Zum Anwendungsbereich der 17. BImSchV

 

Mit Urteil vom 25.10.2012 (7 C 17.11) hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) den Anwendungsbereich der 17. BImSchV (Verordnung über die Verbrennung und Mitverbrennung von Abfällen) dahingehend konkretisiert und begrenzt, dass nur solche Verbrennungsanlagen der 17. BImSchV unterliegen, deren „Hauptzweck“ darin besteht, die Substanz des Einsatzstoffes bzw. dessen brennbare Bestandteile mittels Verbrennung durch Oxidation oder einer Kombination aus anderen thermischen Verfahren und anschließender Verbrennung möglichst vollständig zu zerstören.

 

Gegenstand des Verfahrens vor dem BVerwG waren bestimmte belastende Nebenbestimmungen zu einer  BImSchG-Genehmigung für eine Anlage zur Reaktivierung schadstoffbelasteter Aktivkohle, die sich aus der Einstufung der Anlage im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren als Verbrennungsanlage im Sinne der 17. BImSchV ergeben hatten.

 

In einer Reaktivierungsanlage für schadstoffbelastete Aktivkohle durchläuft die Aktivkohle in einem Drehrohrofen verschiedene Phasen. In Phase 1 wird sie bei etwa 100 bis 200° C getrocknet. In Phase 2 wird bei 300 bis 600° C ein Teil der anhaftenden Schadstoffe desorbiert. In Phase 3 laufen bei 700 bis 950° C verschiedene Prozesse ab. Ein Teil der freigesetzten Beladungsstoffe wird mittels Wasserdampf verbrannt, die bis dahin nicht abgelöste „Restbeladung“ der Aktivkohle wird pyrolysiert, anschließend wird die Oberfläche der Aktivkohle durch Vergasung neu gebildet. Die bei den Pyrolyse- und Vergasungsreaktionen im Drehrohrofen frei werdenden brennbaren Gase werden im Drehrohrofen und in der thermischen Nachverbrennungsanlage verbrannt.

 

In der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung wurde die Anlage der Nr. 8.1 Buchst. a) Spalte 1 i.V.m. Nr. 8.12 Spalte 1 des Anhangs zur 4. BImSchV (Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen) zugeordnet und als Verbrennungsanlage im Sinne von § 2 Nr. 6 17. BImSchV qualifiziert. In den Nebenbestimmungen wurde dann die Einhaltung verschiedener Regelungen der 17. BImSchV verfügt. Hiergegen wendete sich der Anlagenbetreiber, hatte jedoch sowohl im Widerspruchsverfahren als auch vor dem Oberverwaltungsgericht keinen Erfolg.

 

Das BVerwG hat dem Anlagenbetreiber recht gegeben und den Anwendungsbereich der 17. BImSchV konkretisiert und begrenzt: Danach sind Verbrennungsanlagen nach der Legaldefinition in § 2 Nr. 6 17. BImSchV solche Anlagen, die dazu bestimmt sind, thermische Verfahren zur Behandlung von Abfällen oder Stoffen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 17. BImSchV zu verwenden. Diese Verfahren umfassen die Verbrennung durch Oxidation der oben genannten Stoffe und andere vergleichbare thermische Verfahren wie Pyrolyse, Vergasung oder Plasmaverfahren, soweit die bei den vorgenannten thermischen Verfahren aus Abfällen entstehenden festen, flüssigen oder gasförmigen Stoffe verbrannt werden (§ 1 Abs. 1 Satz 2 17. BImSchV). Dabei sind nur solche Anlagen Verbrennungsanlagen im Sinne des § 2 Nr. 6 17. BImSchV, deren Hauptzweck darin besteht, die Substanz des Einsatzstoffes gemäß § 1 Abs. 1 bzw. dessen brennbare Bestandteile mittels Verbrennung durch Oxidation oder in einer Kombination aus thermischen Verfahren und anschließender Verbrennung möglichst vollständig zu zerstören. Die in der Anlage zur Reaktivierung von Aktivkohle verwendete Technik stufte das BVerwG weder als energetische Verwertung noch Beseitigung ein, sondern als thermisches Verfahren zur Ablösung der Schadstoffbeladung und Rückgewinnung unbelasteter Aktivkohle unter weitgehender Erhaltung ihrer Substanz.

 

Dies ergebe sich, so das BVerwG, schon aus dem Wortlaut der Legaldefinition des § 2 Nr. 6 17. BImSchV, der darauf hinweist, dass es für die Annahme einer Verbrennungsanlage nicht ausreiche, wenn Abfälle oder Stoffe nach § 1 Abs. 1 17. BImSchV mittels eines anderen thermischen Verfahrens als der Verbrennung durch Oxidation behandelt würden und es daneben auch zu Verbrennungsvorgängen komme, sondern dass das den Anlagenbetrieb bestimmende technische Verfahren gerade darauf zielen müsse, den Einsatzstoff möglichst vollständig zu zerstören. Auch aus dem europäischen Recht, hier aktuell der Industrieemissionen-Richtlinie 2010/75/EG, sowie der Entstehungsgeschichte zur 17. BImSchV ergebe sich nichts anderes.

 

Würde man es, so das BVerwG, für die Qualifizierung einer Anlage als Abfallverbrennungsanlage ausreichen lassen, dass es im Anschluss an die thermische Behandlung zu untergeordneten Verbrennungsvorgängen kommt, wäre die Regelung zu den Mitverbrennungsanlagen in § 2 Nr. 7 17. BImSchV weitgehend obsolet. Zudem wäre eine Abgrenzung der beiden Anlagentypen kaum mehr möglich. Im Ergebnis führt dies dazu, dass auch Mitverbrennungsanlagen im Sinne der 17. BImSchV nur solche Anlagen sind, deren Hauptzweck in der Energiebereitstellung oder der Produktion stofflicher Erzeugnisse besteht und in denen Abfälle und Stoffe gemäß § 1 Abs. 1 17. BImSchV als regelmäßiger oder zusätzlicher Brennstoff verwendet werden oder in denen Abfälle und Stoffe gemäß § 1 Abs. 1 17. BImSchV mit dem Ziel der Beseitigung thermisch behandelt werden. Nicht entscheidend ist hingegen, ob der Hauptzweck der Anlage in der Produktion stofflicher Erzeugnisse aus Abfällen besteht, oder ob diese Alternative für solche Fälle, in denen der Einsatzstoff lediglich „regeneriert“ wird, von vornherein nicht einschlägig ist.

 

Die Entscheidung ist zu begrüßen. Sie ordnet das Normverständnis zur 17. BImSchV zutreffend. Anlagen wie solche zur Reaktivierung von schadstoffbelasteter Aktivkohle können ohne Anwendung der 17. BImSchV nach Maßgabe der TA Luft genehmigt werden.

 

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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