Das Bundesverwaltungsgericht grenzt in seinen Beschlüssen vom 21.12. und 29.12.2010 (7 B 4.10 und 7 B 6.10) zunächst abstrakt-generell die immissionsschutzrechtlichen Begrifflichkeiten Anlagenteil und Nebeneinrichtung im Verhältnis zur (Haupt)Anlage ab bzw. präzisiert die Kriterien für deren Zuordnung untereinander. Dabei zeigt es die Bedeutung von Abgrenzung bzw. Zuordnung für die Bestimmung des zutreffenden Genehmigungsverfahrens auf. Speziell für die Frage der immissionsschutzrechtlichen Zuordnung einer Biogasanlage zu einem landwirtschaftlichen Betrieb benennt das Bundesverwaltungsgericht Kriterien, anhand derer zu beurteilen ist, ob eine Biogasanlage als Nebeneinrichtung des landwirtschaftlichen Betriebs einzuordnen und somit allein nach dem für diesen maßgeblichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zu beurteilen ist, oder ob für sie ein eigenständiges Genehmigungsverfahren durchzuführen ist. Zudem präzisiert das Bundesverwaltungsgericht den Begriff des räumlich-funktionalen Zusammenhangs (§ 35 Abs. 1 Nr. 6 b) BauGB) und damit die Voraussetzungen der bauplanungsrechtlichen Privilegierung von Biogasanlagen.
Den Beschlüssen liegt – bis auf die Personenverschiedenheit der Kläger – im Wesentlichen der gleiche Sachverhalt zugrunde. Die Kläger wendeten sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung, die der Beigeladenen für die Errichtung einer Biogasanlage erteilt worden war. Standort der Biogasanlage ist der landwirtschaftliche Betrieb (Schweinemast) der Beigeladenen. Diese wollte zunächst die Errichtung der Biogasanlage genehmigungsrechtlich mit der Erweiterung ihres Schweinemastbetriebs auf 2200 Tiere verknüpfen. Indes bestanden die Behörden auf getrennten Genehmigungsverfahren nach BImSchG. Für die Erweiterung des Schweinemastbetriebs (Nr. 7.1 g) Spalte 1 des Anhangs zur 4. BImSchV) wurde daher ein Genehmigungsverfahren mit, für die Biogasanlage (Nr. 8.6 b) Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV) ohne Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt und die Genehmigungen erteilt.
Die Kläger rügten (unter anderem), dass die Genehmigung der Biogasanlage in einem Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung hätte erteilt werden müssen. Schweinmastanlage und Biogasanlage stellten eine einheitliche Anlage im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b) 4. BImSchV dar, weil sie sich aus in Spalte 1 und Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV genannten Anlagen zusammensetze. Diese folge auch daraus, dass die bauplanungsrechtliche Privilegierung der Biogasanlage nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB nur greife, wenn ein räumlichbetrieblicher Zusammenhang zwischen landwirtschaftlichem Betrieb – hier der Schweinemast – und dem Betrieb der Biogasanlage bestehe.
Das Bundesverwaltungsgericht hat das Verfahren zum Anlass genommen, das Verhältnis von landwirtschaftlichem Betrieb und Betrieb einer Biogasanlage zum Einen unter Gesichtspunkten des BImSchG Verfahrensrechts, zum Anderen mit Blick auf den bauplanungsrechtlichen Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB näher zu beleuchten.
Aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichts war es von Rechts wegen nicht geboten, die streitgegenständliche Biogasanlage in einem Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung zu genehmigen. Denn bei dieser Biogasanlage handele es sich weder um einen Anlagenteil noch um eine Nebeneinrichtung des Schweinmastbetriebs, so dass sich die Kläger nicht auf § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b) 4. BImSchV berufen konnten. Danach sind Anlagen, die sich aus in Spalte 1 und in Spalte 2 des Anhangs der 4. BImSchV genannten Anlagen „zusammensetzen“, einheitlich nach einem Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung zu genehmigen. Das Bundesverwaltungsgericht präzisiert den Begriff der zusammengesetzten Anlage in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b) 4. BImSchV unter Rückgriff auf § 1 Abs. 4 4. BImSchV. Danach bedarf es lediglich einer Genehmigung nach BImSchG, wenn zu einer nach dem BImSchG genehmigungsbedürftigen (Haupt)Anlage Anlagenteile oder Nebeneinrichtungen gehören, die – für sich betrachtet – ebenfalls nach BImSchG genehmigungsbedürftig sind. Aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ist die – hiernach erforderliche – immissionsschutzrechtliche Abgrenzung zwischen Hauptanlage einerseits und Teilanlage oder Nebeneinrichtung andererseits geklärt. Das Gericht beschränkt sich daher darauf, die maßgeblichen Kriterien aufzuzählen, die für jeden Einzelfall abzuarbeiten seien.
Speziell im Rahmen der Zuordnung einer Biogasanlage zu einem landwirtschaftlichen Betrieb sei darauf abzustellen, ob und inwieweit die Biogasanlage dem Betreiber zur Verwertung seiner tierischen Nebenprodukte diene, ob und inwieweit der Betreiber die durch die Produktion des Biogases erzeugte Energie in seinem Betrieb nutze, welches Verhältnis der Eigenanteil an der Gesamtinputmenge habe und wie die Gärrückstände verwertet würden. Je umfassender die vorgenannten Kriterien erfüllt werden, um so mehr spricht dies, so wird man das Bundesverwaltungsgericht verstehen müssen, für die Einordnung der Biogasanlage als Nebeneinrichtung des landwirtschaftlichen Betriebs. Allein ein betriebstechnischer Zusammenhang zwischen Biogasanlage und landwirtschaftlichem Betrieb reiche dafür nicht. Zwar spreche ein räumlich- funktionaler Zusammenhang zwischen Biogasanlage und landwirtschaftlichem Betrieb (§ 35 Abs. 1 Nr. 6 b) BauGB) in der Regel dafür, dass die Biogasanlage auch immissionsschutzrechtlich dessen Nebeneinrichtung sei. Dies sei aber nicht zwingend und mache die Einzelfallprüfung nicht entbehrlich.
Anlässlich des zu entscheidenden Rechtsstreits hat sich das Bundesverwaltungsgericht noch mit der Interpretation des räumlich-funktionalen Zusammenhangs im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 6 a) BauGB befasst. Es betont, dass ein derartiger Zusammenhang lediglich verlangt, dass die Biogasanlage im Anschluss an eine bereits bestehende und privilegierte landwirtschaftliche Nutzung im Außenbereich betrieben wird. Nicht erforderlich sei dagegen, dass die Biogasanlage im Verhältnis zum landwirtschaftlichen Betrieb von untergeordneter Bedeutung ist. Erst recht sei nicht erforderlich, dass die Tierhaltungsanlage Teil oder Nebeneinrichtung der Biogasanlage sei.
Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte