Zulässigkeit einer sogenannten Hinterlandbebauung

Mit Urteil vom 01.03.2017 – 2 A 45/16 – hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) sich u.a. nochmals mit den Kriterien einer sogenannten Hinterlandbebauung, also einer Bebauung im rückwärtigen Grundstücksbereich, im unbeplanten Innenbereich befasst.

Die Besonderheit einer Hinterlandbebauung liegt darin, dass bei dem Bauvorhaben die zu überbauende Grundstücksfläche weitgehend hinter der vorderen, zur Erschließung ausgerichteten Bebauung gelegen ist. Oftmals entsteht hierdurch eine Bebauung „in zweiter Reihe“.

Auch die Zulässigkeit einer derartigen Bebauung beurteilt sich im unbeplanten Innenbereich (§ 34 Baugesetzbuch – BauGB) danach, ob sich das Vorhaben bei dem Kriterium „überbaubare Grundstücksfläche“ in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt.

Bauplanungsrechtlich unerheblich ist es dabei nach Auffassung des OVG NRW, ob die bereits vorhandene rückwärtige Bebauung, die eine im Übrigen bestehende faktische (hintere) Baulinie überschreitet, aus mehreren Gebäuden oder nur aus einem langgestreckten Gebäude besteht.

Ebenso ist es grundsätzlich nicht von Bedeutung, welche Nutzung die hinterliegenden Gebäude haben. Hier erfolgt allenfalls eine Differenzierung zwischen Haupt- und Nebennutzung, weil letztere die überbaubaren Grundstücksflächen im Rahmen von § 34 Abs. 1 BauGB nicht prägt.

Im zu entscheidenden Verfahren hatte sich zusätzlich die Frage gestellt, ob ein Stichweg, der das herangezogene Vorbild im rückwärtigen Bereich erschließt, der für die Beurteilung der zulässigen Bebauungstiefe maßgebliche Ausgangspunkt sein kann. In diesem Fall wäre die beantragte Hinterlandbebauung nicht zulässig gewesen.

Da Kriterium der Hinterlandbebauung die Lage des Baukörpers zur Erschließungsstraße ist, ändert es nach Auffassung des OVG NRW aber nichts an der baurechtlichen Einordnung, wenn die Erschließung zusätzlich über einen eigenen, aber unselbstständigen Stichweg erfolgt. Auch in diesem Fall bleibe die Haupttrasse der Straße die eigentliche Erschließungsstraße und somit der Ausgangspunkt für die Ermittlung der zulässigen Bebauungstiefe. Dies gelte für einen privaten Stichweg und – da es im Hinblick auf das Einfügen nach § 34 Abs. 1 BauGB nur auf den tatsächlichen und nach Außen wahrnehmbaren baulichen Bestand ankomme – auch für öffentliche Stichwege. Entscheidend sei dabei allein das wahrnehmbare Verhältnis des Stichweges zu dem Straßenzug, von dem er absteche. Dabei sei in wertender Betrachtung anhand aller Umstände des Einzelfalls (Länge, Breite, Bauzustand, erkennbare Funktion, Straßenname, Hausnummernvergabe, auch Größe, Bedeutung und Breite des Hauptweges) zu bestimmen, wann ein solcher Stichweg für den verständigen Betrachter den Eindruck der Unterordnung und der Unselbstständigkeit vermittele.

Einen allgemeinen Grundsatz, wonach eine Hinterlandbebauung von vornherein städtebaulich unerwünscht und deshalb nur ausnahmsweise gem. § 34 Abs. 1 BauGB zulässig wäre, gibt es nach Auffassung des OVG NRW zudem nicht.

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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