Altlastenfälle auf grundstücksbezogenen Abfallbeseitigungsanordnungen

VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 24.01.2018 – 5 K 8/16

Das Urteil betrifft die Frage, ob und inwieweit eine Behörde wegen einer abfallrechtswidrigen Lagerung von Abfällen gegen den Grundstückseigentümer als Zustandsverantwortlichen vorgehen kann.

Der Klägerin war von der beklagten Behörde mittels Ordnungsverfügung die Beräumung und Entsorgung von Abfällen aufgegeben worden, die sich auf einem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück befanden. Die Klägerin hatte das Grundstück zuvor einem Dritten verpachtet, der dort unter anderem eine Anlage zum Sortieren von Baustellenabfällen betrieb und laufend Abfälle annahm. Nach der Insolvenz des Dritten verblieben Abfälle auf dem Grundstück der Klägerin. Gegen die Beräumungs- und Entsorgungsverfügung wehrte sich die Klägerin maßgeblich mit dem Argument, dass die Grenze der Zumutbarkeit überschritten sei, da die Beräumungs- und Entsorgungskosten die Höhe des Verkehrswertes des Grundstücks überstiegen.

Das Verwaltungsgericht führt in seinem Urteil aus, dass Abfallbesitzer verpflichtet seien, Abfälle zu entsorgen, d.h. zu verwerten bzw. zu beseitigen. Diese Pflicht könne die zuständige Behörde durch eine Anordnung zwangsweise durchsetzen. Dabei stünde die streitgegenständliche Beräumungs- und Entsorgungsanordnung im Ermessen der beklagten Behörde – dieses Ermessen beziehe sich ausdrücklich auch auf die Auswahl des Pflichtigen. Bei der Entscheidung, gegen welchen Pflichtigen vorgegangen würde (hier also entweder der Dritte als Verhaltensverantwortlicher oder die Klägerin als Zustandsverantwortliche), könne sich die Behörde maßgeblich von Effektivitätserwägungen leiten lassen. Deshalb sei es vorliegend nicht fehlerhaft, von einer Inanspruchnahme des Dritten abzusehen, da durch dessen Insolvenz davon ausgegangen werden könne, dass ihm eine Beräumung finanziell nicht möglich gewesen sei.

Darüber hinaus folgt das Gericht nicht der Argumentation der Klägerin, wonach die aus dem Bodenschutz- und Altlastenrecht bekannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerfG, Urteil vom 16.02.2000, – 1 BvR 242/91 u. 1 BvR 315/99 -) zur „Opferposition“ Anwendung finden könne. In dem benannten Urteil hatte das BVerfG entschieden, dass die Zustandsverantwortlichkeit eines Grundstückseigentümers in bestimmten Fällen begrenzt sein könne, wobei insbesondere das Verhältnis zwischen dem finanziellen Aufwand beispielsweise einer Sanierung und dem Verkehrswert des Grundstücks von Entscheidung sei. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts könne sich die Klägerin indes nicht auf eine solche Opferposition berufen, da sie das Grundstück in Kenntnis der geplanten Nutzung an den Dritten verpachtet und somit das Risiko der entstandenen Gefahr bewusst in Kauf genommen habe. Denn die Klägerin hätte bei Verpachtung gewusst, dass der Dritte das Grundstück auch für die Lagerung von Abfällen nutzen wolle. Darüber hinaus sei die Rechtsprechung des BVerfG im Bodenschutzrecht aufgrund des unterschiedlichen Charakters von Bodenschutz- und Abfallrecht nicht unmittelbar heranzuziehen. Im Ergebnis sah das VG Frankfurt (Oder) die Heranziehung der Klägerin als rechtmäßig an.

Anmerkung: Die Entscheidung verdeutlicht, wie weitgehend die Pflichten eines Grundstückseigentümers als Abfallbesitzer sein können. Da die Verpachtung von Flächen zur Lagerung von Abfällen weit verbreitet ist, hat dies erhebliche praktische Relevanz. Hier ist in der Praxis unter anderem auch ein verstärktes Augenmerk auf die vertraglichen Gestaltungen zwischen Verpächter und Pächter zu legen. Zudem zeigt die Entscheidung auf, dass eine Begrenzung der Verantwortlichkeit und damit der finanziellen Lasten (z.B. auf den Verkehrswert des Grundstücks) nicht zwangsläufig ist. Interessant erscheint insbesondere, dass das Verwaltungsgericht die im Bodenschutzrecht entwickelten Grundsätze des BVerfG in abfallrechtlichen Bezügen per se für nicht anwendbar erachtet. Damit stellt es sich beispielsweise ausdrücklich gegen die Rechtsprechung des OVG Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 12.06.2013, – 2 M 28/13 -). Es bleibt abzuwarten wie sich die Rechtsprechung dahingehend weiterentwickelt.

Quelle: KOPP-ASSENMACHER & NUSSER

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