Mit Urteil vom 27.03.2019 (12 U 66117) hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm der Klage eines Erdbauers stattgegeben, der einen Mehrvergütungsanspruch für die Separierung und Entsorgung von Müll aus Aushub geltend gemacht hatte, ohne vor der Ausführung der Arbeiten Mehrkosten angekündigt zu haben.
Der Sachverhalt
Der Kläger war als Auftragnehmer von einem Erschließungsträger im Rahmen eines VOB-Vertrages u.a. mit dem Abtragen eines Erdwalls und der Verwertung des abgetragenen Materials beauftragt worden. Nach dem zugrundeliegenden Leistungsverzeichnis sollte der Wall allein aus Boden und Fels bestehen.
Im Rahmen der Ausführung der Arbeiten wurde von dem Kläger in nicht unerheblichem Maße Müll in dem Erdwall gefunden, der vom Kläger separiert und gesondert entsorgt wurde. Die Kosten hierfür machte der Kläger im Rahmen eines Mehrvergütungsanspruchs geltend.
Der Besteller lehnte die geforderte Vergütung unter anderem unter Berufung darauf ab, dass der Auftragnehmer den Mehraufwand nicht gemäß § 2 Abs. 6 VOB/B vor Ausführung der Arbeiten (Separieren und Entsorgen) angekündigt habe.
Die Entscheidung
Dieser Argumentation folgte das OLG Hamm nicht. Der geltend gemachte Mehrvergütungsanspruch sei vielmehr berechtigt, ohne dass der Kläger vor Ausführung den Mehraufwand habe ankündigen müssen, da es sich bei den Arbeiten nicht um zusätzliche Leistungen im Sinne des § 2 Abs. 6 V0B/B handele, sondern der Anspruch sich aus § 2 Abs. 5 V0B/B (geänderte Leistung) ergebe.
Die Abgrenzung der Leistungsänderung im Sinne von § 2 Abs. 5 V0B/B von der Zusatzleistung im Sinne von § 2 Abs. 6 V0B/B 2009 kann im Einzelfall große Schwierigkeiten bereiten, weil sich die Anwendungsbereiche beider Vorschriften aufgrund ihrer sprachlichen Fassung nicht sauber trennen lassen. Im Falle des § 2 Abs. 6 V0B/B wird – im Gegensatz zu § 2 Abs. 5 V0B/B, der jede Leistung erfasst, die anstatt der vertraglich vorgesehenen Leistung er bracht wird – die im Vertrag vorgesehene Leistung als solche nicht geändert, sondern um eine im Vertrag nicht vorgesehene zusätzliche Leistung erweitert. Zwar werden die Vergütungsansprüche im Fall einer geänderten Leistung gemäß § 2 Abs. 5 V0B/B oder einer zusätzlichen Leistung gemäß § 2 Abs. 6 V0B/B im Ergebnis gleich ermittelt. Die Differenzierung ist jedoch immer dann erforderlich, wenn es auf die Frage ankommt, ob – wie bei einer zusätzlichen Leistung gemäß § 2 Abs. 6 V0B/B gefordert – der Auftragnehmer vor Ausführung der Leistung die Mehrkosten angezeigt hat.
Nach Ansicht des 0LG Hamm ergab sich im konkreten Fall, dass das Separieren und Entsorgen des im Erdwall enthaltenen Mülls eine Änderung der vorgesehenen Leistung „Abtragung des Erdwalls und Verwertung des Materials“ war, da das Leistungsverzeichnisses zwar den Erfolg, das Abtragen des Erdwalls, vollständig, das Material dagegen nur unzutreffend beschreiben hat, indem als Material lediglich Boden und Fels, nicht aber Müll ausgewiesen wurde.
Da sich der Anspruch aus § 2 Abs. 5 V0B/B ergab, war daher von einer Entbehrlichkeit der gemäß § 2 Abs. 6 V0B/B erforderlichen vorherigen Ankündigung auszugehen.
Rechtliche Würdigung
Die Entscheidung deckt sich zunächst einmal mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) aus 2011. Demnach ist der Auftraggeber grundsätzlich verpflichtet, ihm mögliche und zumutbare Angaben zur Kontamination eines zum Aushub und zur Weiterverwendung vorgesehenen Bodens zu machen. Enthält der Vertrag keine Angaben zu möglichen Verunreinigungen, kann dies die Auslegung des Vertrags dahin rechtfertigen, dass eine Bodenkontamination nicht vorliege (BGH, Urteil vom 22.12.2011, VII ZR 67/11).
Auch wenn die im entschiedenen Fall vorgenommene Abgrenzung zusätzlicher oder geänderten Leistungen gemäß § 2 V0B/B plausibel ist, verbleibt beim Unterlassen der erforderlichen Mehrkostenankündigung ein erhebliches Risiko auf Seiten der ausführenden Unternehmen. Daher sollte bei Abweichungen vom Vertrag grundsätzlich stets eine vorsorgliche Mehrkostenankündigung erfolgen.
Die in der Sache beim BGH eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde mit Beschluss (VII ZR 78/19) vom 08.04.2021 zurückgewiesen.
Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte
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