Der Ausgangszustandsbericht (AZB) ist eines der zentralen Instrumente der Industrie-Emissions-Richtlinie (IE-RL), um den Schutz von Boden und Grundwasser bei industriellen Großanlagen zu gewährleisten. Er dient als essenzielles „Null-Dokument“ im Genehmigungsverfahren. Seine Hauptfunktion ist es, den Zustand des Bodens und des Grundwassers auf einem Standort zu dokumentieren, bevor der Betrieb einer neuen Anlage aufgenommen oder eine bestehende Anlage wesentlich geändert wird. Dies schafft die Grundlage für die spätere umweltrechtliche Rechenschaftspflicht des Betreibers.
1. Rechtlicher Rahmen und die Notwendigkeit des AZB
Die rechtliche Grundlage für den AZB findet sich in Artikel 22 der IE-Richtlinie (2010/75/EU). In deutsches Recht umgesetzt, ist die Pflicht zur Erstellung des Berichts in § 10 Absatz 1a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) verankert.
Der AZB ist verpflichtend für Betreiber von IE-Anlagen im Falle einer:
- Neugenehmigung einer Anlage,
- Wesentlichen Änderung einer bestehenden Anlage.
Der Bericht wird Teil der Genehmigungsunterlagen und dient der zuständigen Behörde als Vergleichsmaßstab (Baseline). Seine Existenz ist entscheidend, denn bei der späteren endgültigen Stilllegung der Anlage muss der Betreiber nachweisen, dass die durch ihn verursachte signifikante Verunreinigung (hinsichtlich der relevanten gefährlichen Stoffe) beseitigt wird. Nur durch den AZB kann nachgewiesen werden, welche Kontaminationen bereits vor Betriebsaufnahme vorhanden waren und somit nicht vom Betreiber zu sanieren sind.
2. Methodik: Die Identifikation relevanter gefährlicher Stoffe (RGS)
Die Erstellung eines AZB ist nicht pauschal erforderlich. Die Pflicht besteht nur, wenn auf dem Gelände relevante gefährliche Stoffe (RGS) verwendet, produziert oder freigesetzt werden, die das Potenzial haben, Boden oder Grundwasser zu verunreinigen. Die Methodik folgt daher einem klar strukturierten Vorgehen:
Stoffbezogene Relevanzprüfung
Zuerst muss der Betreiber eine stoffbezogene Prüfung durchführen. Er muss alle gefährlichen Stoffe identifizieren, die im Betrieb eingesetzt oder freigesetzt werden. Nur diejenigen Stoffe, die aufgrund ihres Gefährdungspotenzials und der Art ihres Umgangs tatsächlich eine Gefahr für Boden und Grundwasser darstellen, sind „relevant“.
Inhalt des AZB
Der Bericht selbst muss zwei zentrale Bereiche umfassen:
- Standortbeschreibung: Detaillierte Darstellung der hydrogeologischen und bodenkundlichen Gegebenheiten des Standortes, einschließlich einer Beschreibung der bisherigen Nutzung.
- Referenzzustand: Gezielte Probenahme und Analytik von Boden und Grundwasser, die sich ausschließlich auf die als relevant identifizierten Stoffe konzentriert. Die Probenahmestellen müssen repräsentativ für die Bereiche sein, in denen die größte Kontaminationswahrscheinlichkeit besteht. Die Methodik muss dabei den höchsten Qualitätssicherungsanforderungen genügen, um später als rechtsgültiger Vergleichswert dienen zu können.
3. Die entscheidende Rolle bei der Stilllegung
Die eigentliche Bedeutung entfaltet der AZB am Ende des Anlagenbetriebs:
- Erstellung des Endzustandsberichts: Bei der endgültigen Stilllegung der IE-Anlage muss der Betreiber einen neuen Endzustandsbericht erstellen, der den Zustand von Boden und Grundwasser zum Zeitpunkt der Schließung dokumentiert.
- Vergleich und Sanierungspflicht: Die zuständige Behörde vergleicht anschließend den Endzustandsbericht mit dem AZB. Ergibt sich eine signifikante Verunreinigung durch die relevanten gefährlichen Stoffe des Anlagenbetriebs, ist der Betreiber verpflichtet, den Standort auf eigene Kosten auf den Ausgangszustand zurückzuführen.
Der AZB dient somit als Beweissicherungsdokument und legt eine klare Verantwortlichkeit für potenzielle Altlasten fest.
Fazit
Der Ausgangszustandsbericht nach der IE-Richtlinie ist weit mehr als eine formale Genehmigungsauflage; er ist ein zentrales Instrument der Vorsorge und der ökologischen Haftung. Er bindet den Betreiber langfristig an die Umweltsicherheit seines Standortes und verschärft die Compliance-Anforderungen im Umgang mit gefährlichen Stoffen. Für Behörden ist er die notwendige Grundlage, um den Verursacher im Schadensfall rechtssicher in die Pflicht nehmen zu können. Die sorgfältige und fachlich fundierte Erstellung des AZB ist daher eine strategische Notwendigkeit für jeden Betreiber einer IE-Anlage.
