Unfälle, bei denen wassergefährdende Stoffe freigesetzt werden, stellen die größte akute Bedrohung für Gewässer und das Grundwasser dar. Die rechtlichen und technischen Anforderungen an Anlagenbetreiber sind in den letzten Jahren signifikant verschärft worden. Unter wasserrechtlicher Führung des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) hat insbesondere die Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) die Standards neu definiert und den Fokus von der reinen Schadensabwehr hin zur konsequenten Vorsorge verschoben.
Dieser Fachbeitrag beleuchtet die aktuellen Entwicklungen aus der Sicht der Anlagensicherheit und der wasserrechtlichen Pflichten.
1. Wasserrechtliche Fundamente und der Paradigmenwechsel der AwSV
Das Herzstück des anlagenbezogenen Gewässerschutzes bildet § 62 WHG, der das allgemeine Erfordernis der Eignungsfeststellung und die Pflicht zur bestmöglichen Sicherheit gegen das Austreten wassergefährdender Stoffe festschreibt.
Die 2017 in Kraft getretene AwSV harmonisierte ehemals 16 verschiedene Länderverordnungen und brachte einen massiven Schub an Aktualität und Präzision. Wesentliche Neuerungen aus wasserrechtlicher Sicht sind:
- Harmonisierte Gefährdungsklassifikation (WGK): Die AwSV führte eine bundesweit einheitliche dreistufige Klassifikation der Wassergefährdungsklassen (WGK 1 bis 3) ein, die nun auch Stoffgemische und neue Substanzen wie Biogas-Substrate systematisch erfasst.
- Verschärfte Betreiberpflichten: Die Pflichten zur Jährlichen Visuellen Kontrolle (JVK) wurden präziser gefasst. Vor allem aber wurde der Umfang und die Frequenz der Sachverständigenprüfungen bei Anlagen höherer Gefährdungsstufen (A und B) ausgeweitet, wodurch die externe Überwachung und die Nachweispflichten der Betreiber gestärkt wurden.
- Einheitliches Rückhaltekonzept: Die Verordnung konkretisiert die Anforderungen an die Rückhalteeinrichtungen, wobei die Dimensionierung nicht mehr nur den größten Behälter, sondern auch externe Faktoren wie Löschwasser berücksichtigen muss.
2. Technische Innovationen für erhöhte Anlagensicherheit
Die verschärften wasserrechtlichen Anforderungen können nur durch den Einsatz moderner technischer Lösungen erfüllt werden. Die aktuelle Entwicklung bewegt sich weg von der reaktiven Schadensbegrenzung hin zur präventiven, digitalen Überwachung.
Digitale Überwachung und Leckagedetektion
Die Digitalisierung ist ein Game-Changer in der Anlagensicherheit. Neu sind:
- Smarte Sensorik: Moderne Anlagen nutzen digitale Füllstands- und Differenzdrucksensoren, die Leckagen nicht nur feststellen, sondern deren Ursprungsort präzise lokalisieren können. Die Echtzeitübermittlung von Daten ermöglicht ein sofortiges Eingreifen und die Fernabschaltung von Pumpen.
- Predictive Maintenance: Durch die Analyse von Prozess- und Sensordaten können Abweichungen, die auf Materialermüdung oder Korrosion hindeuten, frühzeitig erkannt werden, bevor es überhaupt zu einem Schaden kommt.
Klimaresiliente Rückhalteeinrichtungen
Ein weiterer technischer Fokus liegt auf der Klimaresilienz. Die Anforderungen an Rückhalteeinrichtungen (z.B. Auffangwannen, Dichtflächen) müssen heute das Risiko von Starkregenereignissen und Hochwasser integrieren. Das bedeutet, dass die Retention nicht nur gegen das Austreten des Stoffs selbst, sondern auch gegen das Eindringen von Fremdwasser (Regen, Hochwasser) gesichert sein muss. Die Bemessung der Auffangvolumina muss zudem sicherstellen, dass im Brandfall auch das gesamte Löschwasser sicher zurückgehalten werden kann, bevor es zu einer Überlastung des Systems kommt.
3. Aktuelle Herausforderungen im Schadensfall
Im Falle eines Unfalls führen neue Stoffe und die Komplexität der Unfallszenarien zu besonderen Herausforderungen für Betreiber und Einsatzkräfte.
Umgang mit neuen Schadstoffen (PFAS)
Die zunehmende Verbreitung von Per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) in Industrie und Produkten stellt die Notfallplanung vor immense Probleme. Aufgrund ihrer extremen Persistenz („Ewigkeitschemikalien“) und Mobilität erfordert eine Freisetzung von PFAS-haltigen Stoffen spezielle und sofortige Sofortmaßnahmen, da konventionelle Bodensanierungstechniken oft nicht ausreichend sind. Im Schadensfall müssen Einsatzkräfte spezielle Adsorptionsmaterialien und Protokolle verwenden, die auf diese neuen, schwer abbaubaren Stoffe abgestimmt sind.
Strategien für mobile Unfallquellen
Das WHG gilt nicht nur für stationäre Anlagen, sondern auch für den Transport wassergefährdender Stoffe. Bei Verkehrsunfällen sind mobile und flexible Rückhaltesysteme gefragt. Technische Neuentwicklungen in Form von leicht transportierbaren, chemikalienresistenten Auffangblasen und die enge digitale Vernetzung zwischen Transportunternehmen und Feuerwehren sind entscheidend, um die Reaktionszeit zu verkürzen und eine Kontamination des Bodens und der Gewässer wirksam zu verhindern.
Fazit
Der Schutz unserer Gewässer vor Unfällen mit wassergefährdenden Stoffen erfordert eine ständige Anpassung von Recht und Technik. Die AwSV hat das wasserrechtliche Fundament gestärkt und eine klare, bundesweite Basis für die Vorsorgepflicht geschaffen. Technologisch gesehen liegt die Zukunft in der Digitalisierung der Überwachung und in der Resilienz gegenüber Klimaextremen. Die aktuellen Herausforderungen, insbesondere durch PFAS und die gestiegenen Anforderungen an die Rückhaltung von Löschwasser, zeigen jedoch, dass der Gewässerschutz eine dynamische Daueraufgabe bleibt, die von Anlagenbetreibern ein Höchstmaß an Compliance und Investitionsbereitschaft verlangt.
