Keine Mietminderung wegen Lärm und Schmutz von einer benachbarten Baustelle

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 29.04.2020 – VIII ZR 31/18 – die in der Rechtsprechung anerkannten Grundsätze hinsichtlich der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bestätigt, die für die Geltendmachung von zur Mietminderung berechtigenden Mängeln an der angemieteten Wohnung gelten, wenn sich der Mieter darauf beruft, dass er wegen erhöhter Geräusch- oder Schmutzimmissionen von einer benachbarten Baustelle zur Mietminderung berechtigt ist.

Der Beklagte ist seit 2009 Wohnungsmieter der Klägerin. In den Jahren 2013 bis 2015 wurde auf einem 40 m entfernt von der vermieteten Wohnung gelegenen Grundstück, das seit dem Jahr 1946 unbebaut war, ein Neubau errichtet.

Der Beklagte hat wegen des von der Baustelle ausgehenden Baulärms sowie wegen von der Baustelle ausgehender Schmutz- und Staubimmissionen die Miete gemindert. Die Klägerin hat die von dem Beklagten einbehaltene Miete eingeklagt. Das in der Berufungsinstanz zu Gunsten des Beklagten ergangene Urteil hat der BGH aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Berufungsinstanz zurückverwiesen.

Eine Mietsache ist mangelhaft, wenn die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch mehr als nur unerheblich gemindert ist (§ 536 Abs. 1 BGB). Nach den Feststellungen des Gerichts hatten die Mietvertragsparteien keine Beschaffenheitsvereinbarung in Bezug auf Baulärm oder sonstige von einer Baustelle ausgehenden, auf die Wohnung einwirkenden Immissionen getroffen. Nach den gerichtlichen Feststellungen war auch nicht von einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung auszugehen. Vielmehr ist im Regelfall, vorbehaltlich einer abweichenden vertraglichen Regelung, davon auszugehen, dass der Vermieter keine vertragliche Haftung für das unveränderte Fortbestehen der Geräuschverhältnisse in der Umgebung der Wohnung übernimmt, da er hierauf auch keinen Einfluss hat.

Die Darlegungs- und Beweislast für die Mangelhaftigkeit der Mietwohnung trägt der Mieter. Der BGH hält das für sachgerecht, weil die darauf bezogenen tatsächlichen Umstände im Wahrnehmungs- und Verantwortungsbereich des Mieters liegen. In dem von dem BGH entschiedenen Fall hatte der Beklagte nicht seiner Darlegungs- und Beweislast genügend vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass die Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch aufgrund der Lärm- und Schmutzimmissionen aufgehoben oder erheblich gemindert war. Das Berufungsgericht hatte nicht die erforderlichen Feststellungen zu der Mangelhaftigkeit der Mietwohnung getroffen, sondern war rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass Baumaßnahmen typischerweise mit Immissionen in Form von Lärm und Schmutz einhergehen. Davon ausgehend hatte das Berufungsgericht eine Mietminderung in Höhe von 10 % für gerechtfertigt gehalten. Den von dem Berufungsgericht angenommenen Erfahrungssatz, wonach „typische Baustellenimmissionen“ vorliegen können, gibt es nach Auffassung des BGH nicht. Ob von einem Mieter behauptete Immissionen tatsächlich gegeben sind, ist objektbezogen anhand des konkreten Einzelfalls zu beurteilen.

Der BGH hat mit der vorliegenden Entscheidung an der Rechtsprechung festgehalten, wonach nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen in der Regel keinen Mangel der Mietwohnung darstellen, wenn auch der Vermieter sie ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeiten als Grundstücksnachbar hinnehmen muss (§ 906 BGB). Insoweit nimmt der Mieter an der jeweiligen Situationsgebundenheit des Grundstücks teil. Aufgrund der von dem BGH angenommenen Aufteilung der Darlegungs- und Beweislast nach Verantwortungsbereichen (s.o.) muss der Mieter darlegen und beweisen, dass die Immissionen die für einen Abwehr- oder Entschädigungsanspruch des Vermieters erforderliche Schwelle überschreiten. Hat der Mieter seiner Darlegungs- und Beweislast genügend zur Mangelhaftigkeit der Mietwohnung vorgetragen, muss der Vermieter darlegen und beweisen, dass er keine Abwehr- oder Entschädigungsansprüche geltend machen kann. Die von dem Berufungsgericht vertretene Auffassung, wonach dem Mieter nicht das Risiko der Wohnwertverschlechterung auferlegt werden dürfe, hat der BGH abgelehnt.

 

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte