Dezentrale Abwasserentsorgung – Kleinkläranlagen und abflusslose Gruben als nachhaltige Alternativen

Einleitung

In Deutschland ist die Abwasserentsorgung ein zentraler Pfeiler des Umwelt- und Gewässerschutzes. Während der Großteil des Abwassers über zentrale Kläranlagen gereinigt wird, spielen dezentrale Lösungen, insbesondere Kleinkläranlagen und abflusslose Gruben, in ländlichen Gebieten oder bei Einzelgehöften eine unverzichtbare Rolle. Diese Systeme bieten praktikable Alternativen, wenn ein Anschluss an die öffentliche Kanalisation technisch oder wirtschaftlich nicht sinnvoll ist. Dieser Fachbeitrag beleuchtet die Funktionsweise, rechtlichen Rahmenbedingungen und die Vor- und Nachteile dieser dezentralen Entsorgungswege.

1. Die Notwendigkeit dezentraler Abwasserentsorgung

Die Gründe für den Einsatz dezentraler Abwasserentsorgung sind vielfältig:

  • Ländliche Erschließung: In dünn besiedelten Gebieten ist der Bau und Betrieb langer Kanalisationsleitungen oft unwirtschaftlich.
  • Topographische Gegebenheiten: Schwieriges Gelände kann den Anschluss an zentrale Systeme erschweren oder unmöglich machen.
  • Wirtschaftlichkeit: Für einzelne Haushalte oder kleine Siedlungen können dezentrale Lösungen kostengünstiger sein als der Anschluss an ein weit entferntes Kanalnetz.
  • Umweltschutz: Bei fachgerechtem Betrieb tragen dezentrale Anlagen zum Schutz lokaler Gewässer bei.
  • Bestandsschutz: Viele bestehende Liegenschaften sind historisch bedingt nicht an die Kanalisation angeschlossen.

2. Kleinkläranlagen (KKA)

Kleinkläranlagen sind Anlagen zur biologischen Reinigung von häuslichem Abwasser von bis zu 50 Einwohnerwerten (EW). Sie sind so konzipiert, dass sie das Abwasser vor Ort so weit reinigen, dass es anschließend in ein Gewässer eingeleitet oder im Boden versickert werden kann.

2.1 Funktionsweise von Kleinkläranlagen

Moderne Kleinkläranlagen arbeiten in mehreren Stufen und basieren auf biologischen Prozessen, ähnlich wie Großkläranlagen:

  • Mechanische Reinigungsstufe (Vorklärung): In einer oder mehreren Vorklärgruben (oft Mehrkammergruben) setzen sich Feststoffe ab und Schwimmstoffe werden zurückgehalten. Hier beginnt die anaerobe Zersetzung organischer Substanzen.
  • Biologische Reinigungsstufe: Das vorgeklärte Abwasser gelangt in den biologischen Reaktor. Hier sorgen Mikroorganismen unter Zugabe von Sauerstoff (aerob) oder ohne Sauerstoff (anaerob) für den Abbau gelöster organischer Stoffe und die Umwandlung von Stickstoffverbindungen (Nitrifikation/Denitrifikation). Gängige Verfahren sind:
    • Belebtschlammverfahren: Das Abwasser wird mit Belebtschlamm (eine Mischung aus Mikroorganismen) belüftet.
    • Tropfkörper-/Tauchkörperanlagen: Mikroorganismen siedeln sich auf speziellen Trägermaterialien an, die vom Abwasser überrieselt oder durchflossen werden.
    • Pflanzenkläranlagen: Das Abwasser durchströmt bepflanzte Bodenfilter, wo Pflanzen und Mikroorganismen die Reinigung übernehmen.
  • Nachklärung/Trennung: In einem Nachklärbecken setzen sich die biologisch erzeugten Schlammflocken ab. Das gereinigte Klarwasser wird entnommen.
  • Schlammbehandlung: Der Überschussschlamm aus der Vorklärung und Nachklärung muss regelmäßig entnommen und entsorgt werden.

2.2 Rechtliche Rahmenbedingungen für Kleinkläranlagen

Der Betrieb von Kleinkläranlagen unterliegt strengen Vorschriften, um den Gewässerschutz zu gewährleisten:

  • Wasserhaushaltsgesetz (WHG): Die Einleitung von Abwasser in Gewässer bedarf einer behördlichen Erlaubnis gemäß § 8 WHG.
  • Landeswassergesetze (LWG): Die einzelnen Bundesländer konkretisieren die Anforderungen und Verfahren.
  • Abwasserverordnung (AbwV): Sie legt allgemeine Anforderungen an die Einleitung von Abwasser in Gewässer fest und enthält spezielle Anhänge für Kleinkläranlagen (Anhang 1 der AbwV).
  • DIN EN 12566: Diese Normenreihe regelt die Bauart, Prüfung und Kennzeichnung von Kleinkläranlagen bis 50 EW.
  • Wartung und Eigenkontrolle: Kleinkläranlagen müssen regelmäßig von Fachbetrieben gewartet und Proben genommen werden, um die Einhaltung der Ablaufwerte (z.B. für CSB, BSB5, Stickstoff) zu überprüfen. Die Ergebnisse sind zu dokumentieren und den Behörden vorzulegen. Bei Nichteinhaltung können Auflagen oder Sanktionen drohen.

2.3 Vor- und Nachteile von Kleinkläranlagen

Vorteile:

  • Unabhängigkeit vom öffentlichen Kanalnetz.
  • Potenzielle Kostenvorteile bei großer Entfernung zum Kanal.
  • Lokaler Beitrag zum Gewässerschutz.
  • Möglichkeit der Verwertung von gereinigtem Abwasser für die Gartenbewässerung (eingeschränkt und unter Auflagen).

Nachteile:

  • Regelmäßige Wartung und Schlammentsorgung sind zwingend erforderlich (Kosten und Aufwand).
  • Strombedarf für Belüftung (Ausnahme Pflanzenkläranlagen).
  • Einhaltung strikter Ablaufwerte ist zu gewährleisten.
  • Benötigen eine gewisse Fläche.
  • Störanfälligkeit bei unsachgemäßer Nutzung (z.B. Einleitung von nicht abbaubaren Stoffen).
  • Genehmigungspflicht und behördliche Kontrolle.

3. Abflusslose Gruben (AG)

Abflusslose Gruben sind dichte, geschlossene Behälter, die das gesamte anfallende Abwasser (Schmutz- und Regenwasser getrennt) sammeln, ohne dass eine Reinigung stattfindet oder das Wasser in den Untergrund versickert. Das gesammelte Abwasser muss regelmäßig von einem Entsorgungsunternehmen abgepumpt und einer zentralen Kläranlage zugeführt werden.

3.1 Funktionsweise von abflusslosen Gruben

Die Funktionsweise ist simpel: Das Abwasser fließt über Rohrleitungen direkt in die Grube. Die Grube muss absolut dicht sein, um ein Austreten des Abwassers und eine Verunreinigung des Bodens oder des Grundwassers zu verhindern. Ein Füllstandsmelder kann den Zeitpunkt der Entleerung signalisieren.

3.2 Rechtliche Rahmenbedingungen für abflusslose Gruben

Auch abflusslose Gruben unterliegen strengen rechtlichen Bestimmungen:

  • Dichtheitsprüfung: Die Grube muss nachweislich und in regelmäßigen Abständen auf Dichtheit geprüft werden (oft mit Druck- oder Wasserprüfungen).
  • Behördliche Genehmigung: Errichtung und Betrieb bedürfen in der Regel einer Genehmigung der zuständigen Wasserbehörde.
  • Regelmäßige Entleerung: Die Verpflichtung zur regelmäßigen Entleerung und Entsorgung des Inhalts durch zugelassene Fachbetriebe ist festgeschrieben.
  • Nachweispflicht: Über die Entleerungen und die ordnungsgemäße Entsorgung sind Nachweise zu führen und den Behörden auf Verlangen vorzulegen.
  • Vorrang des Anschlusses: Wenn ein Anschluss an die öffentliche Kanalisation möglich und zumutbar ist, hat dieser in der Regel Vorrang vor dem Betrieb einer abflusslosen Grube.

3.3 Vor- und Nachteile von abflusslosen Gruben

Vorteile:

  • Einfache Technik, geringer Wartungsaufwand (abgesehen von Entleerung).
  • Geringer Flächenbedarf.
  • Kein Strombedarf für den Betrieb.
  • Keine direkten Einleitungen in Gewässer.

Nachteile:

  • Hohe laufende Kosten durch regelmäßige Entleerung und Transport des Abwassers.
  • Abhängigkeit von Entsorgungsunternehmen.
  • Geruchsentwicklung möglich, insbesondere im Sommer.
  • Vollständige Abwasserentsorgung ist nicht immer gewährleistet (z.B. bei Fäkalien von Regenwasser getrennt).
  • Keine Reinigung des Abwassers vor Ort.
  • Hohe Anforderungen an die Dichtheit und die Überwachung.

4. Entscheidungsfindung und zukünftige Entwicklungen

Die Wahl zwischen Kleinkläranlage und abflussloser Grube hängt von verschiedenen Faktoren ab:

  • Lage und Gegebenheiten: Entfernung zum nächsten Kanalanschluss, Bodengegebenheiten (Versickerungseignung), Platzverfügbarkeit.
  • Wirtschaftlichkeit: Investitionskosten, laufende Betriebs- und Entsorgungskosten.
  • Behördliche Auflagen: Die zuständigen Wasserbehörden können je nach lokalem Wasserschutzgebiet oder anderen Besonderheiten bestimmte Systeme bevorzugen oder ausschließen.
  • Langfristige Planung: Perspektiven für einen späteren Kanalanschluss.

Zukünftige Entwicklungen im Bereich der dezentralen Abwasserentsorgung zielen auf eine noch effizientere Reinigung, geringeren Energieverbrauch und verbesserte Möglichkeiten der Nährstoffrückgewinnung ab. Auch die Integration in digitale Überwachungssysteme zur Optimierung von Betrieb und Wartung wird eine größere Rolle spielen.

Fazit

Kleinkläranlagen und abflusslose Gruben sind unverzichtbare Elemente einer umfassenden Abwasserentsorgungsstrategie in Deutschland. Sie ermöglichen die Erschließung abgelegener Gebiete und tragen dazu bei, den Gewässerschutz auch jenseits der zentralen Infrastruktur zu gewährleisten. Die sorgfältige Planung, Auswahl des passenden Systems und vor allem die konsequente Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und Wartungspflichten sind jedoch entscheidend für einen nachhaltigen und umweltgerechten Betrieb dieser dezentralen Lösungen. Sie repräsentieren einen wichtigen Beitrag zum Schutz unserer natürlichen Wasserressourcen.

Das dazu gehörige Fachseminar ist in der Seminarwelt des IWU Magdeburg auffindbar.