Rechtmäßigkeit der Erhebung gespaltener Gebühren für die Abwasserentsorgung in Brandenburg

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hat mit Beschluss vom 29.08.2017 (Az. OVG 9 S 20.16) in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren über die grundsätzliche Zulässigkeit der Erhebung sogenannter gespaltener Gebühren für die Abwasserentsorgung nach dem Kommunalabgabengesetz Brandenburg (KAG Bbg) entschieden.

Hintergrund der Entscheidung des OVG sind die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 12.11.2015 (Az. 1 BvR 2961/14 und 1 BvR 3051/14). Danach kann für Grundstücke, die am 31.12.1999 über eine Anschlussmöglichkeit an eine öffentliche Einrichtung der Wasserversorgung oder Abwasserbeseitigung verfügten und im Geltungsbereich einer vom Aufgabenträger erlassenen Beitragssatzung lagen, ein Anschlussbeitrag nicht mehr erhoben werden, da für diese Grundstücke spätestens mit Ablauf des 31.12.2003 eine hypothetische Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

Die zum 01.01.2004 eingetretene verjährungsähnliche Situation konnte durch die zum 01.02.2004 in Kraft getretene Änderung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg, nach der es für den Beginn der Festsetzungsfrist auf das erstmalige Inkrafttreten einer „wirksamen“ Satzung ankommt, zur Vermeidung einer unzulässigen echten Rückwirkung nicht mehr aufgehoben werden. Infolgedessen musste ein Großteil der Beitragsbescheide für die sogenannten „Altanschließergrundstücke“ aufgehoben werden, die bereits vor dem 01.01.2000 über eine Anschlussmöglichkeit an die öffentliche Einrichtung der Abwasserbeseitigung verfügten. Die Zweckverbände im Land Brandenburg sehen sich daher mit einem großen Ausfall bei der Finanzierung der öffentlichen Einrichtungen konfrontiert.

Zahlreiche Zweckverbände im Land Brandenburg haben sich dafür entschieden, an der Refinanzierung durch Anschlussbeiträge und Benutzungsgebühren festzuhalten. Um sicherzustellen, dass alle angeschlossenen Grundstücke in gleichem Umfang an der Refinanzierung der Gesamtkosten der öffentlichen Einrichtungen beteiligt werden, sind einige Zweckverbände dazu übergegangen, die Benutzungsgebühren danach zu staffeln, ob für ein Grundstück bereits ein Anschlussbeitrag entrichtet worden ist oder – etwa für Altanschließergrundstücke – nicht. Der vorliegende Beschluss des OVG erklärt diese Vorgehensweise nunmehr für zulässig.

Konkret hatte das OVG den Fall zu entscheiden, dass ein Zweckverband die Beitragserhebung im Jahr 2015 eingestellt hat und Benutzungsgebühren in unterschiedlicher Höhe für die zu einem Beitrag veranlagten Grundstücke und für die nicht zu einem Beitrag veranlagten Grundstücke erhebt. Für zu einem Beitrag veranlagte Grundstücke ist ein geringerer Gebührensatz zu entrichten als für Grundstücke, die nicht zu einem Beitrag veranlagt worden sind.

Nach der Auffassung des OVG ist es nicht zu beanstanden, wenn der Zweckverband bei der Kalkulation der Mengengebühr den gesamten Herstellungsaufwand für die öffentliche Einrichtung auf die gebührenpflichtigen Bemessungseinheiten umlegt und anschließend die Entrichtung eines Beitrags zu Gunsten des Beitragszahlers gebührenmindernd als Abzugskapital in der Gebührenkalkulation berücksichtigt.

Das OVG knüpft mit seinem Beschluss vom 29.08.2017 an sein Urteil vom 06.06.2007 (Az. OVG 9 A 77/05) an, wonach diejenigen Grundstückseigentümer, die kein Abzugskapital für die öffentliche Einrichtung in Form von Beiträgen geleistet haben, keinen Anspruch darauf haben, von dem Beitragsaufkommen zu profitieren, das andere Grundstückseigentümer aufgebracht haben. Das verstieße nämlich zu Lasten der

Beitragszahler gegen das Verbot der Doppelbelastung gemäß § 6 Abs. 2 Satz 5 und 6 Nr. 2 KAG Bbg, gegen den Grundsatz der Abgabengerechtigkeit und gegen den Gleichheitssatz.

Das OVG führt weiter aus, dass es sich bei den gespalteten Gebühren auch nicht um eine Beitragserhebung durch die „Hintertür“ handelt und der Beschluss des BVerfG (a.a.O.) dadurch nicht umgangen wird. Insbesondere führe der Umstand der Unzulässigkeit der Beitragserhebung bei den Grundstücken, die von der verjährungsähnlichen Situation durch die Bestimmung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg betroffen sind, für die gebührenpflichtigen Eigentümer nicht dazu, dass diese ganz oder teilweise von einer anderen Abgabenart verschont blieben. Die Entscheidung des BVerfG begründe auch kein Recht, von dem Beitragsaufkommen zu profitieren, das andere Grundstückseigentümer aufgebracht haben.

Die Entscheidung des OVG betrifft zwar nur die Abwasserentsorgung, kann aber aufgrund von § 6 KAG Bbg entsprechend auf die Wasserversorgung angewendet werden.

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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