Zur arznei-mittelrecht-lichen Einordnung eines Nasen-sprays als Präsentations-arzneimittel in Abgrenzung zum stofflichen Medizinprodukt

OVG NRW, Urteil vom 4.3.2020 – 13 A 3209/17

Die Beteiligten streiten über die Einordnung eines Nasensprays als zulassungspflichtiges Präsentationsarzneimittel i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) in Abgrenzung zu einem stofflichen Medizinprodukt mit ausschließlich physikalischer Wirkweise. Die Klägerin ist Herstellerin des Nasensprays und bringt dieses als CE‐gekennzeichnetes Medizinprodukt in den Verkehr. Die Wirkweise des Nasensprays ist nach gegenwärtigem Kenntnisstand unklar. Nach der deutschsprachigen Verpackung und Gebrauchsanweisung soll das Nasenspray „der Reinigung und Drainage der mit Schleim und Sekreten gefüllten Nasenhöhlen“ und zur „symptomatischen Erleichterung“ dienen und „zur Befreiung und zum Abfluss von angestauten Schleimsekreten in Nasenhöhlen und oberem Atemwegstrakt“ führen, „um eine Symptomerleichterung bei Stauungszustand in der Nase herbeizuführen“. Ferner führt die Klägerin auf ihrer englischsprachigen Website aus, dass das Nasenspray speziell zur Linderung der Symptome einer Entzündung der Nasenschleimhaut (Rhinitis) entwickelt worden ist. Es gewährleiste mit „klinisch erwiesener Wirksamkeit“ eine schnelle Linderung der Symptome. Mit Bescheid vom 20.6.2013 stellte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) fest, dass es sich bei dem Nasenspray um ein zulassungspflichtiges Arzneimittel handele. Hiergegen wendet sich die Klägerin. Sie ist im Wesentlichen der Ansicht, dass das Nasenspray als ein Medizinprodukt mit rein physikalischer Wirkweise anzusehen sei. Das VG Köln wies die Klage ab. Über die eingelegte Berufung der Klägerin hat das OVG NRW nunmehr entschieden.

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das VG Köln hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der angegriffene Bescheid rechtmäßig ist. So erfüllt das Nasenspray der Klägerin die Voraussetzungen eines zulassungspflichtigen Präsentationsarzneimittels i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG. Hiernach sind Präsentationsarzneimittel Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die zur Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher oder tierische Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind. Im Hinblick auf die Einordnung von Erzeugnissen als Präsentationsarzneimittel ist das Merkmal der „Bestimmung“ i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG weit auszulegen, um Verbraucher vor gefährlichen oder ungeeigneten Heilmitteln zu schützen. Ausgehend von diesem Schutzzweck ist ein Erzeugnis ein Präsentationsarzneimittel, wenn es entweder ausdrücklich als Arzneimittel zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten bezeichnet wird oder wenn es einem Arzneimittel zumindest genügend ähnelt, weil bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher schlüssig der Eindruck entsteht, dass das Erzeugnis nach seiner Aufmachung in Bezug auf Krankheiten eine heilende, vorbeugende oder Symptom lindernde Wirkung hat. Dies ist vorliegend gegeben. Auch die CE‐Kennzeichnung der Verpackungen des Nasensprays begründet aus der Sicht eines durchschnittlich informierten Verbrauchers nicht die Annahme eines Medizinprodukts, weil diesem der Aussagegehalt und die Bedeutung einer CE‐Kennzeichnung unbekannt sind. Nach § 2 Abs. 3 Nr. 7 AMG findet das Arzneimittelrecht keine Anwendung auf Erzeugnisse, die Medizinprodukte darstellen. Dabei ist die Annahme eines stofflichen Medizinprodukts aber nur für Erzeugnisse gerechtfertigt, die ihre therapeutische Zweckbestimmung durch eine physikalische Wirkweise erreichen. Da vorliegend die Wirkweise des Nasensprays unklar ist, begründet die Zweifelsfallregelung des § 2 Abs. 3a AMG letztlich die Annahme eines zulassungspflichtigen Präsentationsarzneimittels.

Anmerkung:

Das OVG NRW hat sich erneut mit der Abgrenzung von Präsentationsarzneimitteln und stofflichen Medizinprodukten beschäftigt und dabei an seiner vorangegangenen Rechtsprechung festgehalten, vgl. Urteil des OVG NRW vom 26.9.2019 – 13 A 3290/17 (Rechtsprechungsreport Produktrecht 2020). Aufgrund der weitgehend übereinstimmenden Definition von Präsentationsarzneimitteln und stofflichen Medizinprodukten erfolgt die Abgrenzung letztlich nach der Wirkweise des jeweiligen Erzeugnisses. In Zweifelsfällen ist nach der Ansicht des OVG NRW von dem Vorliegen eines Präsentationsarzneimittels auszugehen, um Verbraucher vor gefährlichen und/oder ungeeigneten Heilmitteln zu schützen. Von dieser Rechtsprechung sind insbesondere Hersteller betroffen, die therapeutische Erzeugnisse mit unklarer Wirkweise in den Verkehr bringen. So ist zu beobachten, dass Marktüberwachungsbehörden und Gerichte in Grenzfällen häufig von dem Vorliegen eines zulassungspflichtigen Arzneimittels ausgehen.

Quelle: Kopp-Assenmacher & Nusser Rechtsanwälte PartGmbB