OVG Rheinland‐Pfalz, Beschluss vom 4.2.2020 – 8 A 10966/19
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der von der Klägerin hergestellte Stoff Dimethyldisulfid (DMDS) in bestimmten Verwendungen am klägerischen Unternehmensstandort lediglich als „Zwischenprodukt“ i.S.v. Art. 18 i.V.m. Art. 3 Nr. 15 REACH‐VO eingesetzt wird. Das DMDS wird in einem Umfang von unter 100 t/Jahr in einem Steamcracker, einer Aromatenanlage sowie in einer Propandehydrierung verwendet, um in Schwefelwasserstoff umgewandelt zu werden, der sodann in einer weiteren chemischen Reaktion zur Sulfidierung von Metallinnenflächen führt, die eine Metallsulfidschicht bildet. Als Schutz vor Versprödungen ist die Bildung einer Metallsulfidschicht im Innern der eben genannten Anlagen erforderlich. Die Klägerin hat DMDS im Jahre 2010 mit einer jährlichen Menge von weniger als 1.000 t pro Jahr als Zwischenprodukt gemäß Art. 18 i.V.m. Art. 3 Nr. 15 lit. c) REACH‐VO registriert. Die Registrierung betrifft u.a. die drei streitgegenständlichen DMDS‐Verwendungen zur Bildung einer Metallsulfidschicht. Nach Anhörung der Klägerin stellte die Struktur‐ und Genehmigungsdirektion Süd (SGD) mit Bescheid vom 3.4.2017 fest, dass das DMDS bei den beschriebenen Verwendungen kein Zwischenprodukt i.S.v. Art. 3 Nr. 15 der REACH‐VO sei. Daher sei ab dem 1.6.2018 eine umfangreiche Registrierung nach Art. 6 und Art. 10 REACH‐VO vorzunehmen, sofern die ab diesem Zeitpunkt maßgebliche Mengengrenze von 1 t pro Kalenderjahr erreicht wird. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin erfolgreich Klage vor dem VG Neustadt erhoben. Dabei hat das Gericht eine Berufung nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich der Beklagte mit einem Antrag auf Zulassung der Berufung.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Insbesondere bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils. So hat sich das VG Neustadt im Hinblick auf die Einordnung des DMDS als Zwischenprodukt i.S.v. Art. 3 Nr. 15 REACH‐VO letztlich auf das Grundsatzurteil des EuGH vom 25.10.2017 (Az.: C‐650/15 P) gestützt. Hiernach kommt es für die Einordnung eines chemischen Stoffs als Zwischenprodukt nur auf den Wortlaut des Art. 3 Nr. 15 REACH‐VO an. Auch der in Art. 3 Nr. 15 enthaltenen Klammerzusatz „Synthese“ habe entgegen der Ansicht des Beklagten keine eigenständige rechtliche Bedeutung, so dass es auf eine vom Beklagten in Anlehnung an einen ECHA‐Leitfaden vertretene fachchemische Auslegung des Synthese‐Begriffs nicht ankommt. Ferner enthält Art. 3 Nr. 15 REACH‐VO kein zusätzliches Kriterium, dass im Hinblick auf den Umwandlungsprozess eines Stoffes eine Differenzierung nach Haupt‐ oder Nebenzwecken ermöglicht. Unerheblich ist daher, welchen Zweck die chemische Umwandlung eines Stoffes hat. Die Einstufung eines Stoffes als Zwischenprodukt richtet sich somit nur nach der Frage, ob der jeweilige Stoff hergestellt wird, um in einer chemischen Weiterverarbeitung in einen anderen Stoff umgewandelt zu werden. Vor diesem Hintergrund wird das DMDS als Zwischenprodukt i.S.v. Art. 3 Nr. 15 REACH‐VO eingesetzt, weil es nach einer chemischen Weiterverarbeitung eine Metallsulfidschicht in der Aromatenanlage, Propandehydrierung und in den Steamcrackern bilden soll.
Quelle: Kopp-Assenmacher & Nusser Rechtsanwälte PartGmbB
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