Neue Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV)

Am 1. August 2017 trat die neue Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) in Kraft. Die Verordnung dient dem Schutz der Gewässer vor nachteiligen Veränderungen. Damit werden die bisher geltenden entsprechenden Verordnungen der Länder (VAwS) abgelöst. Die AwSV enthält eine Reihe von neuen rechtlichen Anforderungen im Hinblick auf die Einstufung wassergefährdender Stoffe und Gemische, die Überwachung und Dokumentation sowie technischen Voraussetzungen an den Umgang mit solchen Stoffen und Gemischen. Nachfolgend informieren wir Sie über die wesentlichen Eckpunkte und bestimmte ausgewählte einzelne Aspekte der AwSV.

INKRAFTTRETEN DER NEUEN AWSV

I. AUSGANGSLAGE

Seit der Föderalismusreform 2006 unterliegt der Gewässerschutz der konkurrierenden Gesetzgebung, d.h. Vollregelungen durch den Bund sind möglich. Das WHG 2010 hat die Grundlage für konkretisierende Verordnungen geschaffen. Die Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) konkretisiert die §§ 62, 63 WHG. Statt der bisherigen Regelung in Verordnungen der Länder (VAwS) wird das Recht zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen in Anlagen nunmehr bundesweit vereinheitlicht.

II. WESENTLICHE ECKPUNKTE

Die AwSV normiert Verfahren zur Einstufung wassergefährdender Stoffe in verschiedene Wassergefährdungsklassen – sofern diese nicht gemäß § 3 Abs. 2 AwSV (nachfolgend sind Vorschriften ohne Angabe des Regelwerks solche der AwSV) schon als allgemein wassergefährdend gelten.

Unter dem Oberbegriff der „wassergefährdenden Stoffe“ sind Stoffe und Gemische zu verstehen. Unter die Gemische fallen auch Abfälle, die regelmäßig aus mehreren Stoffen bestehen. Aufgrund ihres Aggregatzustandes sind sie in der Regel als feste Gemische zu qualifizieren.

Grundlage für die Einordnung eines Stoffes als „wassergefährdend“ ist grundsätzlich die Selbsteinstufung des Anlagenbetreibers verbunden mit Dokumentationspflichten und der Überwachung durch das UBA sowie die zuständige Landesbehörde.

Ferner normiert die AwSV für die Betreiber verschiedene Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb der Anlagen.

III. AUSNAHMEN VOM ANWENDUNGSBEREICH

Vor einer etwaigen Selbsteinstufungspflicht ist zunächst zu prüfen, ob die Anlage überhaupt vom Anwendungsbereich der AwSV erfasst ist. Dafür ist insbesondere ein nicht unerheblicher Umfang wassergefährdender Stoffe erforderlich. Häufig vorkommende Gemische wie Gesteine, Boden, Sägespäne, Verpackungskunststoffe, Glas, Papier oder auch Kräuter oder Bienenwachs z.B. enthalten nur ein geringes Maß wassergefährdender Stoffe und können die Wasserbeschaffenheit nicht nachteilig verändern. Sie sind anders als z.B. NE-Schrotte als nicht allgemein wassergefährdend anzusehen.

Die Bagatellregelung des § 1 Abs. 4 sieht vor, dass die Verordnung keine Anwendung finden soll, wenn der Umfang der wassergefährdenden Stoffe, sofern mit ihnen neben anderen Sachen in einer Anlage umgegangen wird, während der gesamten Betriebsdauer der Anlage unerheblich ist. Unerheblich kann der Anteil immer nur dann sein, wenn der ganz überwiegende Teil der Sachen, mit denen in der Anlage umgegangen wird, nicht wassergefährdend ist, und dies nicht nur für begrenzte Zeiträume der Fall ist. Bei einer solchen Anlage müssen diese wassergefährdenden Stoffe nicht eingestuft werden.

Neben der Bagatellregelung sind vom Anwendungsbereich auch solche Anlagen ausgenommen, die nicht ortsfest sind und nicht ortsfest benutzt werden, sowie Untergrundspeicher (§ 1 Abs. 2). Die Verordnung findet ferner keine Anwendung auf den Umgang mit im Bundesanzeiger veröffentlichten nicht wassergefährdenden Stoffen (§ 1 Abs. 2 Nr. 1). Zudem sind oberirdische Anlagen außerhalb von Schutz- und Überschwemmungsgebieten mit einem Volumen bis zu 220 Litern oder einer Masse bis zu 200 Kilogramm ausgenommen (§ 1 Abs. 3).

IV. EINSTUFUNG VON GEMISCHEN UND ABFÄLLEN

Die Einstufung, die Dokumentation dieser Einstufung und das Verfahren der Entscheidung ist für Stoffe und Gemische getrennt geregelt. Der Regelfall ist die Selbsteinstufung. Betreiber haben alle Stoffe und Gemische, mit denen in ihren Anlagen umgegangen wird, zu bewerten und in eine der 3 Wassergefährdungsklassen oder als nicht wassergefährdend einzustufen. Diese Verpflichtung besteht nicht, wenn ein Stoff in der AwSV als allgemein wassergefährdend bestimmt ist, die Einstufung bereits veröffentlicht wurde oder der Stoff vom Betreiber unabhängig von seinen Eigenschaften als stark wassergefährdend betrachtet wird (§§ 4 Abs. 2 Nr. 1-4, 8 Abs. 2 Nr. 1-4).

Der Betreiber hat die Selbsteinstufung eines Stoffes oder flüssigen/gasförmigen Gemisches zu dokumentieren und der zuständigen Behörde vorzulegen (§§ 4 Abs. 3, 8 Abs. 3, 10 Abs. 3). Im Hinblick auf flüssige/gasförmige Gemische kann die zuständige Behörde die Gemische (abweichend von § 8 Abs. 1) einstufen (§ 9 Abs. 1). Neben den Betreibern und den zuständigen Behörden kann auch das Umweltbundesamt Stoffe und Gemische einstufen (§§ 7, 11). Bei Stoffen kann es eine Änderung der Einstufung vornehmen (§ 7 Abs. 1).

Die Möglichkeit der Einstufung von Gemischen durch das Umweltbundesamt soll jedoch nur bestehen, wenn es den Bedarf nach einer bundesweit gültigen Regelung gibt. Dies ist z.B. der Fall, wenn verschiedene Behörden oder Betreiber zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Einstufung kommen, jedoch nicht, wenn sie im Einzelfall unterschiedlicher Meinung sind. Die Einstufung wird in den Fachabteilungen im BMUB oder des UBA überprüft. Es besteht kein Anspruch auf eine bestimmte Einstufung. Da feste Abfälle unter den Begriff der festen Gemische nach § 10 fallen, sind hierfür die besonderen Voraussetzungen für die Einstufung nach dieser Vorschrift zu beachten.

Sollten Abfälle als feste Gemische nicht i.S.d. § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 8 als allgemein wassergefährdend gelten, ist zu prüfen, ob sie nach § 3 Abs. 2 S. 2 vom UBA als nicht wassergefährdend im Bundesanzeiger veröffentlicht wurden oder nach § 3 Abs. 2 S. 3 eine nachteilige Veränderung nicht zu erwarten ist. Sollte keine dieser Grundsätze zutreffen, kann eine Selbsteinstufung nach § 10 Abs. 1 vorgenommen werden. Dafür ist Voraussetzung, dass der Betreiber eine Einstufung nach Anlage 1 Nummer 2.2 vornimmt, der Einbau nach anderen Rechtsvorschriften uneingeschränkt möglich ist oder das Gemisch als Z 0- oder Z 1-Material der Mitteilung 20 der LAGA eingestuft werden kann.

Bei Abfällen als festen Gemischen trifft den Betreiber im Fall der Selbsteinstufung gemäß § 10 Abs. 3 zwar die Pflicht, die Einstufung zu dokumentieren. Die Dokumentation muss er der Behörde allerdings erst auf deren Verlangen im Rahmen einer ggf. erforderlichen Zulassung oder der Überwachung vorlegen. Während der Betreiber ferner die Pflicht hat, die Dokumentation auf dem laufenden Stand zu halten, kann die Behörde die Dokumentation überprüfen und bei Bedarf fehlende oder nicht plausible Unterlagen ergänzen oder berichtigen lassen.

V. AUFGABEN VON ANLAGENBETREIBERN

Zunächst ist zur Vermeidung von Missverständnissen festzuhalten, dass die „Anlage“ nach der AwSV nicht mit der „Anlage“ nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) verwechselt werden darf. Die Anlagenbegriffe sind nicht identisch. Der Anlagenbegriff der AwSV ist weitergehend als derjenige des BImSchG. Er bezieht sich auf selbständige und ortsfeste oder ortsfest benutzte „Einheiten“, in denen wassergefährdende Stoffe gelagert, abgefüllt, umgeschlagen, hergestellt, behandelt oder im Bereich der gewerblichen Wirtschaft oder im Bereich öffentlicher Einrichtungen verwendet werden, sowie auf Rohrleitungsanlagen nach § 62 Abs. 1 S. 2 WHG.

Betreiber solcher „Einheiten“ müssen ihre Anlagen so errichten und betreiben, dass

–     wassergefährdende Stoffe nicht austreten können,

–     Undichtheiten aller Anlagenteile, die mit wassergefährdenden Stoffen in Berührung stehen, schnell und zuverlässig erkennbar sind,

–     austretende wassergefährdende Stoffe schnell und zuverlässig erkannt sowie ordnungsgemäß entsorgt werden,

–     Anlagen flüssigkeitsundurchlässig und standsicher sind,

–     unterirdische Behälter immer doppelwandig sind und

–     bei Stilllegung alle wassergefährdenden Stoffe entfernt werden.

Abfälle fallen regelmäßig unter den Begriff der festen Gemische. Hier ist insbesondere § 17 Abs. 1 S. 4 zu beachten: Bei einer Betriebsstörung anfallende Gemische, die ausgetretene wassergefährdende Stoffe enthalten können, müssen zurückgehalten und ordnungsgemäß entsorgt werden.

Ferner gelten spezifische allgemeine Anforderungen an die Rückhaltung wassergefährdender Stoffe, an die Entwässerung, an die Rückhaltung bei Brandereignissen, an die Rückhaltung bei Rohrleitungen, bei der Nutzung von Abwasseranlagen als Auffangvorrichtung, an das Befüllen und Entleeren und bei Betriebsstörungen (§§ 18-24).

Besondere Anforderungen gelten für die Rückhaltung bei bestimmten Anlagen, z.B. Anlagen zum Lagern, Abfüllen, Herstellen, Behandeln oder Verwenden fester wassergefährdender Stoffe, Anlagen zum Lagern und Abfüllen fester Stoffe, denen flüssige wassergefährdende Stoffe anhaften, Umschlagflächen für wassergefährdende Stoffe, Fass- und Gebindelager, Abfüllflächen von Heizölverbraucheranlagen, Erdwärmesonden und -kollektoren, Solarkollektoren, Kälteanlagen und Biogasanlagen mit Gärsubstraten aus der Landwirtschaft (§§ 25-28, 31-32, 35, 37).

Bei den allgemeinen Anforderungen nach §§ 18 ff. und den besonderen Anforderungen nach §§ 25 ff. ist bei jeder Anlage jeweils genau zu prüfen, ob sie von dieser spezifischen Pflicht betroffen ist.

Abhängig von ihren Gefährdungsstufen gelten für Anlagen bestimmte Anforderungen wie das Überwachen beim Befüllen und Entleeren (§ 23), Pflichten bei Betriebsstörungen und Instandsetzungskonzept (§ 24), eine Pflicht der Zuordnung in eine Gefährdungsstufe (§ 39), eine Anzeigepflicht (§ 40), Ausnahmen vom Erfordernis der Eignungsfeststellung (§ 41), eine Anlagendokumentation (§ 43), eine Betriebsanweisung (§ 44), eine Fachbetriebspflicht (§ 45), Überwachungs- und Prüfpflichten (§ 46) und eine Mängelbeseitigungspflicht (§ 48). Auch hier ist jeweils festzustellen, ob diese allgemeinen Anforderungen bei allen Anlagen eingehalten werden.

Betreiber müssen ihre Anlagen grundsätzlich selbst einer Gefährdungsstufe zuordnen. Lediglich Anlagen zum Umgang mit allgemein wassergefährdenden Stoffen nach § 3 Abs. 2 werden keiner Gefährdungsstufe zugeordnet (siehe hierzu bereits Ziff. IV).

Laut dem Erfordernis der Eignungsfeststellung nach § 63 Abs. 1 WHG dürfen Anlagen zum Lagern, Abfüllen oder Umschlagen wassergefährdender Stoffe nur errichtet und betrieben werden, wenn ihre Eignung von der zuständigen Behörde festgestellt worden ist. Eine Eignungsfeststellung kann auch für Anlagenteile oder technische Schutzvorkehrungen erteilt werden. Neben § 63 Abs. 2 und 3 WHG normiert § 41 weitere Ausnahmen von diesem Erfordernis.

Jeder Anlagenbetreiber muss gemäß § 43 Abs. 1 über eine Anlagendokumentation verfügen, in der die wesentlichen Informationen über die Anlage enthalten sind. Hierzu zählen insbesondere Angaben zum Aufbau und zur Abgrenzung der Anlage, zu den eingesetzten Stoffen, zur Bauart und zu den Werkstoffen der einzelnen Anlagenteile, zu Sicherheitseinrichtungen und Schutzvorkehrungen, zur Löschwasserrückhaltung und zur Standsicherheit.

Nach § 43 Abs. 2 hat der Betreiber, sofern die Anlage nach § 46 Abs. 2 oder 3 prüfpflichtig ist, zusätzlich die Unterlagen bereitzuhalten, die für die Prüfung der Anlage und für die Durchführung fachbetriebspflichtiger Tätigkeiten erforderlich sind. Diese Unterlagen hat der Betreiber nach Abs. 3 der zuständigen Behörde, Sachverständigen vor Prüfungen und Fachbetrieben nach § 62 jeweils auf Verlangen vorzulegen.

Es ist insbesondere aufgrund besonders strenger Anforderungen zu prüfen, ob eine Anlage in Schutz-oder Überschwemmungsgebieten nach §§ 49, 50 liegt. Spezifische Anforderungen sind neben den Bestimmungen für Schutzgebiete (§ 49) für Anlagen in Überschwemmungsgebieten (§ 50) vorgesehen. Die AwSV regelt, dass alle Anlagen in Überschwemmungsgebieten so errichtet und betrieben werden müssen, dass wassergefährdende Stoffe selbst bei Hochwasser nicht abgeschwemmt oder freigesetzt werden (§ 50 Abs. 1).

Zudem ist hier auch das neue Hochwasserschutzgesetz II vom 30.06.2017 (BGBl. I S. 2193) von Bedeutung, da es einen neuen § 78a in das WHG einführt. In Bezug auf wassergefährdende Stoffe ist in festgesetzten Überschwemmungsgebieten zum einen grundsätzlich das Aufbringen und Ablagern solcher Stoffe auf dem Boden, zum anderen die Lagerung außerhalb von Anlagen untersagt (§ 78a Abs. 1 Nr. 2-3 WHG). Die erste Regelung existierte bisher schon (im § 78 WHG), die zweite ist neu.

Der Betreiber muss die Dichtheit der Anlage und die Funktionsfähigkeit der Sicherheitseinrichtungen regelmäßig kontrollieren (§ 46 Abs. 1). Eine Reihe weiterer Prüfungen nach der AwSV dürfen nur von Sachverständigen vorgenommen werden. Im Ergebnis dieser Prüfungen muss der Sachverständige die Anlage als mängelfrei oder als Anlage mit geringen, erheblichen oder gefährlichen Mängeln einstufen (§ 47 Abs. 2). Er hat die zuständige Behörde über die Ergebnisse zu unterrichten (§ 47 Abs. 3).

VI. Übergangsregelungen

Die AwSV sieht weitreichende Übergangsbestimmungen vor.

Mit Inkrafttreten der AwSV gelten alle Stoffe, Stoffgruppen und Gemische, die am 1. August 2017 bereits durch die Verwaltungsvorschrift wassergefährdender Stoffe (VwVwS) eingestuft worden sind, als eingestuft im Sinne von Kapitel 2 der AwSV. Aufgrund des § 66 und zur Wahrung eines effektiven Verwaltungshandelns plant das Umweltbundesamt die Veröffentlichung aller nach VwVwS eingestuften Stoffe in einer konsolidierten Liste bis spätestens zum 15.08.2017 im Bundesanzeiger.

Für alle bestehenden Anlagen sind die Pflichten nach §§ 67 ff. entscheidend, hier insbesondere die Nachprüfpflicht durch einen Sachverständigen nach § 68 und etwaige Folgen daraus. Die schon bestehenden Einstufungen von Stoffen und Gemischen gelten grundsätzlich weiterhin (§ 67). Wenn die Änderung der Einstufung zur Erhöhung der Gefährdungsstufe führt, müssen die Anlagenbetreiber erst nach behördlicher Anordnung die weitergehenden Anforderungen erfüllen (§ 68).

Bei bestehenden prüfpflichtigen Anlagen besteht eine Nachprüfpflicht durch einen Sachverständigen. Der Sachverständige stellt bei der ersten Prüfung im Rahmen eines Abgleichs fest, ob und inwieweit für die Anlage neue Anforderungen der AwSV über die bisherigen landesrechtlichen Vorgaben hinausgehen (§ 68). Eine direkte Folgewirkung entfaltet die Feststellung einer Abweichung jedoch nicht. Sie soll den Anlagenbetreiber über ggf. erforderliche Anpassungsmaßnahmen rechtzeitig informieren. Gleichzeitig wird mit dem Prüfbericht auch die zuständige Behörde über weitergehende Anforderungen informiert und in die Lage versetzt, über mögliche Maßnahmen mit dem Betreiber zu sprechen.

Quelle: Kopp-Assenmacher & Nusser Rechtsanwälte PartGmbB

Das dazu gehörige Fachseminar ist in der Seminarwelt des IWU Magdeburg auffindbar.