VG Freiburg, Urteil vom 18.6.2020 ‐ 9 K 4341/19
Die Parteien streiten über die Einordnung von Steuerungsdisplays als Messgeräte i.S.d. Mess‐ und Eichgesetzes (MessEG). Die Klägerin stellt Kabelspulmaschinen her. Dies sind technische Vorrichtungen, mit deren Hilfe ein Kabel mit einem elektronisch gesteuerten Motorantrieb von einer Trommel ganz oder teilweise auf eine andere Trommel gespult werden kann. Im Zeitraum vom 11.3.2015 bis 4.8.2016 verkaufte die Klägerin 13 Kabelspulmaschinen an verschiedene Kunden im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Alle Kabelspulmaschinen sind sowohl mit einer geeichten Längenmesseinrichtung (für die aufgespulte Kabellänge) sowie einem nicht eichfähigen Steuerungsdisplay ausgestattet. Die elektronische Anzeige des zusätzlichen Steuerungsdisplays zeigt dem Verwender der Kabelspulmaschine während des Abspulvorgangs den Abspulfortschritt in Metern unter dem Stichwort „Meterzähler“ an. Ausweislich der Bedienungsanleitung erfolgt dies, um Verletzungen durch ein unkontrolliertes Ausdrehen der beschleunigten Kabeltrommel vorzubeugen. Die Beklagte stellte mess- und eichrechtliche Mängel in Bezug auf die Steuerungsdisplays fest und forderte die Klägerin mittels Verwaltungsakts zur Beseitigung der festgestellten Mängel auf. So sei zu gewährleisten, dass die Meteranzahl der aufgespulten Kabellänge ausschließlich über die geeichte Längenmesseinrichtung und nicht über die ungeeichten Steuerungsdisplays abgelesen wird. Dies könne beispielsweise erreicht werden, sofern der Abspulfortschritt auf den Steuerungsdisplays nicht in Metern, sondern prozentual angegeben wird. Hiergegen wendet sich die Klägerin. Sie ist im Wesentlichen der Ansicht, dass es sich bei den Steuerungsdisplays nicht um Messgeräte i.S.d. MessEG handelt. Zudem seien die Kosten für die Umgestaltung der Steuerungsdisplays unverhältnismäßig.
Die Klage hat Erfolg, weil der angegriffene Bescheid rechtswidrig ist. Rechtsgrundlage des Bescheids ist § 50 Abs. 2 S. 1 MessEG. Hiernach kann die Marktüberwachungsbehörde die erforderlichen Maßnahmen treffen, wenn sie den begründeten Verdacht hat, dass Messgeräte die Anforderungen des MessEG nicht erfüllen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Steuerungsdisplays als Messgeräte i.S.v. § 3 Nr. 13 MessEG anzusehen sind. Messgeräte sind hiernach „alle Geräte oder Systeme von Geräten mit einer Messfunktion einschließlich Maßverkörperungen, die jeweils „zur Verwendung im geschäftlichen oder amtlichen Verkehr oder zur Durchführung von Messungen im öffentlichen Interesse bestimmt sind.“. Die streitgegenständlichen Steuerungsdisplays sind nach der Auffassung des VG Freiburg aber gerade keine Messgeräte, weil deren Messfunktion nicht zur Verwendung im geschäftlichen Verkehr bestimmt ist. Dabei obliegt es dem Gerätehersteller, den Verwendungszweck seines Produkts zu bestimmen. Auf eine zweckwidrige Verwendung durch den Verbraucher kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht an, solange für den Verbraucher erkennbar ist, dass der Hersteller dem jeweiligen Produkt einen Verwendungszweck zugewiesen hat, der außerhalb der Gesetzeszwecke des MessEG liegt, was vorliegend der Fall war. So hat die Klägerin den Verwendungszweck der Steuerungsdisplays im Hinblick auf eine sichere und Verletzungen vorbeugende Steuerung des Ab‐ und Aufspulvorgangs klargestellt. Dieser Verwendungszweck liegt nicht im geschäftlichen Bereich, weil der wirtschaftliche Wert der aufzuspulenden Kabel über die Steuerungsdisplays nicht bestimmt werden soll.
Anmerkung:
Für die Einordnung eines Produkts als Messgerät i.S.v. § 3 Nr. 13 MessEG hat das Urteil des VG Freiburg eine grundsätzliche und produktübergreifende Bedeutung. So hat das Gericht klargestellt, dass ein Messgerät i.S.d. MessEG nur dann vorliegen kann, sofern die jeweilige Geräteverwendung für die Gesetzeszwecke des MessEG bestimmt ist („geschäftlicher oder amtlicher Verkehr“). Positiv ist, dass das Gericht dem Gerätehersteller die Bestimmung des jeweiligen Verwendungszwecks überlässt und nicht auf eine faktische und zweckwidrige Verwendung durch den Verbraucher abstellt. Im Hinblick auf die Bestimmung des Verwendungszwecks durch den Hersteller hat das Gericht jedoch auch darauf abgestellt, inwiefern dieser für den jeweiligen Verbraucher erkennbar ist. In Zweifelsfällen dürfte daher von einer Anwendbarkeit des MessEG auszugehen sein.
Quelle: Kopp-Assenmacher & Nusser Rechtsanwälte PartGmbB
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