Probenahme von Abwasser: Technische und rechtliche Aspekte für eine aussagekräftige Überwachung

Die Probenahme ist ein entscheidender Schritt in der Abwasserüberwachung. Nur eine fachgerecht entnommene und konservierte Probe liefert repräsentative Ergebnisse, die eine valide Beurteilung der Abwasserqualität ermöglichen und als Grundlage für rechtliche Entscheidungen dienen können. Sowohl technische Standards als auch ein komplexes Geflecht rechtlicher Vorschriften bestimmen, wie Proben zu nehmen sind, um ihre Aussagekraft und gerichtliche Verwertbarkeit sicherzustellen. Dieser Fachbeitrag beleuchtet die wesentlichen technischen und rechtlichen Aspekte der Abwasserprobenahme in Deutschland.


1. Ziele und Bedeutung der Abwasserprobenahme

Die Probenahme von Abwasser dient verschiedenen Zielen:

  • Überwachung von Einleitungen: Kontrolle der Einhaltung von Einleitungsanforderungen aus Genehmigungen (z.B. nach Wasserhaushaltsgesetz – WHG, oder Abwasserverordnung – AbwV).
  • Betriebsüberwachung von Kläranlagen: Kontrolle der Reinigungsleistung und Optimierung von Betriebsabläufen.
  • Gebührenabrechnung: Ermittlung von Gebühren für die Abwassereinleitung auf Basis der Fracht oder Konzentration bestimmter Parameter.
  • Nachweis von Schadstoffemissionen: Erkennung und Dokumentation von unerlaubten oder schädlichen Einleitungen.
  • Forschung und Entwicklung: Datenerfassung für wissenschaftliche Studien oder die Entwicklung neuer Reinigungstechnologien.

Die Qualität der Probenahme ist dabei von fundamentaler Bedeutung, da selbst modernste Analyselabore keine korrekten Ergebnisse liefern können, wenn die Ausgangsprobe nicht repräsentativ ist. Fehlhafte Probenahmen können zu falschen Beurteilungen, ungerechtfertigten Gebührenforderungen oder dem Scheitern von Gerichtsverfahren führen.


2. Rechtliche Rahmenbedingungen der Abwasserprobenahme

Die rechtlichen Anforderungen an die Probenahme von Abwasser sind in Deutschland auf mehreren Ebenen verankert und eng mit dem technischen Regelwerk verzahnt:

  • Wasserhaushaltsgesetz (WHG): Das WHG ist das zentrale Bundesgesetz für die Gewässerbewirtschaftung. Es enthält allgemeine Pflichten zur Überwachung von Abwassereinleitungen und legt fest, dass diese nach dem Stand der Technik zu erfolgen hat.
  • Abwasserverordnung (AbwV): Die AbwV konkretisiert die Mindestanforderungen an das Einleiten von Abwasser in Gewässer für verschiedene Branchen und Abwassertypen. Sie verweist explizit auf DIN-Normen und andere technische Regeln für die Probenahme und Analytik.
  • Landeswassergesetze (LWG): Die Bundesländer haben eigene Wassergesetze, die das WHG ergänzen und spezifische Regelungen zur Überwachung und Probenahme enthalten können.
  • Indirekteinleiterverordnungen (IndV): Viele Kommunen oder Zweckverbände haben Indirekteinleiterverordnungen oder Abwasserbeseitigungssatzungen erlassen, die die Einleitung von Abwasser in die öffentliche Kanalisation regeln und oft detaillierte Vorgaben zur Probenahme an der Übergabestelle machen.
  • Genehmigungsbescheide: Die wasserrechtlichen Erlaubnisse oder Genehmigungen für Abwassereinleitungen enthalten in der Regel detaillierte Auflagen zur Eigenüberwachung (Art, Häufigkeit, Parameter der Probenahme und Analytik) und können auch die Möglichkeit der behördlichen Fremdüberwachung vorsehen.

Ein zentraler rechtlicher Grundsatz ist die Repräsentativität der Probe. Eine Probe gilt als repräsentativ, wenn sie die tatsächliche Zusammensetzung und Beschaffenheit des Abwassers zum Zeitpunkt der Probenahme zutreffend widerspiegelt. Nur repräsentative Proben sind als Nachweis im Verwaltungsverfahren oder vor Gericht verwertbar.


3. Technische Aspekte und Standards der Abwasserprobenahme

Die technische Durchführung der Probenahme wird durch eine Vielzahl von Normen und Richtlinien geregelt, die den Stand der Technik definieren:

  • DIN EN ISO 5667 (Qualität von Wasser – Probenahme): Dies ist die wichtigste Normenreihe für die Probenahme von Wasser und Abwasser. Sie umfasst mehrere Teile, die spezifische Aspekte behandeln, z.B.:
    • DIN EN ISO 5667-1: Leitlinien für die Festlegung von Probenahmeprogrammen und Probenahmetechniken.
    • DIN EN ISO 5667-3: Leitlinien zur Konservierung und Handhabung von Wasserproben.
    • DIN EN ISO 5667-10: Leitlinien für die Probenahme von Abwasser.
  • DVGW-Arbeitsblätter und DWA-Regelwerk: Verbände wie der DVGW (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches) und die DWA (Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall) geben technische Regelwerke heraus, die oft über die DIN-Normen hinausgehende detaillierte Anleitungen für die Praxis bieten.

Arten der Abwasserprobenahme:

  • Stichproben (Momentanproben): Eine Einzelprobe, die zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort entnommen wird. Sie ist nur repräsentativ für den Moment der Entnahme und bei stark schwankender Abwasserzusammensetzung wenig aussagekräftig.
  • Mischproben (Qualifizierte Stichproben): Mehrere Stichproben (meist 5 bis 15), die innerhalb eines bestimmten Zeitraums (z.B. 2 Stunden) an derselben Stelle entnommen und zu einer Mischprobe vereinigt werden. Sie bieten eine bessere Momentaufnahme über einen kurzen Zeitraum.
  • Automatisierte Probenahme (Zeitproportional/Mengenproportional): Dies ist die bevorzugte Methode bei komplexen oder variablen Abwässern.
    • Zeitproportionale Probenahme: Eine bestimmte Menge Abwasser wird in festen Zeitintervallen (z.B. alle 10 Minuten) über einen längeren Zeitraum (z.B. 24 Stunden) entnommen und in einem Sammelbehälter vereinigt.
    • Mengenproportionale Probenahme: Eine bestimmte Menge Abwasser wird nach Durchfluss einer definierten Abwassermenge entnommen. Dies erfordert eine Kopplung des Probenahmegeräts an einen Durchflussmesser. Sie ist die repräsentativste Form der Probenahme, da sie die tatsächliche Fracht (Masse pro Zeiteinheit) besser abbildet.

Technische Anforderungen an die Probenahme:

  • Probenahmestellen: Sie müssen leicht zugänglich, sicher und so gewählt sein, dass eine homogene Durchmischung des Abwassers gewährleistet ist (z.B. nach Turbulenzen, in gut durchströmten Kanälen).
  • Probenahmegeräte: Automatische Probenehmer müssen für die jeweilige Anwendung geeignet sein, regelmäßig kalibriert und gewartet werden. Materialkompatibilität mit dem Abwasser ist wichtig, um Kontaminationen zu vermeiden.
  • Probengefäße: Müssen sauber, inert (reaktionsarm) und für die zu analysierenden Parameter geeignet sein. Sie müssen vor Kontamination geschützt und vor Licht, Wärme etc. geschützt werden.
  • Konservierung: Viele Parameter sind im Abwasser nicht stabil (z.B. Sauerstoff, pH-Wert, Mikroorganismen, bestimmte Spurenstoffe). Die Proben müssen daher sofort nach Entnahme konserviert werden (z.B. Kühlung, Zugabe von Chemikalien) und schnellstmöglich ins Labor transportiert werden.
  • Protokollierung: Eine detaillierte Dokumentation des Probenahmevorgangs ist unerlässlich (Datum, Uhrzeit, Ort, Art der Probenahme, Probennehmer, Wetterbedingungen, besondere Beobachtungen). Dies dient der Nachvollziehbarkeit und Beweissicherung.
  • Qualitätssicherung: Regelmäßige Schulung des Probenahmepersonals, Ringversuche und interne Qualitätskontrollen sind Standard.

4. Herausforderungen und zukünftige Entwicklungen

Die Probenahme von Abwasser steht vor kontinuierlichen Herausforderungen und Entwicklungen:

  • Mikroverunreinigungen: Die immer größer werdende Vielfalt und die geringen Konzentrationen von Mikroverunreinigungen (z.B. Arzneimittelrückstände, Pestizide, Mikroplastik) stellen hohe Anforderungen an die Probenahme, Konservierung und Analytik.
  • On-site-Analytik und Sensorik: Der Trend geht zu einer verstärkten On-site-Analytik und dem Einsatz von Sensoren für die kontinuierliche Überwachung bestimmter Parameter. Dies kann die Notwendigkeit manueller Probenahmen reduzieren und Echtzeitdaten liefern, ersetzt sie aber nicht vollständig.
  • Digitalisierung und Datenmanagement: Die Erfassung und Verwaltung von Probenahmedaten wird zunehmend digitalisiert, was die Effizienz und die Datenintegrität verbessert.
  • Klimawandel: Veränderungen in Niederschlagsereignissen (Starkregen, Dürren) können die Konzentrationen und Abflussmuster im Abwasser beeinflussen und erfordern möglicherweise Anpassungen der Probenahmestrategien.
  • Standardisierung: Die internationale Harmonisierung von Probenahmestandards ist wichtig, insbesondere im Kontext grenzüberschreitender Flüsse und Umweltberichte.

Fazit:

Die Probenahme von Abwasser ist weit mehr als nur das Befüllen eines Fläschchens. Sie ist ein hochsensibler Prozess, der eine präzise Einhaltung technischer Standards und rechtlicher Vorgaben erfordert. Nur durch eine fachgerechte und repräsentative Probenahme können die Ziele der Abwasserüberwachung – vom Schutz unserer Gewässer bis zur gerechten Kostenverteilung – effektiv erreicht werden. Die konsequente Anwendung relevanter DIN-Normen und Regelwerke, gepaart mit einer sorgfältigen Dokumentation und der kontinuierlichen Schulung des Personals, ist unerlässlich, um die Aussagekraft der Analysenergebnisse zu gewährleisten und ihre Verwertbarkeit im Falle rechtlicher Auseinandersetzungen zu sichern. Angesichts neuer Herausforderungen wie Mikroverunreinigungen und Klimawandel werden sich die Methoden und Technologien der Abwasserprobenahme kontinuierlich weiterentwickeln müssen.

Das dazu gehörige Fachseminar ist in der Seminarwelt des IWU Magdeburg auffindbar.