Das Verwaltungsgericht (VG) Köln hat in fünf Musterverfahren durch Urteile vom 17.03.2015 – 14 K 5992/13, 14 K 5993/13, 14 K 5994/13, 14 K 6760/13 und 14 K 6796/13 – die von Wohnungsbauunternehmen angefochtenen Abfallgebührenbescheide der Stadt Köln aufgehoben. In den Entscheidungsgründen hat das Gericht ausgeführt, dass die Abfallgebühren der beklagten Stadt insgesamt nicht auf einer ausreichenden satzungsrechtlichen Grundlage beruhten, weil die zugrunde liegenden Gebührenmaßstäbe in der Abfallgebührensatzung nicht hinreichend festgelegt seien. Dies führe dazu, dass die in der Kalkulation für das Veranlagungsjahr 2013 ermittelten Gebührensätze je Behältergröße unwirksam seien. Diese Folgerungen gelten auch für die Veranlagungsjahre 2014 und 2015.
Den Urteilen des VG Köln vom 17.03.2015 liegen Rechtsstreitigkeiten über die abfallgebührenrechtliche Behandlung der im Rahmen von Abfallmanagement-Dienstleistungen praktizierten Vor-Ort-Korrektur von Fehlbefüllungen (sog. Nachsortierung) zugrunde. Wohnungsbauunternehmen lassen vielfach – vor allem in Großstädten – solche Dienstleistungen in großen Wohnanlagen erbringen, um die Vermeidung, Trennung und Verwertung von Abfällen zu fördern und das äußere Erscheinungsbild und die Hygiene der Behälterstandplätze zu verbessern. Die in dieser Hinsicht bestehenden Defizite beruhen darauf, dass es in großen Wohnanlagen schon aus Platzgründen unmöglich ist, jeder Wohneinheit oder jedem Haushalt einen eigenen Abfallbehälter zuzuweisen. Großwohnanlagen werden daher zentral entsorgt. Die dafür zu entrichtenden Gebühren werden in der Regel nach der Größe der Wohnfläche oder der Zahl der Mieter umgelegt – und zwar unabhängig davon, welche Abfallmenge der einzelne Mieter tatsächlich erzeugt hat.
Das Verursacherprinzip wird dadurch im Bereich der Abfallentsorgung unterlaufen. Den Mietern fehlt so der Anreiz zu der – oft ohnehin als lästig empfundenen – Vermeidung und Trennung von Abfällen. Typischerweise wird die Tendenz zu abfallwirtschaftlichem Desinteresse durch die Anonymität von Großwohnanlagen und die Sozialstruktur der dort lebenden Mieter verstärkt.
Die Folgen dieser Situation bestehen regelmäßig in einem erhöhten Abfallaufkommen und in Fehlbefüllungen der Abfallbehälter. Durch derartige Fehlbefüllungen, insbesondere mit großvolumigen Verpackungen und sperrigen Gegenständen, wird die weitere Befüllung der Behälter verhindert, die Bereitstellung weiterer Gefäße erzwungen und die letztlich von allen Mietern gemeinsam zu tragende Gebührenlast in die Höhe getrieben – abgesehen davon, dass insoweit die gesetzlichen Ziele der Vermeidung, Trennung und Verwertung von Abfällen konterkariert werden.
Die Vor-Ort-Korrektur von Fehlbefüllungen (Nachsortierung) ist wesentlicher Bestandteil der Abfallmanagement- Dienstleistungen. Diese dienen dem Ziel, auch bei Großwohnanlagen mit schwieriger Mieterschaft eine geordnete Entsorgung – insbesondere von Wertstoffen – zu gewährleisten. Zudem wird hierdurch die Sauberkeit und Hygiene der Behälterstandplätze verbessert.
Trotz dieser Vorzüge bekämpfen die Kommunen seit Jahren die Vor-Ort- Korrektur von Fehlbefüllungen, was sich nur mit dem verursachten Nebeneffekt eines verringerten Gebührenaufkommens erklären lässt. Das Mittel der kommunalen Repression waren zunächst abfallsatzungsrechtliche Verbote und Verbotsverfügungen, die damit begründet wurden, die Vor-Ort-Korrekt verstoße gegen die abfallrechtlichen Überlassungspflichten. Diese Versuche sind juristisch gescheitert (grundlegend dazu Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13.12.2007 – 7 C 42.07; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.09.2008 – 20 A 1661/06). Auch Versuche, die Vor-Ort-Korrektur mit arbeitsschutzrechtlichen Mitteln zu verbieten, waren erfolglos (dazu VG Düsseldorf, Beschluss vom 20.04.2010 – 3 L 1995/08).
Die Stadt Köln hat alsdann zu dem Mittel finanzieller Sanktionen gegriffen, indem sie in ihrer Abfallgebührensatzung (erstmalig für 2010) Gebührenzuschläge für die Nachsortierung, d.h. für die Vor-Ort-Korrektur von Fehlbefüllungen, geregelt hat. Nachdem entsprechende Gebührenbescheide verwaltungsgerichtlich angefochten worden waren, hat die Stadt Köln Ende 2010 die Erhebung dieser Gebührenzuschläge ausgesetzt und schließlich aufgegeben.
In den folgenden Jahren hat die Stadt Köln ihre Abfallgebührensatzung abermals geändert. Die Vorschriften über Gebührenzuschläge für die Nachsortierung von Abfallbehältern sind entfallen. Stattdessen sind in der Satzung die Kataloge der Gebührensätze für die verschiedenen Behälter erweitert worden. Dabei sind gesonderte Gebührensätze für Behälter mit Nachsortierung geregelt worden, welche gegenüber den Basissätzen der Gebühren für gleich große Behälter ohne Nachsortierung deutlich erhöht sind. Die Differenz zwischen den Basissätzen und den gesonderten, für Behälter mit Nachsortierung erhobenen Gebührensätzen lässt sich als Mehrgebühr für die Nachsortierung kennzeichnen. Diese Differenz beläuft sich im Veranlagungsjahr 2013 auf eine prozentuale, nach dem Behältervolumen unterschiedliche Erhöhung zwischen 15,77 % und 22,72 %.
Die Stadt Köln hat die neu strukturierte Abfallgebührensatzung erstmalig der Erhebung der Abfallgebühren im Jahr 2013 zugrunde gelegt. Für die Jahre 2014 und 2015 ist die städtische Abfallgebührensatzung nicht mehr strukturell, sondern nur noch hinsichtlich einzelner Gebührensätze geändert worden.
Streitgegenstand der vom VG Köln durch die Urteile vom 17.03.2015 entschiedenen Musterverfahren sowie einer Vielzahl gegenwärtig ruhend gestellter Parallelverfahren sind die vorbezeichneten Mehrgebühren für Abfallbehälter mit Nachsortierung. Die klagenden Wohnungsbauunternehmen sehen hierin eine wirkungsgleiche Fortsetzung der früheren, von der Stadt Köln angesichts der erhobenen Einwendungen aufgegebenen Gebührenzuschläge für die Nachsortierung. Sie machen geltend, dass diese Mehrgebühren gegen das Kostendeckungs- und das Äquivalenzprinzip, das Prinzip der Leistungsproportionalität, das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes und gegen die abfallrechtlichen Lenkungsziele gem. § 9 Abs. 2 Satz 3 des Abfallgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen verstoßen.
Das VG Köln hat diese Grundsatzfragen des Gebühren- und des Abfallrechts nicht entschieden, sondern sich hierzu nur in obiter dicta geäußert, die als solche für die Urteile vom 17.03.2015 keine tragende Bedeutung haben. Als entscheidungserheblich hat das Gericht angesehen, dass die Abfallgebührensatzung der Stadt Köln die Zuordnung und Verteilung der Kosten für Verwaltung und Logistik nicht, jedenfalls nicht klar, regelt. Diese Kosten seien – so das VG Köln – der Höhe nach erheblich. Sie dürften deshalb nicht vernachlässigt werden. Die Abfallgebührensatzung der Stadt Köln sei insofern unvollständig und keine taugliche Rechtsgrundlage für die Erhebung von Abfallgebühren. Infolgedessen sei auch die Gebührenkalkulation der Stadt nicht nachvollziehbar und rechtlich nicht zu halten. Die Gebührenbescheide der Stadt müssten deshalb aufgehoben werden, soweit sie angefochten sind.
Beachtung verdient, dass das VG Köln die Berufung gegen die Urteile vom 17.03.2015 nicht zugelassen hat. Die Stadt kann somit diese Urteile nicht unmittelbar mit der Berufung angreifen. Sie kann lediglich binnen eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Urteilsausfertigungen einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen. Über einen solchen Antrag müsste das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen entscheiden.
Die gegenwärtige Rechts- und Entscheidungslage wird dadurch kompliziert, dass das VG Köln in den obiter dicta der Urteile vom 17.03.2015 ausgeführt hat, die umstrittenen Mehrgebühren für Abfallbehälter mit Nachsortierung seien als solche nicht zu beanstanden. Der modifizierte Volumenmaßstab nach § 1 Abs. 1 UAbs. 3 der städtischen Abfallgebührensatzung sei hinreichend bestimmt und in der Sache unbedenklich. Da das VG Köln indessen die Aufhebung der angefochtenen Gebührenbescheide allein auf die Unvollständigkeit der Abfallgebührensatzung hinsichtlich der Zuordnung und Verteilung der Verwaltungs- und Logistikkosten gestützt und deshalb in der Satzung keine taugliche Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung gesehen hat, ist der Streit über die Rechtmäßigkeit der Mehrgebühren für Abfallbehälter mit Nachsortierung unentschieden und für die künftige Rechtspraxis offen geblieben.
Der materielle Streit der Beteiligten über die Mehrgebühren für Abfallbehälter mit Nachsortierung ist durch die Urteile des VG Köln vom 17.03.2015 damit weder entschieden noch erledigt; vielmehr besteht er zwischen den Beteiligten fort. Der darüber geführte Streit wird gegenwärtig bundesweit ausgetragen, weil auch andere Kommunen für Abfallbehälter mit Nachsortierung erhöhte Gebühren oder entsprechend erhöhte privatrechtliche Entgelte erheben. Diese besondere Belastung wird aus der Sicht der Wohnungsbauunternehmen und der Abfallmanagement-Dienstleister der praktizierten, den abfallwirtschaftsrechtlichen Zielen dienenden Vor-Ort-Korrektur von Fehlbefüllungen nicht gerecht.
Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte