Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat in einem Beschluss vom 22.03.2017 – 8 ZB 14.1350 – ausgesprochen, dass der Widerruf eines alten Wasserrechts kein konkretes öffentliches Interesse am Widerruf erfordert. Diese Aussage ist für Inhaber alter Stau- und Mühlenrechte bedeutsam, die erwägen, auf der Grundlage ihres alten Rechts eine frühere Wasserkraftnutzung mit dem Einbau moderner Turbinen zu reaktivieren und so in den Genuss der Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zu gelangen. Solchen Bestrebungen setzt das geltende Wasserrecht die Schranke der Widerrufbarkeit alter Rechte entgegen, wenn die Gewässerbenutzung drei Jahre ununterbrochen nicht ausgeübt worden ist. Hat der Inhaber eines nicht mehr genutzten alten Wasserrechts Planungsabsichten für eine Wiederinbetriebnahme gegenüber der Wasserbehörde nicht innerhalb der dreijährigen Frist nach § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) durch prüffähige Planungsunterlagen konkretisiert, ist seine geäußerte Absicht, das alte Recht zeitnah wieder auszuüben, nach der Erkenntnis des BayVGH rechtlich unerheblich. Der behördliche Widerruf des alten Rechts wird hierdurch nicht gehindert.
Der Kläger des zugrundeliegenden Falles ist Eigentümer eines Grundstücks, auf dem sich eine Stau- und Triebwerksanlage befindet. Für seine Rechtsvorgänger war im Wasserbuch unter Bezugnahme auf wasserpolizeiliche und gewerberechtliche Genehmigungen aus den Jahren 1902 und 1920 die Genehmigung für das Triebwerk sowie die Ersetzung des Wasserrads durch eine Turbine zum „Antrieb von Mühlgang und Sägegatter“ eingetragen. Die Wasserkraftanlage wurde bis etwa 1997 betrieben. Seit 2004 befand sie sich in einem baufälligen Zustand.
Die zuständige Wasserbehörde (Landratsamt) widerrief mit Bescheid vom 03.02.2012 die alten Rechte und Befugnisse des Klägers zur Gewässerbenutzung. Die hiergegen erhobene Klage wies das erstinstanzliche Verwaltungsgericht (VG München) mit Urteil vom 08.04.2014 – M 2 K 13.2656 – ab. Der BayVGH hat mit dem eingangs bezeichneten Beschluss vom 22.03.2017 den Antrag auf Zulassung der Berufung zurückgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden. Das Verwaltungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Widerruf des alten Wasserrechts nach § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 WHG erfüllt seien, da der Kläger das im Wasserbuch eingetragene alte Benutzungsrecht im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung länger als drei Jahre ununterbrochen nicht ausgeübt habe.
Auch im Hinblick auf das durch § 20 Abs. 2 Satz 2 WHG eröffnete Widerrufsermessen sah der BayVGH keinen Grund zu Zweifeln an der Ergebnisrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Hierauf beziehen sich die ausschlaggebenden, über den vorliegenden Einzelfall hinausweisenden Aussagen der Entscheidungsgründe: Für die Anwendung der Widerrufsvorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 WHG ist ein konkretes, d. h. im Einzelfall darzulegendes, öffentliches Interesse am Widerruf nicht erforderlich. Vielmehr reicht das abstrakte (allgemeine) wasserwirtschaftliche Interesse aus, demzufolge die Wasserbehörde in die Lage versetzt sein soll, „den Wasserschatz, an dem ein nutzlos gewordenes Recht eines Privaten besteht, durch Beseitigung dieses Rechts wieder uneingeschränkt für die Allgemeinheit verfügbar zu machen und so für eine möglichst zweckmäßige Ausnutzung dieses Schatzes zu sorgen“ (BayVGH, Beschluss vom 22.03.2017 – 8 ZB 14.1350, Rn. 10; ebenso bereits Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.11.1993 – 7 B 114.93).
Danach ist das behördliche Ermessen, ein altes Wasserrecht zu widerrufen, dahin-gehend „intendiert“, d. h. gesetzlich da-rauf gerichtet, ein langjährig (drei Jahre oder länger) ununterbrochen nicht aus-geübtes Recht zu widerrufen. Steht die mindestens dreijährige, ununterbrochene Nichtausübung des alten Rechts fest, braucht die zuständige Wasserbehörde in der Regel keine weiteren Ermessenserwägungen anzustellen oder zu verlautbaren. Eine nähere Begründung des Widerrufs ist nach der Rechtsprechung nur erforderlich, wenn in absehbarer Zeit mit einer Wiederaufnahme der Gewässerbenutzung gemäß dem alten Recht zu rechnen ist (BayVGH, a. a. O.; so auch Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 16.05.2014 – 2 A 2015/13.Z; Oberverwaltungsgericht Saarland, Beschluss vom 30.12.2016 – 1 A 13/16).
In dem vom BayVGH entschiedenen Fall lagen nach den gerichtlichen Feststellungen derartige Ausnahmeumstände nicht vor. Vielmehr ergab sich aus den Verwaltungsakten, dass der Kläger in dem jahrelangen Verfahren, das dem Widerruf vorausgegangen war, zwar wiederholt erklärt hatte, er wolle das alte Recht behalten, um die Anlage wieder in Betrieb zu nehmen. Trotz mehrfacher behördlicher Aufforderungen hatte der Kläger jedoch weder eine Sanierung der maroden Wehranlage vorgenommen noch seine Absichtserklärungen durch eine Vorlage prüffähiger Planungsunterlagen für die Wiederaufnahme der altrechtlichen Gewässerbenutzung konkretisiert.
Danach durfte die beklagte Behörde – so der BayVGH – davon ausgehen, dass keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für die behauptete Absicht des Klägers, die Stau- und Triebwerksanlage zeitnah wiederherzustellen und zu betreiben, vorlagen. Der Widerruf war nach der Erkenntnis des BayVGH auch nicht unverhältnismäßig. Dabei stützte sich der BayVGH auf Sinn und Zweck der Widerrufsvorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 WHG: Hiernach komme es darauf an, bei nicht mehr genutzten Rechten die durch das alte Recht durchbrochene allgemeine öffentlich-rechtliche Benutzungsordnung für Gewässer wiederherzustellen und damit diese Ressource wieder der öffentlichen Bewirtschaftung zu unterstellen (BayVGH, a. a. O., Rn. 17).
Aus der wiedergebenen Entscheidung des BayVGH wie auch aus der darin herangezogenen Rechtsprechung anderer Verwaltungsgerichte ergibt sich eine allgemein beachtenswerte Lehre, die es in der Rechtspraxis zu beachten gilt: Wer als Grundstückseigentümer und Inhaber eines alten Wasserrechts unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten mit Blick auf die Förderung nach dem EEG die Reaktivierung einer früheren Wasserkraftnutzung anstrebt, sollte sich vergewissern, dass sein altes Recht nicht wegen dreijähriger Nichtausübung von der Wasserbehörde widerrufen werden kann. Der Umstand, dass der Wasserkraftnutzung im Falle ihrer Reaktivierung die Förderung nach dem EEG winkt, schützt nicht davor, dass ein altes Recht, dass drei Jahre oder länger nicht ausgeübt worden ist, aus allgemeinen wasserwirtschaftlichen Gründen und ohne Darlegung eines konkreten öffentlichen Interesses von der zuständigen Wasserbehörde widerrufen werden kann. In Zweifelsfällen sollten Inhaber alter Rechte die Frage der Widerrufbarkeit rechtzeitig prüfen und eventuell Verbindung mit der Wasserbehörde aufnehmen, um mit dieser die Vorlage prüffähiger Planungsunterlagen abzustimmen.
Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte
Das dazu gehörige Fachseminar ist in der Seminarwelt des IWU Magdeburg auffindbar.