Mit Urteil vom 11.09.2019 – 7 U 4531/18 – hat das Oberlandesgericht (OLG) München die Eigentümerin eines Grundstücks und das von ihr mit der Durchführung von Bauarbeiten beauftragte Unternehmen gesamtschuldnerisch zum Ersatz der durch die Bauarbeiten entstandenen Schäden am Nachbargrundstück verurteilt. Während die Eigentümerin nach § 906 Abs. 2 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für die entstandenen Schäden haftet, ist das Bauunternehmen gemäß § 823 Abs. 1 BGB für den entstandenen Schaden verantwortlich.
Der Kläger war während der Bauarbeiten und noch zu Beginn des Rechtsstreits Eigentümer des geschädigten Hausgrundstücks. Die beklagte Eigentümerin des Nachbargrundstücks ließ ab Oktober 2014 den Baubestand auf ihrem Grundstück abreißen und einen Neubau errichten. Sie hatte das – ebenfalls beklagte – Bauunternehmen mit der Erstellung und der Sicherung der Baugrube beauftragt. Das Bauunternehmen erstellte in unmittelbarer Nähe zu dem Grundstück des Klägers eine Spundwand und entfernte diese zu einem späteren Zeitpunkt wieder. Bei der Setzung der Spundwand wurden Bohlen mit speziellen Baumaschinen in den Boden gerammt.
Der Kläger hat mit der erhobenen Klage den Ersatz von Schäden geltend gemacht, die durch das Setzen der Spundwand und / oder durch das spätere Entfernen der Bohlen aus dem Untergrund entstanden sein sollen, und außerdem die Feststellung hinsichtlich der Ersatzpflicht für weitere Schäden begehrt. Nach dem Vorbringen des Klägers sind durch die Arbeiten Erschütterungen bzw. Vibrationen hervorgerufen worden, die erhebliche Schäden an der Bebauung des klägerischen Grundstücks verursacht haben.
Die beklagte Eigentümerin des Nachbargrundstücks hatte ein Privatgutachten in Auftrag gegeben und im Rechtsstreit vorgelegt, wonach am klägerischen Gebäudebestand Vorschäden bestanden haben. Sie hat außerdem eingewandt, dass die Richtwerte der DIN für Erschütterungen eingehalten worden sind.
Nach den Feststellungen des gerichtlich beauftragten Sachverständigen haben sich die Vorschäden durch die Baumaßnahmen erheblich verschlimmert.
Das Landgericht (LG) München hat der Klage teilweise stattgegeben. Die Sache ist auf die Berufungen des Klägers und der beklagten Grundstückseigentümerin wegen der Erwägungen des LG München zur Schadenshöhe zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen worden.
Die gesamtschuldnerische Haftung der beklagten Grundstückseigentümerin und des beklagten Bauunternehmens dem Grunde nach wird durch das OLG München hingegen nicht in Zweifel gezogen.
Während sich die Haftung des beklagten Bauunternehmens unproblematisch aus § 823 Abs. 1 BGB ergibt, haftet die beklagte Grundstückseigentümerin nachbarrechtlich nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. Die durch die Bauarbeiten hervorgerufenen Erschütterungen bzw. Vibrationen waren nicht deshalb als unwesentliche und daher von dem Grundstücksnachbarn hinzunehmende Beeinträchtigungen einzuordnen (§ 906 Abs. 1 Satz 1 BGB), weil nach den Angaben der beklagten Grundstückseigentümerin die Richtwerte der DIN eingehalten worden sind. Zwar ist in einem solchen Fall gemäß § 906 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BGB in der Regel von einer unwesentlichen Beeinträchtigung auszugehen. Nach den überzeugenden Feststellungen des OLG München liegt aber jedenfalls dann ein Ausnahmefall vor und kann nicht von unwesentlichen Einwirkungen ausgegangen werden, wenn durch die Einwirkungen massive Schäden an dem Nachbargrundstück verursacht werden. Ein solcher Ausnahmefall war vorliegend gegeben.
Das OLG München hat auch den Einwand der beklagten Grundstückseigentümerin, die sich auf die vorhandenen Vorschäden berufen hatte, nicht durchgreifen lassen. Nach den treffenden Worten des OLG München gilt: Auch ein schlecht gebautes fremdes Haus darf man nicht beschädigen.
Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte
Das dazu gehörige Fachseminar ist in der Seminarwelt des IWU Magdeburg auffindbar.