Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in einem Urteil vom 24.05.2018 – 3 C 18.16 – ausgesprochen, dass die allgemeine Zulassung der Schifffahrt durch eine behördliche Schiffbarkeitserklärung die Rechtsstellung des Gewässereigentümers beschränkt. Unerheblich ist insofern der Umstand, dass die fließende Welle eines oberirdischen Gewässers nach § 4 Abs. 2 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) nicht eigentumsfähig ist. Nach der Erkenntnis des BVerwG gebietet die verfassungsrechtliche Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), dem Gewässereigentümer die Klagebefugnis für eine gegen die Schiffbarkeitserklärung gerichtete Klage zuzuerkennen.
Mit diesem Urteil korrigiert das BVerwG die verbreitete Ansicht, dass das Gewässereigentum in der Rechtspraxis ein inhaltsleerer Titel sei. In dem zugrunde liegenden Streitfall wandte sich die Klägerin, eine Eigentümerin mehrerer Grundstücke im Gewässer- und Uferbereich eines von einer natürlichen Bundeswasserstraße abzweigenden Stichkanals, gegen die Zulassung der Schifffahrt auf dem Stichkanal. Den von ihr hergestellten Stichkanal nutzt sie im Rahmen ihres Gewerbebetriebs u.a. für Transporte mit Lastkähnen. Auf weiteren am Stichkanal gelegenen Grundstücken, die von einem Motor- und Segelboot-Club genutzt werden, befinden sich Liegeplätze für Sportmotorboote.
Das zuständige Landesministerium ließ durch den streitgegenständlichen, auf das Landeswassergesetz gestützten Bescheid, die sog. allgemeine Schiffbarkeitserklärung, die Schifffahrt auf dem Stichkanal zu. Auf die hiergegen von der Klägerin erhobene Klage hob das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) änderte als Berufungsgericht durch Urteil vom 14.07.2015 – 8 BV 12.1575 – das erstinstanzliche Urteil und wies die Klage als unzulässig ab. Auf die Revision der Klägerin hat das BVerwG mit dem Urteil vom 24.05.2018 – 3 C 18.16 – das Urteil des BayVGH aufgehoben und die Streitsache zur anderweitigen Verhandlung an den VGH zurückverwiesen.
Für das Revisionsurteil ist ausschlaggebend, dass das BVerwG – anders als der BayVGH – der Vorschrift, wonach das zuständige Landesministerium (Staatsministerium) bestimmt, welche Gewässer schiffbar sind (Zulassung gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 2 Bayerisches Wassergesetz – BayWG), drittschützende Wirkung zu Gunsten des Gewässereigentümers zuerkannt hat (BVerwG, Urteil vom 24.05.2018 – 3 C 18.16, Rn. 8 ff.). Bei dieser Vorschrift handele es sich zwar um nicht revisibles Landesrecht (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliege jedoch, ob die berufungsgerichtliche, den Drittschutz verneinende Auslegung des Landesrechts mit Bundesrecht, namentlich mit den im GG gewährleisteten Grundrechten und den grundrechtskonkretisierenden Bestimmungen des WHG und des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vereinbar ist (BVerwG, Urteil vom 24.05.2018 – 3 C 18.16, Rn. 11 unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 12.02.1998 – 3 C 55.96 – und BVerwG, Urteil vom 21.02.2013 – 7 C 4.12, Rn. 18).
Im Fall der allgemeinen Schiffbarkeitserklärung hat das BVerwG der berufungsgerichtlichen, den drittschützenden Charakter verneinenden Auslegung des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 BayWG die Vereinbarkeit mit Bundesrecht abgesprochen. Der BayVGH habe – so das BVerwG – zu Unrecht angenommen, die Klägerin könne durch die Schiffbarkeitserklärung nicht in ihren Eigentumsrechten aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt sein, weil die Rechtsstellung des Gewässereigentümers nach § 4 Abs. 2 WHG dort ende, wo das Gewässergrundstück auf oberirdisches Wasser stoße. Unter Auswertung der Entstehungsgeschichte des § 4 Abs. 2 WHG, der auf das am 01.03.2010 in Kraft getretene Gesetz zur Neuregelung des Wasserrechts vom 31.07.2009 zurückgeht, stellt das BVerwG klar, dass es sich hierbei um eine gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG handelt. Diese bestimmt den Schutzbereich der Eigentumsgarantie in Bezug auf das Gewässereigentum sowohl in privat- als auch in öffentlich-rechtlicher Hinsicht (BVerwG, Urteil vom 24.05.2018 – 3 C 18.16, Rn. 13, 14 unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 15.07.1981 – 1 BvL 77/78, Nassauskiesung).
Dieser verfassungsrechtliche Ausgangspunkt ist heute allgemein anerkannt. Auch der BayVGH hatte ihn in seinem Urteil vom 14.07.2015 – 8 BV 12.1575 – zutreffend zugrunde gelegt. Fehl geht jedoch – so das BVerwG – die Auffassung des BayVGH zur Reichweite des § 4 Abs. 2 WHG, demzufolge das Wasser eines fließenden oberirdischen Gewässers ebenso wie das Grundwasser nicht eigentumsfähig ist. Diese Regelung schließt, wie das BVerwG klarstellt, nur Eigentum an der fließenden Welle aus. Das Eigentum am Gewässergrundstück und die aus ihm folgenden Abwehrrechte des Eigentümers gegen eine Inanspruchnahme des Gewässerbetts und des Raums über dem Gewässergrundstück (§ 903 Satz 1, §§ 905, 1004 BGB) bleiben hingegen unberührt (BVerwG, Urteil vom 24.05.2018 – 3 C 18.16, Rn. 16).
Bezogen auf die allgemeine Schiffbarkeitserklärung führt das BVerwG aus, dass die Schifffahrt nicht nur die fließende Welle, sondern auch das Gewässerbett, in dem sich die fließende Welle bewegt, und – in einer die Interessen des Gewässereigentümers berührenden Höhe (§ 905 Satz 2 BGB) – den Luftraum über dem Gewässer in Anspruch nimmt. Zudem kann, wie das BVerwG anmerkt, das Befahren eines Fließgewässers insbesondere mit motorisierten Schiffen im Gewässerbett zu Sedimentverlagerungen führen. Schiffsbedingter Wellenschlag könne die Stabilität des Ufers beeinträchtigen. Der Gewässergrund werde auch zum Ankern in Anspruch genommen. Ein gesunkenes Schiff bleibe bis zu seiner Bergung auf dem Gewässergrund liegen. Schiffsbedingte Verunreinigungen der fließenden Welle könnten sich auf die Sohle und das Ufer des Gewässers auswirken. Überdies weist das BVerwG darauf hin, dass die Schiffbarkeit auch mit einer anderweitigen Benutzung des Luftraums über dem Gewässer, z.B. für den Bau einer Brücke, in Konflikt geraten kann. Ob derartige Gefahren und Konflikte im konkreten Fall tatsächlich zu besorgen sind, ist für die Frage, ob der Eigentümer des Gewässergrundstücks die Unterlassung einer öffentlich-rechtlich nicht zugelassenen Schifffahrt verlangen kann, ohne Bedeutung und erst recht für die Klagebefugnis, d.h. die mögliche Verletzung des Klägers in eigenen Rechten (§ 42 Abs. 2 VwGO), unerheblich (BVerwG, Urteil vom 24.05.2018 – 3 C 18.16, Rn. 17).
Die Zulassung eines Gewässers zur Schifffahrt durch eine behördliche Schiffbarkeitserklärung berührt somit die Rechtsstellung des Gewässereigentümers. Infolge einer solchen Zulassung verliert er seine Abwehrrechte gegenüber der Nutzung des Gewässers durch Dritte zu Schifffahrtszwecken; er muss diese Nutzung nunmehr dulden (BVerwG, Urteil vom 24.05.2018 – 3 C 18.16, Rn. 18).
Nach der Erkenntnis des BVerwG steht auch § 4 Abs. 4 WHG der Klagebefugnis des Gewässereigentümers nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift haben Eigentümer und Nutzungsberechtigte von Gewässern die „Benutzung“ durch Dritte zu dulden, soweit für die Benutzung eine behördliche Zulassung erteilt worden oder eine behördliche Zulassung nicht erforderlich ist. Zweifelhaft ist schon die Frage, ob diese Vorschrift auf die Nutzung eines Gewässers für Schifffahrtszwecke anwendbar ist; denn das Befahren mit Schiffen stellt keine wasserwirtschaftliche „Benutzung“ im Sinne des § 9 WHG, sondern eine Nutzung des Gewässers als Verkehrsweg dar. Das BVerwG hat diese Frage offengelassen und – die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 4 WHG unterstellt – darauf hingewiesen, dass der Gewässereigentümer hiernach die Schifffahrt nur dulden müsste, soweit dafür eine behördliche Zulassung entweder erteilt worden oder nicht erforderlich ist. Beides sei in Bayern bei einem fließenden oberirdischen Gewässer bis zum Erlass einer Schiffbarkeitserklärung nach Art. 28 Abs. 1 oder 4 BayWG nicht der Fall, da es sich bei der streitgegenständlichen Schifffahrt nicht um eine gemeingebräuchliche, sondern um eine zulassungsbedürftige Nutzung handele (BVerwG, Urteil vom 24.05.2018 – 3 C 18.16, Rn. 22).
Für die Anfechtung der allgemeinen Schiffbarkeitserklärung verfügt der Gewässereigentümer daher über die verwaltungsprozessuale Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Hierfür genügt bei der Anfechtungsklage, dass der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Dazu ist in tatsächlicher Hinsicht erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Kläger Tatsachen vorträgt, die es denkbar und möglich erscheinen lassen, dass er durch den Verwaltungsakt in einer eigenen rechtlich geschützten Position beeinträchtigt ist (BVerwG, Urteil vom 24.05.2018 – 3 C 18.16, Rn. 24; so auch die ständige Rechtsprechung).
Von diesen Erkenntnissen ausgehend, hat das BVerwG in dem zugrunde liegenden Streitfall die Klagebefugnis der Gewässereigentümerin bejaht und deren Klage für zulässig erachtet. Die Zuerkennung der Klagebefugnis ist hier – so das BVerwG – auch durch die Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG geboten (BVerwG, Urteil vom 24.05.2018 – 3 C 18.16, Rn. 28).
Ob die erhobene Klage der Gewässereigentümerin auch als begründet anzusehen ist, vermochte das BVerwG mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen nicht abschließend zu entscheiden. In materiell-rechtlicher Hinsicht hat das BVerwG indessen darauf hingewiesen, dass die allgemeine Schifffahrt auf einem oberirdischen Gewässer nach dem auch für eine Schiffbarkeitserklärung geltenden bundesrechtlichen Maßstab des Art. 14 Abs. 1 und 2 GG jedenfalls nur dann zugelassen werden darf, wenn dies durch darzulegende, die Belange des Gewässereigentümers überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (BVerwG, Urteil vom 24.05.2018 – 3 C 18.16, Rn. 30).
Rechtspraktische Konsequenzen:
Das wiedergegebene Urteil des BVerwG hat eine weit über den entschiedenen Streitfall hinausreichende Bedeutung. Mit der zuerkannten Klagebefugnis des Gewässereigentümers ist dessen Rechtsposition im gesamten Wasserrecht aufgewertet worden. Dies gilt vor allem für sämtliche Beeinträchtigungen des Gewässerbettes und des Ufers, insbesondere auch für Verunreinigungen, die sich auf die Sohle, die Sedimente und die Ufer des betroffenen Gewässers auswirken. Gegenteilige Aussagen früherer Gerichtsentscheidungen (so z.B. Hessischer VGH, Urteil vom 01.09.2011 – 7 A 1736/10 – bezüglich des einfachgesetzlichen Gewässereigentums) sind damit überholt.
Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte
Das dazu gehörige Fachseminar ist in der Seminarwelt des IWU Magdeburg auffindbar.