Einstufung von Spiegeleinträgen – Schlussanträge des Generalanwalts in den Rechtssachen C-487/17 – C-489/17

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) muss sich – soweit ersichtlich zum ersten Mal – anlässlich eines Vorabentscheidungsersuchens mit der Frage der Einstufung sogenannter Spiegeleinträge im Europäischen Abfallverzeichnis (EAV – Entscheidung 2000/532, geändert durch Beschluss 2014/955/EU) als gefährlich oder nicht gefährlich im Sinne von Anhang III der Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG (geändert durch die VO Nr. 1357/2014) befassen. Den Schlussanträgen des Generalanwalts in den Rechtssachen C-487/17 – C-489/17 vom 15.11.2018 lassen sich dabei wertvolle Hinweise auch für die Handhabung der – praxisrelevanten – Frage der Einstufung von Spiegeleinträgen nach der deutschen Abfallverzeichnisverordnung (AVV) entnehmen.

Hintergrund des Vorabentscheidungsersuchens des italienischen Obersten Kassationsgerichtshofs sind diverse Strafverfahren gegen italienische Staatsbürger/Unternehmen wegen der illegalen Deponierung von Abfällen.

Einzustufen waren u.a. Abfälle aus der mechanischen Behandlung von Siedlungsabfällen; insoweit stellte sich die Frage der korrekten Zuordnung zu den Abfallschlüsselnummern 19 12 11* („sonstige Abfälle (einschließlich Materialmischungen) aus der mechanischen Behandlung von Abfällen, die gefährliche Stoffe enthalten“) bzw. 19 12 12 („sonstige Abfälle (einschließlich Materialmischungen) aus der mechanischen Behandlung von Abfällen mit Ausnahme derjenigen, die unter 19 12 11 fallen“). Zur Einstufung von Spiegeleinträgen vertreten italienische Behörden teilweise die Auffassung, dass bei Zweifeln über das Vorhandensein gefährlicher Stoffe oder bei Unmöglichkeit einer diesbezüglichen zuverlässigen Feststellung der Abfall aufgrund des Vorsorgeprinzips bis zum Beweis des Gegenteils als gefährlich einzustufen sei.

Dies veranlasste den italienischen Obersten Kassationsgerichtshof, dem EuGH diverse Fragen zur Handhabung der Einstufungsregelungen des EAV und des Anhangs III der Abfallrahmenrichtlinie vorzulegen.

Die Kernaussagen in den Schlussanträgen des Generalanwalts lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Das EU-Recht verlangt, dass der Erzeuger/Besitzer bei Spiegeleinträgen eine angemessene Ermittlung der Zusammensetzung der Abfälle durchführt und anschließend die potentielle Gefährlichkeit der ermittelten Stoffe überprüft, um anhand ihrer Konzentration zu bestimmen, ob sie die Kriterien nach Anhang III der Abfallrahmenrichtlinie oder Anhang IV der VO Nr. 850/2004 (sogenannte POP-Verordnung) erfüllen (Erw. 60).

Etwaige Analysen müssen anhand von wirksamen und repräsentativen Stichproben durchgeführt werden (Erw. 69). Angesichts der insoweit vagen EU-rechtlichen Vorgaben wenig präzise sind – erwartungsgemäß – die Aussagen des Generalanwalts zu den zulässigen Analyse- und Prüfmethoden: Neben der VO (EG) Nr. 440/2008 nennt der Generalanwalt CEN-Normen, ferner international anerkannte Prüfmethoden und Leitlinien, aber auch nationale Normen (Erw. 64 – 68).

Nicht erforderlich ist dagegen nach Auffassung des Generalanwalts eine erschöpfende Untersuchung der Zusammensetzung des Abfalls sowie sämtlicher potentieller gefährlicher Stoffe und ihrer Konzentrationen. Insoweit seien die Grenzen der technischen Durchführbarkeit und der wirtschaftlichen Vertretbarkeit zu beachten (Erw. 60, 79 f.). Diese Aussage des Generalanwalts ist zu begrüßen, zieht sie doch den gelegentlich auch im deutschen Vollzug zu beobachtenden überzogenen Anforderungen an den Umfang der Untersuchung Grenzen.

Bei bloßen Zweifeln/Vermutungen hinsichtlich der Gefährlichkeit eines Spiegeleintrags gebietet das in Art. 191 Abs. 2 AEUV und damit im europäischen Primärrecht niedergelegte Vorsorgeprinzip nach Auffassung des Generalanwalts nicht die Einstufung als gefährlich (Erw. 78).

Es bleibt abzuwarten, wie sich der EuGH zu den aufgeworfenen Rechtsfragen positionieren wird. Wir werden berichten.

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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