In seinem Urteil vom 15.10.2014 (7 C 1.13) hatte sich das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) mit der Frage zu beschäftigen, ob eine Person, die im Zeitpunkt der Entstehung eines Abfalls nicht die tatsächliche Sachherrschaft über diesen hat, Abfallerzeuger im Sinne des Abfallrechts sein kann. Dies ist nach Ansicht des Gerichts (ausnahmsweise) möglich, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die eine Zurechnung der Abfallentstehung aufgrund von Risikosphären oder Fehlverhalten ermöglichen. Im Ergebnis hat das BVerwG den Begriff des Abfallerzeugers damit dem in anderen Bereichen des Ordnungsrechts verwendeten Begriff des Verursachers angenähert. Einen Anwendungsfall der neuen Rechtsprechung bildet nach dem kurz danach ergangenen Beschluss des BVerwG vom 24.10.2014 (7 C 2.13) die Beauftragung von Abbruch- und Räumungsarbeiten.
Die abfallrechtlichen Grundpflichten zur ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung und zur gemeinwohlverträglichen Beseitigung von Abfällen richten sich, soweit nicht Überlassungspflichten eingreifen, an die Erzeuger und Besitzer von Abfällen. Nur diese Personen kommen daher als Adressaten von abfallrechtlichen Entsorgungsverfügungen in Betracht. In der Regel sind dabei der erste Abfallbesitzer und der Abfallerzeuger identisch. Mit der Frage, ob diese Regel ausnahmslos gilt, hat sich das BVerwG im Urteil vom 15.10.2014 beschäftigt.
Bei dem in Rede stehenden Abfall handelte es sich um Löschwasser, welches die Feuerwehr zur Bekämpfung eines Großbrandes auf dem Betriebsgelände einer immissionsschutzrechtlich genehmigten Anlage zur physikalisch-chemischen Behandlung von gefährlichen Abfällen eingesetzt hatte. Dieses Löschwasser war mit perfluorierten Tensiden aus dem zugesetzten Schaummittel und betrieblichen Stoffen verunreinigt; es wurde bei dem Einsatz soweit wie möglich aufgefangen und zunächst zwischengelagert. Per Entsorgungsverfügung gab die zuständige Behörde der Anlagenbetreiberin die Beseitigung des Löschwassers auf, die dagegen Klage erhob.
Die rechtliche Besonderheit des Falles liegt darin, dass die Klägerin zu keinem Zeitpunkt Abfallbesitzer war. In dem Zeitpunkt, in dem das Löschwasser eingesetzt und dadurch zu Abfall wurde, lag die tatsächliche Sachherrschaft bei der Feuerwehr; die anschließende Zwischenlagerung erfolgte außerhalb des Betriebsgrundstückes, sodass auch in dieser Zeit kein Abfallbesitz der Anlagenbetreiberin vorlag. Die Rechtmäßigkeit der Entsorgungsverfügung und der Erfolg der Klage hingen somit davon ab, ob die Anlagenbetreiberin als Abfallerzeugerin anzusehen war, obwohl sie zu keinem Zeitpunkt Besitz an dem Löschwasser hatte und die Handlung, die unmittelbar zur Entstehung des Abfalls führte, nicht selbst vorgenommen hatte. Das BVerwG hat dies, ebenso wie das Oberverwaltungsgericht Münster in der Vorinstanz bejaht:
Das BVerwG stellt zur Begründung der Entscheidung zunächst auf den Wortlaut der gesetzlichen Definition für den Begriff Abfallerzeuger ab, die sich nach geltendem Recht in § 3 Abs. 8 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) findet. Danach ist Ersterzeuger – die Alternative der Zweiterzeugung durch Veränderung der Beschaffenheit oder Zusammensetzung von Abfällen kam von vornherein nicht in Betracht – derjenige, durch dessen Tätigkeit Abfälle anfallen. Dies sei im Regelfall derjenige, der im Zeitpunkt der Umwandlung einer Sache in Abfall die Sachherrschaft über sie ausgeübt und durch sein Verhalten die letzte Ursache für die Abfallentstehung gesetzt habe. Nur unter besonderen Umständen sei es möglich, aufgrund einer fallbezogenen Wertung eine andere, im Vorfeld der Abfallentstehung handelnde Person als Abfallerzeuger anzusehen. Gefordert sei vom Wortlaut des Gesetzes eine Tätigkeit, die gerade für die Umwandlung des Stoffes oder Gegenstandes in Abfall wesentlich sei. Dabei handele es sich zwar typischerweise, aber nicht zwingend um eine Tätigkeit des unmittelbaren Besitzers, denn auch eine andere Person könne etwa durch eine schädigende Handlung in einer Weise auf eine Sache einwirken, dass diese zu Abfall wird. Wann der Ursachenbeitrag einer Person für die Entstehung von Abfall so wesentlich sei, dass der Abfall durch ihre Tätigkeit anfalle, lasse sich aus dem Gesetzeswortlaut nicht konkret beantworten; es könne jedoch in Anlehnung an die ordnungsrechtliche Terminologie zum Verhaltensstörer vom Erfordernis einer unmittelbaren Verursachung gesprochen werden, wobei Unmittelbarkeit typischerweise, aber nicht notwendig mit der zeitlich letzten Ursache gleichzusetzen sei.
In systematischer Hinsicht spreche für die Möglichkeit eines Auseinanderfallens von Abfallerzeuger und erstem Abfallbesitzer zunächst, dass das Gesetz jeweils selbständige Definitionen des Abfallerzeugers und des Abfallbesitzers enthalte, wodurch verdeutlicht werde, dass der Abfallerzeuger nicht lediglich ein Unterfall des Abfallbesitzers sei. Besondere Bedeutung komme zudem dem unionsrechtlichen Bezug zur Abfallrahmenrichtlinie zu. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe in zwei Grundsatzentscheidungen – zum einen in der Rechtssache „Van de Walle“ und zum anderen in der Rechtssache „Commune de Mesquer“ – entschieden, dass Abfallerzeuger im Sinne der Abfallrahmenrichtlinie auch Personen sein könnten, die nicht die letzte Ursache für die Entstehung eines Abfalls gesetzt hätten und bei Entstehung des Abfalls nicht im Besitz des zu Abfall gewordenen Stoffes gewesen seien. Auch das Unionsrecht gehe somit zwar für den Regelfall von der Erzeugereigenschaft desjenigen aus, der die Sachherrschaft über die zu Abfall gewordene Sache im Zeitpunkt der Abfallentstehung habe. Vorgelagertes Verhalten anderer Personen könne aber aufgrund von Zurechnungserwägungen, die an Risikosphären oder Fehlverhalten anknüpfen, ebenfalls die Erzeugereigenschaft begründen.
Dieses Verständnis entspreche auch Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, die einerseits durch den ordnungsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz und andererseits durch das Verursacherprinzip geprägt sei. Beide Grundsätze verlangten, bei Vorliegen besonderer Umstände, durch die sich bei wertender Betrachtung ein vorgelagertes Verhalten als wesentliche Ursache für die Abfallentstehung darstelle, die Person, die diese Ursache gesetzt hat, als Abfallerzeuger anzusehen.
Im konkreten Fall sah das BVerwG das Verhalten der Klägerin, welches bei einer auf Risikosphären beruhenden wertenden Betrachtung dazu führe, dass sie Erzeuger des verunreinigten Löschwassers sei, in dem Betrieb der Anlage. Denn bei diesem handele es sich um eine gefahrgeneigte Tätigkeit. In der Anlage seien organische Abfälle behandelt worden, „die Abfälle bis hin zu gefährlichen Abfällen waren“; bei Störungen im Betriebsablauf hätten sich daraus Brand- und Explosionsgefahren ergeben können, die sich im tatsächlichen Geschehensablauf schließlich auch realisiert hätten. Die Gefahrgeneigtheit finde schließlich ihren Ausdruck in den gesetzlichen Regelungen über die Gefährdungshaftung, denen die Anlage unterlag. Der Gefahrgeneigtheit entspreche nach ordnungsrechtlichen Grundsätzen eine Störerverantwortung der Klägerin, für deren Wahrnehmung ihr allerdings wirksame Mittel gefehlt hätten, sodass eine effektive Gefahrenabwehr nur durch die Feuerwehr habe erfolgen können. Dies schaffe einen besonderen Bezug zwischen der privaten Gefahrenverursachung und der öffentlichen Gefahrenabwehr durch Löscharbeiten, der es rechtfertige, beides als natürliche Einheit zu sehen. Diese Wertung liege auch den Regelungen der Landesfeuerwehrgesetze zugrunde, die im Falle der Gefährdungshaftung Regressansprüche gegen Anlagenbetreiber vorsähen. Die Klägerin sei daher Abfallerzeugerin gewesen, sodass die an sie gerichtete Beseitigungsverfügung rechtmäßig und die hiergegen gerichtete Klage unbegründet gewesen sei.
Auf die im Urteil vom 15.10.2014 entwickelten Grundsätze hat das BVerwG nur wenige Tage später im Beschluss vom 24.10.2014 (7 C 2.13) zurückgegriffen. Hier ging es um Abfälle, die beim Abbruch einer abgebrannten Druckerei entstanden waren. Den Auftrag für die Abbrucharbeiten hatte eine Versicherung erteilt, die nach Einschätzung des BVerwG damit eigene Interessen an der Klärung der Brandursache verfolgte. Es spreche daher „Erhebliches“ dafür, dass sich die Versicherung das Tätigwerden des Abbruchunternehmers zurechnen lassen müsse und somit Abfallerzeugerin sei. Das BVerwG hat daher der Versicherung die Kosten des von den Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärten Verfahrens auferlegt.
Die beiden dargestellten Entscheidungen des BVerwG bedeuten eine Ausweitung der Abfallerzeugereigenschaft, die der aus anderen Bereichen des Ordnungsrechts bekannten Verursacherhaftung nahe kommt. Ihre praktische Tragweite lässt sich allerdings noch nicht verlässlich überblicken. Während das Urteil vom 15.10.2014 durch die wiederholte Betonung des Grundsatzes, dass als Abfallerzeuger in der Regel nur derjenige in Betracht kommt, der im Zeitpunkt der Abfallentstehung den Besitz inne hat, und den mehrfachen Hinweis auf das Erfordernis besonderer Umstände des Einzelfalls für eine abweichende Beurteilung tendenziell den Ausnahmecharakter der Entscheidung in den Vordergrund stellt, ist angesichts des Beschlusses vom 24.10.2014, wonach bereits der alltägliche Umstand der Erteilung eines Auftrags für Abriss- und Räumungsarbeiten ausreichen soll, einen Nichtbesitzer zum Abfallerzeuger werden zu lassen, nicht auszuschließen, dass von der Rechtsprechung keine hohen Anforderungen an das Vorliegen von besonderen Umständen des Einzelfalls gestellt werden. Wo die Grenzen genau verlaufen, wird die weitere Entwicklung zeigen. Vorerst dürften mit der Entscheidung jedoch weitere Rechtsunsicherheiten und damit Haftungsrisiken verbunden sein.
Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte