Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in seinem Urteil vom 13.12.2019 – V ZR 152/18 – mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen Nachbarn die Eigentümer angrenzender Grundstücke zivilrechtlich auf Beseitigung eines bauordnungsrechtswidrigen Zustands in Anspruch nehmen können. Dies hat der BGH bejaht, sofern nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts verletzt sind.
In dem der Entscheidung des BGH zugrunde liegenden Fall waren die Parteien Eigentümer benachbarter Grundstücke in einem reinen Gewerbegebiet. Unstreitig fehlte auf dem Grundstück des Beklagten eine nach den bauordnungsrechtlichen Vorschriften des Landes erforderliche Brandschutzwand. Die Klägerin verlangte Beseitigung des bauordnungswidrigen Zustands. Der Beklagte machte geltend, der klagende Nachbar müsse auf öffentlich-rechtlichem Wege vorgehen und könne nicht ohne Einschaltung der Behörden auf dem Zivilrechtsweg gegen ihn vorgehen.
Außerdem machte der Beklagte geltend, ein Beseitigungsanspruch setze eine Beeinträchtigung voraus, die über den reinen Rechtsverstoß hinausgehe. Es müsse eine konkrete Gefahr bestehen, dass es zu einem Schadensfall – hier durch Brandüberschlag – kommen könne, wenn der Verstoß gegen das Bauordnungsrecht nicht abgestellt werde.
Anders als die Vorinstanz folgte der BGH dieser Sichtweise nicht:
„Steht der Zustand eines Gebäudes im Widerspruch zu nachbarschützenden Vorschriften des Bauordnungsrechts, kann der Nachbar infolgedessen mit dem quasinegatorischen Beseitigungsanspruch die Beseitigung der Störung verlangen. Im Ergebnis wird dem Nachbarn damit die Möglichkeit eröffnet, auch auf zivilrechtlichem Wege die Einhaltung drittschützender Normen des öffentlichen Rechts zu erzwingen. […] Da der zivilrechtliche quasinegatorische Beseitigungsanspruch selbständig neben etwaigen öffentlich-rechtlichen Ansprüchen steht, kann der Nachbar sowohl vor den Verwaltungsgerichten als auch vor den Zivilgerichten um Rechtsschutz nachsuchen.“
Der BGH entschied zudem, dass eine über den Rechtsverstoß hinausgehende Beeinträchtigung des Nachbarn durch eine konkrete Gefährdungslage nicht erforderlich ist, um die Beseitigung des öffentlich-rechtlichen Verstoßes durchzusetzen. Etwas anderes gelte nur dann, wenn eine solche Beeinträchtigung von der drittschützenden Norm vorausgesetzt werde, was im Streitfall nicht so war.
Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung kann die Beseitigung von Verstößen gegen drittschützende Vorschriften des öffentlichen Rechts in einer Vielzahl von Fällen unter relativ einfachen Voraussetzungen auf dem Zivilrechtsweg durchgesetzt werden. Der vom BGH für einschlägig angesehene zivilrechtliche Beseitigungsanspruch erfordert nicht, dass aufgrund des Rechtsverstoßes eine konkrete Gefährdungslage besteht, wenn und soweit die verletzte öffentlich- rechtliche Norm eine solche nicht voraussetzt. Der zivilrechtliche Beseitigungsanspruch setzt ferner nicht voraus, dass den Anspruchsgegner im Hinblick auf den Rechtsverstoß ein Verschulden trifft.
Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte
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