Das Abwasserabgabengesetz: Rechtliche Grundlagen und technische Umsetzung in der Praxis

Das Abwasserabgabengesetz (AbwAG) ist ein zentrales Instrument des deutschen Umweltrechts, das darauf abzielt, die Einleitung von umweltschädlichem Abwasser in Gewässer zu reduzieren und Anreize für eine verbesserte Abwasserreinigung zu schaffen. Seit seiner Einführung im Jahr 1976 hat das AbwAG maßgeblich zur Verbesserung der Wasserqualität in Deutschland beigetragen. Es verfolgt das Verursacherprinzip, indem es eine Abgabe für die Einleitung von Schmutz- und Regenwasser mit bestimmten Schadeinheiten erhebt. Die Komplexität des Gesetzes liegt in der Schnittstelle zwischen juristischen Vorgaben und deren detaillierter technischer Ausgestaltung und Nachweisführung.


1. Rechtliche Grundlagen und Ziele des AbwAG

Das AbwAG ist ein Bundesgesetz, das durch die Bundesländer konkretisiert wird, da ihnen die Gesetzgebungskompetenz für das Wasserrecht zusteht. Es verpflichtet diejenigen, die Abwasser direkt in ein Gewässer einleiten (Direkteinleiter), sowie in bestimmten Fällen auch diejenigen, die Abwasser in öffentliche Abwasseranlagen einleiten (Indirekteinleiter mit erheblichen Belastungen), zur Zahlung einer Abgabe.

Die Hauptziele des AbwAG sind:

  • Anreizfunktion: Durch die Erhebung einer Abgabe sollen Anreize geschaffen werden, weniger Schmutzfracht in Gewässer einzuleiten. Je besser die Abwasserreinigung, desto geringer ist die Abgabe.
  • Lenkungswirkung: Die Abgabe soll Investitionen in moderne und effiziente Abwasserbehandlungsanlagen fördern.
  • Finanzierungsfunktion: Die Einnahmen aus der Abwasserabgabe fließen in der Regel zweckgebunden in Maßnahmen des Gewässerschutzes, wie den Bau und die Sanierung von Kläranlagen oder Renaturierungsprojekte.
  • Verursacherprinzip: Derjenige, der die Umwelt mit Abwasser belastet, soll auch für die dadurch entstehenden Kosten aufkommen.

Die Abgabe bemisst sich nicht nach der Abwassermenge allein, sondern nach der Schädlichkeit des Abwassers. Diese Schädlichkeit wird in Schadeinheiten ausgedrückt und anhand spezifischer Parameter wie der chemischen Sauerstoffzehrung (CSB), dem Phosphorgehalt (P), dem Stickstoffgehalt (N), aber auch der Toxizität gegenüber Fischen oder bestimmten Schwermetallen berechnet.


2. Berechnung der Abwasserabgabe und Schadeinheiten

Die Berechnung der Abwasserabgabe ist der zentrale Punkt der technischen Umsetzung und erfolgt nach § 3 AbwAG. Sie basiert auf den Werten der jährlich eingeleiteten Schadeinheiten (SE). Eine Schadeinheit ist dabei für jeden einzelnen Parameter definiert:

  • Chemische Sauerstoffzehrung (CSB): 1 SE entspricht 50 kg CSB/Jahr. Der CSB ist ein Maß für die organische Verschmutzung.
  • Gesamt-Stickstoff (N): 1 SE entspricht 15 kg N/Jahr. Stickstoffverbindungen können zur Eutrophierung und zur Belastung von Gewässern führen.
  • Gesamt-Phosphor (P): 1 SE entspricht 3 kg P/Jahr. Phosphor ist ein Hauptverursacher der Eutrophierung.
  • Toxizität gegenüber Fischen (GT): 1 SE entspricht einer Verdünnung von 500 m³/Jahr des Abwassers auf einen nicht giftigen Zustand (gemessen im Fischtest).
  • Schwermetalle (Chrom, Nickel, Blei, Quecksilber, Cadmium): Für bestimmte Schwermetalle sind spezifische Grenzwerte definiert, bei deren Überschreitung Schadeinheiten anfallen.

Die Anzahl der Schadeinheiten für jeden Parameter wird in der Regel ermittelt, indem die Jahresfracht (Menge pro Jahr) durch den jeweiligen spezifischen Wert pro Schadeinheit dividiert wird. Für die Gesamt-Schadeinheiten einer Einleitung wird der jeweils höchste Wert eines Parameters herangezogen (Höchstwertprinzip).

Die Höhe der Abgabe pro Schadeinheit wird jährlich angepasst und liegt aktuell (Stand 2024/2025) bei etwa 35 Euro pro Schadeinheit.


3. Technische Umsetzung und Nachweispflichten

Die Einhaltung der Vorgaben und die korrekte Berechnung der Abgabe erfordern detaillierte technische Überwachung und Dokumentation:

  • Messung und Probenahme: Die Einleiter sind verpflichtet, Art, Menge und Schädlichkeit ihres Abwassers durch kontinuierliche Messungen (z.B. Abwassermenge) und repräsentative Probenahmen (z.B. für CSB, N, P) zu ermitteln. Die Häufigkeit der Probenahme hängt von der Größe der Anlage und der zu erwartenden Schmutzfracht ab.
  • Analytik: Die entnommenen Proben müssen von akkreditierten Laboren nach genormten Verfahren analysiert werden. Dies gewährleistet die Vergleichbarkeit und Rechtssicherheit der Ergebnisse.
  • Jahresfrachtberechnung: Aus den Messergebnissen und Probenanalysen werden die Jahresfrachten der relevanten Parameter ermittelt.
  • Betriebstagebücher und Dokumentation: Alle Mess- und Analyseergebnisse, Betriebsdaten der Kläranlage sowie die Berechnung der Schadeinheiten müssen sorgfältig in Betriebstagebüchern und entsprechenden Berichten dokumentiert werden.
  • Meldepflichten: Die ermittelten Daten und die berechnete Abgabe sind jährlich bei der zuständigen Landesbehörde (oft das Umweltministerium oder die Wasserbehörde) zu melden.

Minderung der Abgabe durch moderne Abwasserreinigung:

Ein zentraler Anreiz des AbwAG ist die Möglichkeit, die Abgabe zu reduzieren. Dies geschieht in der Praxis durch Investitionen in verbesserte Abwasserreinigung:

  • Stand der Technik: Kläranlagen, die dem Stand der Technik entsprechen, profitieren von einer Reduzierung der Abgabe auf die Hälfte der normalen Schadeinheit (z.B. 25 kg CSB/SE statt 50 kg CSB/SE). Der Stand der Technik wird durch die Anforderungen an die Einleitungsstellen in der Abwasserverordnung (AbwV) und in den wasserrechtlichen Erlaubnissen oder Bewilligungen konkretisiert.
  • Unterschreiten von Grenzwerten: Wenn ein Einleiter die genehmigten Grenzwerte für bestimmte Parameter deutlich unterschreitet, kann dies ebenfalls zu einer Reduzierung der abgabepflichtigen Schadeinheiten führen.
  • Überwachung der Einleiterqualität: Die kontinuierliche Überwachung der Einleiterqualität mittels Sensorik und Online-Messtechnik ermöglicht eine schnelle Reaktion auf Abweichungen und eine optimierte Prozessführung, um die Einhaltung der Grenzwerte und somit die Minderung der Abgabe sicherzustellen.

4. Besondere Regelungen und Ausnahmen

Das AbwAG enthält auch spezifische Regelungen und Ausnahmen:

  • Kommunale Abwasserbehandlung: Kommunale Kläranlagen profitieren oft von reduzierten Abgabesätzen, da sie im öffentlichen Interesse handeln und die Infrastruktur für die Allgemeinheit bereitstellen.
  • Regenwasserabgabe: Für die Einleitung von Niederschlagswasser wird ebenfalls eine Abgabe erhoben, sofern es von befestigten Flächen stammt und nicht oder nur unzureichend behandelt wird. Die Berechnung erfolgt hier oft pauschal pro Hektar angeschlossener Fläche. Maßnahmen zur Regenwasserversickerung oder -rückhaltung können diese Abgabe mindern.
  • Bagatellgrenzen: Kleine Einleiter, deren Schmutzfracht unterhalb einer bestimmten Bagatellgrenze liegt, sind von der Abgabepflicht befreit, um den Verwaltungsaufwand zu minimieren.

5. Fazit und Ausblick

Das Abwasserabgabengesetz hat sich über die Jahrzehnte als effektives Instrument des Gewässerschutzes erwiesen. Es hat nicht nur die Wasserqualität in Deutschland signifikant verbessert, sondern auch einen wirtschaftlichen Anreiz für Innovationen in der Abwasserbehandlung geschaffen. Die praktische Umsetzung erfordert jedoch eine hohe technische Kompetenz bei den Einleitern und eine präzise Überwachung durch die Behörden.

Angesichts der zunehmenden Herausforderungen durch den Klimawandel (Starkregenereignisse, Trockenperioden) und das Aufkommen neuer Schadstoffe (Mikroplastik, Spurenstoffe aus Arzneimitteln und Kosmetika) wird das AbwAG auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Es bleibt ein flexibles Instrument, dessen Anpassung an neue wissenschaftliche Erkenntnisse und technische Möglichkeiten erforderlich ist, um den hohen Standard des Gewässerschutzes in Deutschland weiterhin zu gewährleisten.

Das dazu gehörige Fachseminar ist in der Seminarwelt des IWU Magdeburg auffindbar.