeitraum gefordert. Eine etwaige Unterschreitung wird sich somit voraussichtlich erst bei Vergaben zum Ende des Referenzzeitraums feststellen lassen.
Fraglich wird sein, wie damit umzugehen ist, wenn der öffentliche Auftraggeber die Last aus dem SFBG, das Mindestziel noch erreichen zu wollen, etwa nur auf einige wenige Vergaben zum Ende des Referenzzeitraumes abwälzt. Derzeit ist in der Praxis nämlich nicht zu erkennen, dass alle öffentlichen Auftraggeber umfassend die Vorgaben des Gesetzes umsetzen. Das bedeutet perspektivisch, dass bei zukünftigen Ausschreibungen höhere Anteile gefordert werden müssen, damit das Mindestziel im Referenzzeitraum noch erreicht werden kann. Damit einhergehend dürfte gerade gegen Ende des Referenzzeitraums mit einer sehr hohen Nachfrage nach sauberen Nutzfahrzeugen zu rechnen sein.
Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte
Das dazu gehörige Fachseminar ist in der Seminarwelt des IWU Magdeburg auffindbar.