Subsidiarität der Inanspruchnahme eines Störers nach BBodSchG wegen des Vorrangs immissionsschutzrechtlicher Bestimmungen

Keine analoge Anwendung von § 24 Abs. 2 BBodSchG – Urteil des BGH vom 18.02.2010

 

Die Entscheidung des BGH vom 18.02.2010 (III ZR 295/09 = BayVBl. 2011, 90 ff.) befasst sich mit der Rechtsgrundlage für die Erstattung von Entsorgungskosten für die Beräumung eines Grundstücks von Abfällen nach Beendigung eines Mietverhältnisses durch den Zwangsverwalter der Mietsache. Als Rechtsgrundlage wurde dabei der zivilrechtliche Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs. 2 BBodSchG herangezogen und in der für ein Zivilgericht beachtlichen Entscheidung der Vorrang der immissionsschutzrechtlichen Vorschriften vor den bodenschutzrechtlichen Vorschriften als für die Ablehnung des Ausgleichsanspruchs maßgeblich behandelt.

 

Die Parteien streiten um die Erstattung von Kosten für die Beseitigung von Reststoffen, die sich nach dem Ende des Betriebs einer Abfallrecyclinganlage auf dem gemieteten Grundstück befanden. Der Kläger als Zwangsverwalter des vermieteten Grundstücks beendete das Mietverhältnis zwischen der Beklagten zu 1) als Grundstückseigentümerin mit der Beklagten zu 2) als Betreiberin der Abfallrecyclinganlage.

 

Nach der vergleichsweisen Beendigung des Mietverhältnisses war das Grundstück von der Beklagten zu 2) geräumt herauszugeben. Mit Ablauf der Räumungsfrist ließ der Kläger das Grundstück zwangsweise räumen. Dabei verblieben auf dem Grundstück etwa 400 t nicht verwertbarer Abfälle, deren Lagerung auf dem Grundstück seitens des zuständigen staatlichen Umweltamtes nicht für zulässig erkannt wurde. Deswegen wurde der Kläger von der Behörde aufgefordert, die Entsorgung der Abfälle von dem Grundstück ordnungsgemäß zu veranlassen. Mit der Entsorgung der Abfälle beauftragte der Kläger die neue Mieterin, die ihm für ihre Leistungen die Klagesumme in Rechnung stellte. Der Kläger verlangte mit seiner Klage die Erstattung seiner Aufwendungen von den Beklagten zu 1) und zu 2). Die Berufung der Beklagten zu 1) und zu 2) gegen das stattgebende Urteil erster Instanz hatte keinen Erfolg. Die zugelassene Revision führte zur Klageabweisung gegenüber dem Beklagten zu 1) und im Übrigen zur Aufhebung und Zurückverweisung.

 

Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Erstattungsanspruch auf der Grundlage von § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG für begründet erachtet. Die Parteien seien sämtlich Verpflichtete nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz. Diese Einschätzung hat der rechtlichen Nachprüfung im Rahmen der Revision nicht standgehalten.

 

Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte zu 2) als Betreiber der Abfallrecyclinganlage sei nach § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG zur Zahlung des Klagebetrags verpflichtet, wurde als nicht zutreffend erkannt. Eine Verpflichtung zur Sanierung habe sich für die Beklage zu 2) nicht aus § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG ergeben. Dazu habe es an der Voraussetzung einer schädlichen Bodenveränderung gefehlt, weil die Lagerung der Abfälle auf dem Grundstück lediglich die Gefahr von Bodenveränderungen bedeutete, nicht jedoch, dass solche bereits eingetreten waren.

 

Mangels Vorliegens einer Altlast war die Beklagte zu 2) auch nicht als Verursacher einer Altlast im Sinne von § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG anzusehen.

 

Eine Altlast nach § 2 Abs. 5 Nr. 1 Fall 1 BBodSchG sei ausgeschlossen, weil es sich bei der Abfallrecyclinganlage nicht um eine „stillgelegte“ Abfallbeseitigungsanlage handelte. Insoweit sollen zwar auch Abfallverwertungsanlagen zu den Abfallbeseitigungsanlagen im Sinne des Gesetzes gehören, jedoch habe es an der Stilllegung der Anlage gefehlt, denn sie sei durch den neuen Mieter weiterbetrieben worden.

 

Eine Altlast sei des Weiteren auch nach § 2 Abs. 5 Nr. 1 Fall 2 BBodSchG ausgeschlossen. Auch bei einem sonstigen Grundstück im Sinne der Vorschrift werde vorausgesetzt, dass es sich nicht um eine noch im Betrieb befindliche Anlage handelt. Eine Altlast wurde darüber hinaus auch im Sinne von § 2 Abs. 5 Nr. 2 BBodSchG in Form eines Altstandortes verneint, weil die davon betroffenen Grundstücke noch zu den in Betrieb befindlichen Anlagen gehörten.

 

Schließlich hat der Bundesgerichtshof eine Verpflichtung aus § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG für die Beklagte zu 2) auch aus dem Gesichtspunkt einer vermeintlichen Vorsorgepflicht nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG verneint. Im Wesentlichen werde diese wegen des Vorrangs der Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes verdrängt. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG seien genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Dazu gehöre auch der Eintrag von Schadstoffen in den Boden durch Witterungseinflüsse und insbesondere durch Regen. Diese Schutzpflicht beziehe sich in gewissem Umfang auch auf schädliche Umwelteinwirkungen in der Zukunft und diene damit der vorbeugenden Gefahrenabwehr. Der räumliche Einwirkungsbereich der Schadstoffe durch ablaufendes Niederschlagswasser in den Boden werde im Bereich der Anlage von § 5 Abs. 1 BImSchG miterfasst.

 

Eine Verpflichtung der Beklagten zu 2) im Sinne des § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG ergebe sich auch nicht aus § 4 Abs. 1 BBodSchG. Der Anwendung dieser Vorschrift stehe § 3 Abs. 1 Nr. 11 BBodSchG mit dem Vorrang der immissionsschutzrechtlichen Vorschriften entgegen.

 

Schließlich könne der geltend gemachte Anspruch auch nicht auf eine analoge Anwendung des § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG gestützt werden. Eine solche Analogie scheide bereits nach dem Wortlaut in § 3 Abs. 1 Nr. 11 BBodSchG aus, der die Anwendung des gesamten Bundes-Bodenschutzgesetzes und damit auch den Ausgleichsanspruch nach § 24 BBodSchG ausdrücklich ausschließe.

 

Ob dem Kläger aus anderen Gründen der geltend gemachte Anspruch zustehen kann, etwa als Schadensersatzanspruch nach §§ 280, 281, 546 BGB konnte abschließend nicht entschieden werden, weil es hierzu weiterer Feststellungen bedurfte.

 

Auch die Revision der Beklagten zu 1) wurde als begründet erkannt. Die Feststellungen des Berufungsgerichts würden eine Verurteilung nach § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG bei dem Beklagten zu 1) in seiner Eigenschaft als Eigentümer nicht tragen. Dafür habe in gleicher Weise zu gelten, was den Vorrang der Regelung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes nach § 3 Abs. 1 Nr. 11 BBodSchG ausmache. Auch soweit hinsichtlich der in § 7 Satz 1 BBodSchG zusätzlich genannten Adressaten wie den Grundstückseigentümer weitergehende Pflichten erkannt würden, bleibe es bei den anlagenbezogenen Anforderungen und für die Abwehr schädlicher Umwelteinwirkungen bei den einheitlichen Regelungen im Bundes-Immissionsschutzgesetz.

 

Auch aus anderen Gründen hat der Bundesgerichtshof das mit der Revision angegriffene Urteil nicht als richtig erkannt. Ein Erstattungsanspruch aus §§ 683, 677, 670 BGB scheide aus, weil der Kläger durch die Beseitigung der Reststoffe auf dem Grundstück keine Verpflichtung des Beklagten zu 1) als dessen Eigentümer erfüllt habe. Eine solche Verpflichtung des Beklagten zu 1) zur Abfallbeseitigung ergebe sich nicht aus dem Bundes-Bodenschutzgesetz, da auch insoweit das Bundes-Immissionsschutzgesetz vorrangig sei. Eine solche Verpflichtung ergebe sich auch nicht aus § 5 Abs. 1 BImSchG, da insoweit der Eigentümer nicht die Pflichten für den Anlagenbetreiber wahrzunehmen hatte. Im Ergebnis wurde schließlich auch eine Verpflichtung des Beklagten zu 1) im Hinblick auf die Gefahrenabwehr nach dem allgemeinen Ordnungsrecht unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Sachverhalts verneint.

 

Mangels einer Befreiung des Beklagten zu 1) von einer Verpflichtung im Hinblick auf die Entsorgung der Reststoffe wurden von dem Bundesgerichtshof auch Ansprüche des Klägers aus ungerechtfertigter Bereicherung abgelehnt.

 

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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