Die neue Kunststoffprodukte-Richtlinie führt Aufgaben des Kreislaufwirtschaftsrechts und des umweltbezogenen Produktrechts zusammen – zwei Rechtsbereiche, für die ganz maßgeblich unsere Sozietät steht. Die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht wird ein spannender Prozess, den wir gerne mit Ihnen begleiten.
I. Rechtliche Einordnung
Im Kern zielt die Kunststoffprodukte-Richtlinie auf die Vermeidung bestimmter Abfälle und dient damit der Umsetzung der ersten Stufe der sog. Abfallhierarchie nach Art. 4 Abs. 1 Abfallrahmen-Richtlinie 2008/98/EG. Die Kunststoffprodukte-Richtlinie versteht sich selbst als abfallrechtliche Spezialregelung zur Abfallrahmen-Richtlinie 2008/98/EG und zur Verpackungsrichtlinie 94/62/EG (Erwägungsgrund 10 Kunststoffprodukte-Richtlinie). Sie ist der abfallrechtlichen Produktverantwortung bzw. der „erweiterten Herstellerverantwortung“ (Art. 8 Abfallrahmen-Richtlinie 2008/98/EG) zuzuordnen. Das nimmt den Hersteller als „Inverkehrbringer“ in die Pflicht, wie dies z.B. auch für Verpackungen mit ihren produktspezifischen Regelungen nach der Verpackungsrichtlinie 94/62/EG bereits der Fall ist.
II. Geltungsbereich
− Getränkebecher, einschließlich ihrer Verschlüsse und Deckel;
− Lebensmittelverpackungen, d.h. Behältnisse wie Boxen (mit oder ohne Deckel) für Lebensmittel, die:
• dazu bestimmt sind, unmittelbar vor Ort verzehrt oder als Take-Away-Gericht mitgenommen zu werden;
• in der Regel aus der Verpackung heraus verzehrt werden; und
• ohne weitere Zubereitung verzehrt werden können, einschließlich Lebensmittelverpackungen für Fast Food oder andere Speisen zum unmittelbaren Verzehr, ausgenommen Getränkebehälter, Teller sowie Tüten und Folienverpackungen (Wrappers) mit Lebensmittelinhalt;
− aus flexiblem Material hergestellte Tüten und Folienverpackungen (Wrappers) mit Lebensmittelinhalt, der dazu bestimmt ist, unmittelbar aus der Tüte oder der Folienpackung heraus verzehrt zu werden, und der keiner weiteren Zubereitung bedarf;
− Getränkebehälter aus expandiertem Polystyrol einschließlich ihrer Verschlüsse und Deckel und Getränkeflaschen.
III. Wesentliche Inhalte
Im Wesentlichen enthält die Kunststoffprodukte-Richtlinie Verbrauchsminderungsvorgaben, Verbote für das Inverkehrbringen von bestimmten Plastikartikeln und Anforderungen an die Verkehrsfähigkeit weiterer Einwegkunststoffartikel und deren Kennzeichnungspflichten. Des Weiteren macht sie Vorgaben für eine erweiterte Herstellerverantwortung im abfallrechtlichen Sinne, die von den EU-Mitgliedstaaten umzusetzen sind. Im Einzelnen:
1. Vorgaben zur Verbrauchsminderung
Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Kunststoffprodukte-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, alle Maßnahmen vorzunehmen, die erforderlich sind, um bis 2026 gegenüber dem Vergleichsjahr 2022 eine „messbare quantitative Verminderung des Verbrauchs“ der in Teil A des Anhangs aufgeführten Einwegkunststoffartikel herbeizuführen. Das betrifft Trinkbecher (einschließlich ihrer Verschlüsse und Deckel) sowie Lebensmittelverpackungen. Den Mitgliedstaaten wird zur Umsetzung ein Gestaltungsspielraum eingeräumt. Maßnahmen zur Verminderung des Verbrauchs können bspw. darin bestehen, dass dem Endverbraucher an der Verkaufsstelle wiederverwendbare Alternativen zu diesen Artikeln angeboten werden, oder die Einführung von Wirtschaftsinstrumenten wie etwa die Sicherstellung, dass Einwegkunststoffartikel an der Verkaufsstelle nicht kostenlos an den Endverbraucher abgegeben werden (Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 Kunststoffprodukte-Richtlinie).
Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Kunststoffprodukte-Richtlinie muss die EU-Kommission bis Anfang 2021 einen Durchführungsrechtsakt zur Festlegung der Methode für die Berechnung und Überprüfung der ehrgeizigen und dauerhaften Verminderung des Verbrauchs an Einwegkunststoffartikeln erlassen.
2. Generelle Verbote für den Marktzugang
Art. 5 Kunststoffprodukte-Richtlinie bestimmt ein Verbot für das Inverkehrbringen der zehn am häufigsten an europäischen Stränden zu findenden Wegwerfprodukte aus Einwegkunststoffen. Dazu zählen Wattestäbchen, Besteck, Trinkhalme, Rührstäbchen, Luftballonstäbe, Produkte aus oxo-abbaubaren Kunststoffen oder Lebensmittelverpackungen und Getränkebehälter aus expandiertem Polystyrol (vgl. Teil B des Richtlinien-Anhangs).
3. Anforderungen an die Verkehrsfähigkeit weiterer Einwegkunststoffartikel
Art. 6 Abs. 1 Kunststoffprodukte-Richtlinie verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, dafür Sorge zu tragen, dass Einwegkunststoffartikel, die in Teil C des Anhangs der Richtlinie aufgeführt sind und deren Verschlüsse und Deckel aus Kunststoff bestehen, grundsätzlich nur in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn diese Verschlüsse und Deckel während der für das Produkt vorgesehenen Verwendungsdauer an den Behältern befestigt bleiben. Diese Regelung dient dazu, das Abfallaufkommen zu senken und betrifft Getränkebehälter mit einem Fassungsvermögen von bis zu 3 Litern und Verbundgetränkeverpackungen. Ausgenommen sind Getränkebehälter aus Glas oder Metall oder solche für flüssige Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke.
Nach Art. 6 Abs. 5 Kunststoffprodukte-Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Getränkeflaschen aus Polyethylenterephtalat (PET) ab dem Jahr 2025 mindestens zu 25 % aus recyceltem Material bestehen; ab 2030 muss sich dieser Anteil auf mindestens 30 % erhöhen.
4. Kennzeichnungspflichten
5. Erweiterte Herstellerverantwortung
Die Abfallrahmen-Richtlinie 2008/98/EG sieht die erweiterte Herstellerverantwortung als wesentliches Element einer effektiven Abfallbewirtschaftung und stellt hierfür Vorgaben in ihren Art. 8 und Art. 8a auf. In ihrer Kunststoffstrategie vom 16.01.2018 machte die EU-Kommission klar, was das für den Bereich der Kunststoffabfälle bedeutet: „Gut konzipierte Systeme der erweiterten Herstellerverantwortung können entscheidend zur Bereitstellung der erforderlichen Mittel beitragen“ (a.a.O., Seite 18). Die EU-Kommission sieht in der erweiterten Herstellerverantwortung auch – und durchaus prioritär – eine Finanzierungsquelle, etwa für Trenn- und Sammelsysteme (a.a.O., ebenda). Zusätzlich zu ihrer Funktion als Finanzierungsquelle können Systeme der erweiterten Herstellerverantwortung den Unternehmen wirtschaftliche Anreize zur Entwicklung nachhaltigerer Kunststoffprodukte bieten. Die Kunststoffprodukte-Richtlinie setzt die EU-Kunststoffstrategie nun für den Bereich von bestimmten Kunststoffprodukten um.
So müssen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 8 Abs. 1 Kunststoffprodukte-Richtlinie dafür sorgen, dass für alle in Anhang E genannten Einwegkunststoffartikel jeweils ein Regime der erweiterten Herstellerverantwortung nach Art. 8 und Art. 8a Abfallrahmen-Richtlinie eingeführt wird. Mit Art. 8 Abs. 2 der Kunststoffprodukte-Richtlinie wird die erweiterte Hersteller-Verantwortung für die in Anhang E genannten Einwegkunststoffprodukte in finanzieller Hinsicht verbindlich gemacht, indem die Hersteller an den Kosten von Sensibilisierungsmaßnahmen nach Art. 10 Kunststoffprodukte-Richtlinie (Verbraucherinformationen, Anreize für ein verantwortungsvolles Verbraucherverhalten) sowie an den Kosten für die öffentliche Sammlung und die anschließende Beförderung und Behandlung von Abfällen ihrer Produkte (Art. 8 Abs. 2 und Abs. 3 Kunststoffprodukte-Richtlinie) beteiligt werden. Das betrifft vor allem Lebensmittelverpackungen, Tüten und Folienverpackungen, Getränkebehälter, Getränkebecher, leichte Kunststofftragetaschen, Feuchttücher und Luftballons. Hinsichtlich des konkreten Kostenumfangs, der von den Herstellern zu tragen ist, wird in Anhang Teil E Abschnitt I und Abschnitt II zwischen verschiedenen Produkten differenziert.
6. Getrennte Sammlung
IV. Inkrafttreten, Umsetzungsfristen
Die Kunststoffprodukte-Richtlinie ist am 02.07.2019 in Kraft getreten (Art. 18). Die EU-Mitgliedstaaten müssen gemäß Art. 17 Abs. 1 Kunststoffprodukte-Richtlinie die zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht erforderlichen Rechtsvorschriften bis zum 03.07.2021 in Kraft setzen. Die Maßnahmen zur Realisierung der Inverkehrbringungsbeschränkungen für bestimmte Einwegkunststoffprodukte nach Art. 5 Kunststoffprodukte-Richtlinie und die neuen Kennzeichnungsvorschriften nach Art. 7 Abs. 1 Kunststoffprodukte-Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten ab diesem Termin anwenden.
Erst ab dem 03.07.2024 gilt die Anforderung nach Art. 6 Abs. 1 der Kunststoffprodukte-Richtlinie, dass Verschlüsse von Getränkeflaschen und ähnlichen Behältern während der Gebrauchsdauer fest mit diesen verbunden bleiben müssen. Die Vorgaben zur erweiterten Herstellerverantwortung nach Art. 8 der Kunststoffprodukte-Richtlinie sind von den Mitgliedstaaten grundsätzlich erst ab dem 31.12.2024 anzuwenden.
Quelle: KOPP-ASSENMACHER & NUSSER
Das dazu gehörige Fachseminar ist in der Seminarwelt des IWU Magdeburg auffindbar.