Zum Optimierungsgebot bei Gemengelagen im Rahmen der Bauleitplanung

Die auf Grund der Entwicklung der Siedlungsstruktur bestehenden Ge­mengelagen werfen bei Änderungen der planungsrechtlichen Grundlagen in Gemeinden immer wieder die Frage auf, in wieweit die vorhandenen Strukturen nach städtebaulichen Grundsätzen, wie z.B. dem Trennungsgrundsatz, der Über­planung bedürfen. Jedenfalls in den Fällen, in denen keine durch die Änderung bedingte zusätzliche Verdichtung der unterschiedlichen Nutzungen vorgesehen ist, besteht eine solche Verpflichtung der Gemeinde nicht. Wenn eine hinreichende Sicherheit dafür besteht, dass die Konfliktbewältigung im Genehmigungsverfahren für das Vorhaben erfolgen kann, erlaubt es das Abwägungsgebot, zunächst den Bebauungsplan ohne die Verfolgung der weiteren städtebaulichen Ziele zu ändern. Unter welchen Umständen eine Konfliktbewältigung außerhalb des Planungsverfahrens hinreichend sicher ist, beurteilt sich nach den jeweiligen konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls.

 

Nach dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 21.12.2011 – 4 B 14.11 – ist eine Gemeinde, die einen bestehenden Bebauungsplan zur Steuerung des Einzelhandels an die neueste Fassung der Baunutzungsverordnung (BauNVO) anpassen will, nicht zugleich verpflichtet, alle weiteren anstehenden städtebaulichen Ziele umzusetzen. Nur wenn die Gemeinde hinreichend sicher darauf vertrauen kann, dass die als Folge der planerischen Festsetzungen gebotenen Maßnahmen einer sachgerechten Lösung zugeführt werden, kann sie diese einem anderen Verfahren überlassen.

In der Revisionsnichtzulassungsbeschwerde wurde u.a. die Frage aufgeworfen, ob § 50 Satz 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und Art. 12 Abs. 1 Seveso-II-Richtlinie den Planungsträger dazu verpflichten, bei der Überplanung einer bestehenden Gemengelage das Plangebiet einer Neubewertung zu unterziehen und durch einschränkende Festsetzungen auf die Ansiedlung bislang zulässiger, unter die Seveso-II-Richtlinie fallender Störfall-Betriebe ohne angemessene Abstände zur schutzbedürftigen Wohnbebauung Einfluss zu nehmen.

 

Nach dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt sollte unter Beibehaltung der Industriegebietsfestsetzungen im bisherigen Umfang eine weitere Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsbetriebe durch Anwendung der Vorschriften der BauNVO eingeschränkt werden. Bei einer solchen Einschränkung von Einzelhandelsbetrieben würden jedoch die Folgen möglicher schwerer Unfälle im Sinne von Art. 12 Seveso-II-Richtlinie nicht vergrößert, sondern vielmehr begrenzt. Insoweit unterscheide sich der zur Entscheidung anstehende Sachverhalt im Verhältnis zu einer anderen von der Beschwerde in Bezug genommenen Entscheidung, bei der es gerade um die Neuansiedlung eines Einzelhandelsbetriebes gegangen sei.

 

Der Planungsträger sei nicht stets bei Änderung eines Bebauungsplans mit dem Ziel, die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsbetriebe zu beschränken, verpflichtet, zugleich alle weiteren anstehenden städtebaulichen Ziele umzusetzen. Dies gelte insbesondere, wenn zur Lösung der weiteren Probleme im Hinblick auf die Gemengelage umfangreiche Ermittlungen des Sachverhalts, zum Teil durch Gutachten, erforderlich seien.

 

Auch im Hinblick auf die Anwendung des Trennungsgebots für die Überplanung einer bereits bestehenden Gemengelage gebe es Ausnahmen, wenn das Nebeneinander von Gewerbe und Wohnen schon seit längerer Zeit und offenbar ohne größere Probleme bestanden habe.

 

Auch im Hinblick auf die weitere von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob in der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für einen Störfall-Betrieb die Wahrung von Abständen gegenüber schutzbedürftigen Nutzungen außerhalb des Bebauungsplans auf der Ebene konkret individueller Genehmigungen Beachtung finden könne, sei, so das BVerwG, von der Gemeinde nicht auf angemessene Schutzabstände verzichtet, sondern zum Ausdruck gebracht worden, dass die einzelnen Schutzabstände sinnvoll in den jeweiligen Einzelgenehmigungsverfahren festgelegt werden könnten. Denn es sei von der Rechtsprechung bereits geklärt, dass die Gemeinde von einer abschließenden Konfliktbewältigung in dem Bebauungsplan dann Abstand nehmen dürfe, wenn bei vorausschauender Betrachtung die Durchführung der als notwendig erkannten Konfliktlösungsmaßnahmen außerhalb des Planverfahrens auf der Stufe der Verwirklichung der Planung sichergestellt werde. Dafür sei Voraussetzung, dass die Gemeinde hinreichend sicher darauf vertrauen dürfe, dass dort die offengebliebenen Fragen eine sachgerechte Lösung finden werden.

 

Nach der umstrittenen Änderung des Bebauungsplans ist die weiterhin zugelassene Nutzung nach § 9 BauNVO „Industriegebiet“ die Grundlage für die Entscheidung über die Zulassung des Industriebetriebes; diese ist damit dem bau- und immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren überlassen. Insoweit darf eine Gemeinde grundsätzlich davon ausgehen, dass in dem Genehmigungsverfahren im Hinblick auf die Vielfalt möglicher Industriebetriebe und der unterschiedlichen Anforderungen daran die Konfliktbewältigung geleistet wird. Im Übrigen entziehe sich die Frage, unter welchen Umständen eine Konfliktlösung außerhalb des Planverfahrens hinreichend sicher ist, einer abstrakten Klärung.

 

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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