Keine Genehmigung – kein Bestandsschutz?

In letzter Zeit häufen sich Fälle, in denen die zuständigen Behörden den Betrieb von Anlagen zum Teil über Jahrzehnte nicht beanstandet haben, sich dann aber aufgrund von neuen Zuständigkeiten oder aufgrund von Nachbarklagen die Frage stellen, ob die Stilllegung der Anlage angeordnet werden muss, weil keine ausreichende Genehmigungslage vorhanden ist. Die Anlagenbetreiber sind in diesen Situationen oft der Meinung, aufgrund der Duldung durch die Behörde Bestandsschutz zu genießen. Dabei wird jedoch regelmäßig verkannt, dass ein solcher Bestandsschutz tatsächlich nicht besteht und es allein Sache des Anlagenbetreibers ist, den Beweis zu führen, dass sämtliche Genehmigungen vorliegen.

Ausgangssituation

Klassische Anlagen, bei denen über die Grenzen des Bestandschutzes bei unklaren Genehmigungssituationen gestritten wird, sind etwa Schrottplätze und Schrottscheren, die oberhalb bestimmter Leistungsgrenzen erst seit dem 03.08.2001 einer Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz bedürfen. Zuvor genügte es zumeist, solche Anlagen auf der Grundlage einer Baugenehmigung zu betreiben. Nach dem 03.08.2001 hatten die Betreiber solcher Anlagen die Möglichkeit, diese nach § 67 Abs. 2 BImSchG anzuzeigen. Die Anzeige ersetzt jedoch keine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz. Sie dient lediglich dazu, einen vorhandenen genehmigten Bestand in das Immissionsschutzrecht zu überführen. Insoweit hat die Anzeige lediglich deklaratorischen Charakter. Stellt sich im Nachgang zu einer solchen Anzeige heraus, dass die etwa erforderlichen Baugenehmigungen nicht vorliegen oder nicht auffindbar sind, sind die Anlagenbetreiber oftmals der Auffassung, dass die Jahrzehnte lange unbehelligte, zum Teil von den Behörden sogar aktiv geduldete Nutzung der Anlage Bestandsschutz vermittele und jedenfalls eine Stilllegungsanordnung unmöglich mache. Ähnliche Situationen treten ein, wenn etwa Nachbarn, mit denen der Betreiber eines Schrottplatzes über Jahrzehnte in Frieden gelebt hat, die Nutzung ihrer Standorte ändern wollen (Beispiel: Bürogebäude statt Galvanik) und die Genehmigungslage von Schrottplätzen und ähnlichen Anlagen gerichtlich hinterfragen lassen.

Rechtliche Würdigung

Zunächst ist festzuhalten, dass die Behörde ihr Recht, eine Stilllegungsanordnung zu erlassen nicht verwirkt hat, auch wenn sie Jahre oder Jahrzehnte lang die Errichtung und den Betrieb der entsprechenden Anlage nicht beanstandet hat. Es gilt vielmehr der Grundsatz, dass das Vertrauen, ein rechtswidriger Zustand werde aufgrund langjähriger Duldung weiter hingenommen, rechtlich nicht geschützt ist. Die Behörde hat sich also durch die Duldung nicht gebunden oder in ihren Eingriffsrechten beschränkt. Demnach bleibt nur die Möglichkeit, der Behörde oder dem Gericht nachzuweisen, dass eine ausreichende Genehmigungssituation gegeben ist, aus der Bestandsschutz abgeleitet werden kann.

Insbesondere bei historisch gewachsenen Standorten stellt sich dann aber oftmals heraus, dass weder der Anlagenbetreiber noch die Behörde über entsprechende Genehmigungsunterlagen verfügen. Die Gründe dafür sind durchaus verschieden. Es sind Fälle zu verzeichnen, in denen Unterlagen durch häufigen Betreiberwechsel verloren gegangen sind. Andererseits gehen oftmals Bauakten durch mehrmalige Umzüge von Archiven, Brände, Wasserschäden oder Aktenvernichtung verloren. In allen Fällen gilt jedoch der Grundsatz, dass der Anlagenbetreiber, der das Vorliegen einer genehmigten bzw. genehmigungsfreien Altanlage behauptet, insoweit die Darlegungslast und die materielle Beweislast trägt; die Nichterweislichkeit geht ausschließlich zu seinen Lasten. In ständiger Rechtsprechung wird davon ausgegangen, dass es dem jeweiligen Anlagenbetreiber zuzumuten ist, die diesbezüglich zu seinen Gunsten wirkenden Umstände darzulegen und nachzuweisen. Dies gilt ausdrücklich auch für den Fall, dass der Verlust von Genehmigungsunterlagen oder Akten eindeutig in die Sphäre der Behörde fällt.

Handlungsempfehlung

Um in den vorgenannten Fällen ein Verwaltungshandeln in der Form einer Stilllegungsanordnung oder Nutzungsuntersagung zu vermeiden, kann mit der zuständigen Behörde etwa vereinbart werden, dass der Anlagenbetreiber einen gewissen Zeitraum zur Verfügung gestellt bekommt, um die Genehmigungslage zu ertüchtigen. In einem von dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall (22 B 06.3036) wurde dem Betreiber einer Anlage mehr als drei Jahre nach der erstinstanzlichen Entscheidung Zeit gegeben, um die erforderliche Genehmigungslage herzustellen.

Aufgrund der Duldung durch die zuständigen Behörden und aufgrund weiterer Umstände war das Gericht der Auffassung, es liege ein sog. atypischer Fall im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG vor, so dass die Stilllegung erst in Betracht kommt, wenn es dem Anlagenbetreiber nicht gelingt, innerhalb eines bestimmten Zeitraums die erforderliche Genehmigung beizubringen. Das im Baurecht bekannte Institut des „Beordnungs- und Vergleichsvertrags“ kann für eine entsprechende Vereinbarung zwischen Anlagenbetreiber und Behörde Vorbild sein.

Der sog. „Beordnungs- und Vergleichsvertrag“ ist ein öffentlich- rechtlicher Vertrag, in dem der potenzielle Adressat der Ordnungsverfügung verspricht, sich innerhalb eines bestimmten Zeitraums, um eine ausreichende Genehmigung zu bemühen oder die beanstandete Nutzung nur noch über einen gewissen Zeitraum vorzunehmen; andererseits jedoch die Behörde rechtsverbindlich zusagt, innerhalb dieser Zeiträume nicht einzuschreiten. Jedenfalls ist der Abschluss einer solchen Vereinbarung der Durchführung eines Rechtsstreits stets vorzuziehen.

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte