Zu den Rücknahmepflichten gemäß § 17 ElektroG im Online-Handel mit quecksilberhaltigen Lampen

Mit Urteil vom 17.12.2020 – 6 U 1549/20 – hat das Oberlandesgericht (OLG) München in der Berufungsinstanz über die Rücknahmepflichten gemäß § 17 des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes (ElektroG) entschieden, die die Vertreiber quecksilberhaltiger Beleuchtungskörper im E-Commerce / Online-Handel treffen.

Der Kläger ist ein anerkannter Umwelt- und Verbraucherschutzverband. Die Beklagte, eine 100-prozentige Tochtergesellschaft einer bekannten deutschen Handelskette für Elektronikprodukte, unterhält einen Online-Shop, über den sie quecksilberhaltige Beleuchtungskörper an Verbraucher veräußert.

Der Kläger hat nach erfolgloser Abmahnung mit seiner erstinstanzlich bei dem Landgericht (LG) Ingolstadt erhobenen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage einen Verstoß der Beklagten gegen die sie treffenden Pflichten zur Rücknahme von gebrauchten Beleuchtungskörpern gemäß § 17 ElektroG geltend gemacht. Gemäß § 17 Abs. 1 ElektroG sind Vertreiber mit einer Verkaufsfläche für Elektro- und Elektronikgeräte von mindestens 400 Quadratmetern unter den in der Vorschrift geregelten Voraussetzungen verpflichtet, Elektro- und Elektronik-Altgeräte vom Endnutzer unentgeltlich zurückzunehmen. Die Rücknahmepflicht besteht zum einen für vergleichbare Altgeräte beim Kauf neuer Elektro- und Elektronikgeräte (sog. 1:1-Rücknahmepflicht). Die Rücknahme dieser Geräte hat am Abgabeort oder in unmittelbarer Nähe hierzu zu erfolgen. Unentgeltlich zurückzunehmen sind zum anderen – unabhängig von dem Kauf eines Elektro- oder Elektronikgeräts – Altgeräte, die in keiner äußeren Abmessung größer als 25 Zentimeter sind (sog. 0:1-Rücknahmepflicht). In diesem Fall ist die Rücknahmepflicht auf fünf Altgeräte pro Geräteart beschränkt und sind die Geräte im Einzelhandelsgeschäft oder in unmittelbarer Nähe hierzu zurückzunehmen.

Beide Rücknahmepflichten bestehen auch, wenn der Vertrieb unter der Verwendung von Fernkommunikationsmitteln erfolgt, was beim Online-Handel der Fall ist. Während die Rücknahmepflicht im stationären Handel von der Größe der Verkaufsfläche abhängt (s.o.), sind bei dem Vertrieb unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln die Lager- und Versandflächen maßgeblich. Beim Vertrieb unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln sind geeignete Rückgabemöglichkeiten in zumutbarer Entfernung zum jeweiligen Endnutzer zu gewährleisten. Die Beklagte unterfällt wegen der Größe der zugehörenden Lager- und Verkaufsflächen der Rücknahmepflicht gemäß § 17 ElektroG.

Um ihren Rücknahmepflichten nachzukommen, hat die Beklagte ihren Kunden zum einen die Möglichkeit angeboten, Elektrogeräte in den stationären Elektronikgeschäften ihrer Muttergesellschaft zurückzugeben – bundesweit immerhin 433 Filialen. Zum anderen konnten die Kunden mittels eines vorfrankierten DHL-Retourenlabels Elektrogeräte an die Beklagte zurücksenden. Beide Rückgabemöglichkeiten hat das Landgericht (LG) Ingolstadt hinsichtlich der streitgegenständlichen quecksilberhaltigen Beleuchtungskörper in erster Instanz für nicht ausreichend erachtet und der Klage im Kern stattgegeben. Die Beklagte hat gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt. Das OLG München hat die erstinstanzliche Entscheidung in der Berufungsinstanz im Ergebnis bestätigt.

Auch nach dem Urteil des OLG München reichen die von der Beklagten zur Verfügung gestellten Rückgabemöglichkeiten für gebrauchte Beleuchtungskörper, die Quecksilber enthalten, zur Erfüllung der sie gemäß § 17 ElektroG treffenden Rücknahmepflichten nicht aus.

Das gilt zum einen für die von der Beklagten eingeräumte Rückgabemöglichkeit in den bundesweit 433 Geschäften der Handelskette, deren Tochtergesellschaft die Beklagte ist. Das Landgericht Ingolstadt hatte diese mit der Begründung als unzureichend angesehen, dass in weiten Teilen des Bundesgebiets Verbraucher Fahrtstrecken von mindestens 50 km zurücklegen müssten, um eines der Geschäfte zu erreichen. Dagegen hatte die Beklagte mit der Berufung geltend gemacht, dass fast die gesamte Bevölkerung die Elektronikmärkte in einer Entfernung von weniger als 50 km erreichen könne.

Nach Ansicht des OLG München kommt es hierauf indes gar nicht an, weil es im Gegensatz zur Vorinstanz die maximale Entfernung zur nächsten Filiale nicht für einen geeigneten Maßstab hält, um die von § 17 ElektroG geforderte Zumutbarkeit der Rückgabemöglichkeit zu beurteilen. Ein solcher Ansatz lasse außer Betracht, dass eine nicht unerhebliche Zahl von Endnutzern nicht die Möglichkeit habe, mit dem eigenen PKW zur nächstgelegenen Rücknahmestelle zu fahren. Zudem sei es selbst bei Nutzung eines PKW nicht zumutbar, wenn ein Endnutzer für die Rückgabe einiger weniger Beleuchtungsmittel eine Fahrstrecke von bis zu 100 km (je 50 km Hin- und Rückfahrt) zurücklegen solle. Dies gelte erst recht, wenn der Endnutzer auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sei.

Aus den gleichen Gründen hält das OLG München auch ein Abstellen auf eine Mindestanzahl von Filialen nicht für einen tauglichen Ansatz zur Bestimmung der Zumutbarkeit.

Auch die gebotene Möglichkeit zur Rücksendung genügte im entschiedenen Fall den Anforderungen des § 17 ElektroG nicht. Allerdings sieht das OLG München die Eröffnung einer Rücksendemöglichkeit im Grundsatz wohl als taugliches Mittel an, um den Rücknahmepflichten im Versandhandel nachzukommen. Im konkreten Fall stand dem in Bezug auf die streitgegenständlichen quecksilberhaltigen Beleuchtungskörper allerdings entgegen, dass die Rücksendung in der vorgesehenen Art und Weise gegen die Beförderungsbedingungen der DHL verstieß. Auf eine unzulässige Rücksendung müssen sich die Kunden nach der Entscheidung des OLG München also nicht verweisen lassen.

Insgesamt zeigt das Urteil des OLG München, welche Probleme und Risiken mit den Rücknahmepflichten für Elektrogeräte im Versandhandel verbunden sind. Selbst große Handelsketten können zur Erfüllung ihrer Rücknahmepflichten nicht einfach auf Rückgabemöglichkeiten im zugehörigen stationären Handel verweisen. Die Entscheidung schließt eine Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen durch Kooperation von Versand- und stationärem Handel zwar nicht gänzlich aus. Aus den diesbezüglichen Erwägungen des OLG München folgt jedoch, dass bei der Beurteilung der Zumutbarkeit auch Kundenkreise berücksichtigt werden müssen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind; die Anforderungen des § 17 ElektroG werden dabei schon dann verfehlt, wenn die Anzahl der Personen, die Elektrogeräte nicht zumutbar über den stationären Handel zurückgeben können, nicht unerheblich ist. Im Ergebnis könnte somit allenfalls ein äußerst dichtes Netz an Rückgabestellen den gesetzlichen Anforderungen in der Auslegung des OLG München genügen.

Praktikabler dürfte daher die zweite Alternative sein, eine Rückgabemöglichkeit per Paket zu schaffen. Hiergegen erhebt das OLG München keine grundsätzlichen Einwände. Allerdings zeigt die Entscheidung, dass der rücknahmepflichtige Versandhändler die Zulässigkeit der Rücksendung genau prüfen muss – und zwar im Hinblick auf alle Elektrogeräte, auf die sich seine Rücknahmepflicht erstreckt. Ist die Rücksendung nach den Beförderungsbedingungen des Paketdienstleisters unzulässig, werden auch die Anforderungen des ElektroG verfehlt. Gleiches gilt erst recht, wenn mit der Rücksendung gegen gesetzliche Vorschriften, etwa des Gefahrgutrechts, verstoßen würde. Bei Missachtung dieser Anforderungen droht neben behördlichen Maßnahmen eine wettbewerbsrechtliche Inanspruchnahme durch Wettbewerber oder Verbraucherschutzverbände.

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

Das dazu gehörige Fachseminar ist in der Seminarwelt des IWU Magdeburg auffindbar.