Gewerbliche Sammlungen: Vergabe der Abfallentsorgung

Vergabe der Abfallentsorgung genügt als solche nicht für die Untersagung gewerblicher Sammlungen

 

Die §§ 17, 18 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) eröffnen ihrem Wortlaut nach Abfallbehörden die Möglichkeit, gewerbliche Sammlungen zu beschränken oder zu untersagen, wenn die Vergabe von Abfallentsorgungsleistungen geschützt werden soll. Nach § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG ist nämlich eine „wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (…) insbesondere anzunehmen, wenn durch die gewerbliche Sammlung (…) die diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsleistungen im Wettbewerb erheblich erschwert oder unterlaufen wird.“. Die Vorschrift des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG ist zunehmend Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Jüngst hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH B.-W.) mit Beschluss vom 04.03.2014 – 10 S 1127/13 – seine Rechtsprechung zu § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG fortgesetzt, die er mit dem Beschluss vom 09.09.2013 – 10 S 1116/13 – begonnen hatte. Zu der Frage, inwieweit eine öffentliche Auftragsvergabe zur Untersagung gewerblicher Sammlungen berechtigt, hatte zuvor auch das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) mit Urteil vom 15.08.2013 – 20 A 2798/11 Stellung genommen. In diesen Entscheidungen ist die Tendenz zu einer restriktiven Auslegung des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG zu erkennen, auch wenn die Beschlüsse des VGH B.-W. zum Teil missverständliche Passagen enthalten.

 

In seinen Beschlüssen vom 04.03.2014 und vom 09.09.2013 hatte der VGH B.-W. unter anderem über die Frage zu entscheiden, ob eine gewerbliche Sammlung untersagt werden darf, wenn die betreffende Entsorgungsleistung zuvor ausgeschrieben worden war und auch in Zukunft ausgeschrieben werden soll.

 

Die Erschwerung einer zukünftigen Vergabe im Sinne der ersten Tatbestandsalternative von § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG konnte der VGH B.-W. jeweils nicht erkennen. Dies begründet das Gericht damit, dass die Behörde jeweils keine Einzelheiten einer künftigen, erst nach Ende der mit dem erfolgreichen Bieter vereinbarten Vertragslaufzeit durchzuführenden Vergabe vortragen konnte. Ein künftiges Vergabeverfahren müsse wenigstens konkret in Aussicht stehen, um dessen Erschwerung überhaupt hinreichend beurteilen zu können. § 17 Abs. 3 Satz 3 Alt. 1 KrWG erlaube es nicht, rein prophylaktisch gewerbliche Sammler vom Markt zu verdrängen. Ein anderes Verständnis der Vorschrift liefe darauf hinaus, dass gewerbliche Sammlungen per se ausgeschlossen wären, wenn sich öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger an Stelle der Eigenwahrnehmung von Abfallentsorgungsaufgaben für eine – ausschreibungspflichtige – Drittbeauftragung i.S.d. § 22 KrWG entscheiden würden. Dies wiederum hätte einen gesetzes- und europarechtswidrigen absoluten Schutz vor Konkurrenz zur Folge.

 

Auch das Vorliegen des Unterlaufens einer Vergabe, das § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG in seiner zweiten Tatbestandsalternative regelt, lehnte der VGH B.-W. jeweils ab. Der Tatbestand sei nicht erfüllt, weil es jeweils an einer rechtmäßigen Vergabe in der Vergangenheit fehlte. Zu diesem Ergebnis gelangt der VGH B.-W., nachdem er eine – allein an nationalem Recht orientierte – Auslegung des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 vorgenommen hat. Nach Auffassung des Gerichts privilegiert eine Vergabe von Entsorgungsleistungen den erfolgreichen Bieter monopolartig, so dass jegliche Konkurrenz durch gewerbliche Sammler während der Vertragslaufzeit unzulässig ist. Geschützt werde das berechtigte Vertrauen des erfolgreichen Bieters in die Angebotskalkulation des Auftraggebers; vertraut werden dürfe auf die Exklusivität der Entsorgungsleistung während der Vertragslaufzeit und auf die Vertragstreue des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers.

 

Der vorbezeichnete Schutz, so der VGH B.-W, bestehe jedoch nur bei einer rechtmäßigen Auftragsvergabe, d.h. einem ordnungsgemäß durchgeführten Vergabeverfahren. Daran fehlte es jedoch im jeweils entschiedenen Fall, so dass die streitgegenständlichen Untersagungsverfügungen nicht auf § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 Alt. 2 KrWG gestützt werden konnten. Vor diesem Hintergrund konnte der VGH B.-W. offen lassen, ob eine Monopolisierung von Entsorgungsleistungen bei dem erfolgreichen Bieter – die das Gericht in § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 Alt. 2 KrWG hineinlesen will – überhaupt europarechtlich zulässig ist.

 

Die Entscheidungen des VGH B.-W. sind im Grundsatz zu begrüßen, stellen sie doch – insoweit im Einklang mit Gesetzeswortlaut und -systematik sowie dem Willen des Gesetzgebers – hohe Anforderungen an eine Berufung auf § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG. Mit dem VGH B.-W. ist daher davon auszugehen, dass

 

– das Erschweren einer Vergabe (§ 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 Alt. 1 KrWG) nur dann in Betracht kommt, wenn das geplante Vergabeverfahren konkret in Aussicht steht und die Behörde Einzelheiten zu der geplanten Vergabe darlegen kann, und dass

 

– das Unterlaufen einer Vergabe (§ 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 Alt. 2 KrWG) jedenfalls dann ausscheidet, wenn das Vergabeverfahren, auf dessen Schutz sich die Behörde beruft, nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist.

 

Nicht gefolgt werden kann dem VGH B.-W. aber insofern, als er aus § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 Alt. 2 KrWG ein „relatives Monopol“ erfolgreicher Bieter ableiten will; der erfolgreiche Bieter solle damit vor jeglicher Konkurrenz durch gewerbliche Sammler geschützt werden. Auf Grundlage dieser weiten Auslegung fordert der VGH B.-W., dass das betreffende Vergabeverfahren zumindest ordnungsgemäß durchgeführt worden sein müsse.

 

Diese Formulierungen verdienen zunächst deshalb Kritik, weil sich das Erfordernis eines rechtmäßigen Vergabeverfahrens bereits aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG ergibt, ohne dass Überlegungen zu einem „relativen Monopol“ überhaupt notwendig wären. § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG knüpft nämlich an die „diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsleistungen“ an. Von einer solchen Vergabe kann nur bei einem ordnungsgemäßen Vergabeverfahren gesprochen werden. Eine fehlerhafte Vergabe wird kaum jemals diskriminierungsfrei und transparent sein können.

 

Die Rechtsprechung des VGH B.-W. ist aber vor allem deshalb kritikwürdig, weil sie suggeriert, dass – sofern denn eine Vergabe ordnungsgemäß durchgeführt worden ist – alle anderen Sammler außer dem erfolgreichen Bieter zu dessen Gunsten vom Markt verdrängt werden dürften. Diese Annahme wäre unter keinem Gesichtspunkt rechtlich haltbar.

 

Zunächst dürfen bereits die Entscheidungsgründe des VGH B.-W. nicht in diesem Sinne verstanden werden. Das Gericht konnte nämlich die Europarechtswidrigkeit des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 Alt. 2 KrWG – bei Auslegung in Richtung eines monopolartigen Schutzes erfolgreicher Bieter – nur deshalb offen lassen, weil die Vorschrift mangels ordnungsgemäßer Ausschreibung nicht anwendbar war. Im Falle einer Anwendbarkeit wird ihre Vereinbarkeit mit Europarecht zu prüfen und – bei Auslegung im Sinne eines „relativen Monopols“ – abzulehnen sein. Es sind nämlich keine Gesichtspunkte erkennbar, welche eine derartige Beschränkung zu Lasten der gewerblichen Sammler rechtfertigen könnten. Insbesondere wäre ein „relatives Monopol“ des erfolgreichen Bieters kaum jemals erforderlich, um die Erfüllung von Entsorgungsaufgaben der öffentlichen Verwaltung sicherzustellen.

 

Entgegen der Auffassung des VGH B.-W. steht aber bereits das nationale Recht einer Auslegung des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 Alt. 2 KrWG entgegen, wonach diese Vorschrift erfolgreiche Bieter vor jeglicher gewerblichen Konkurrenz schützt. Bereits die Systematik des § 17 Abs. 3 KrWG ergibt, dass eine behördliche Berufung auf § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG nur dann in Betracht kommt, wenn die öffentlich-rechtliche Abfallentsorgung insgesamt beeinträchtigt wird; bloße Auswirkungen auf einen bestimmten Bieter genügen nicht. § 17 Abs. 3 KrWG – d.h. insoweit auch Nr. 3 – schützt nämlich die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Abfallentsorgung. § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG schützt damit nicht etwa einzelne Wettbewerber, sondern allein die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Entsorgungspflicht.

 

Zu dieser Auslegung ist auch das OVG NRW in seinem eingangs zitierten Urteil vom 15.08.2013 gelangt. Mit dem OVG NRW ist daher für eine Berufung auf § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG zu fordern, dass die Behörde darlegt, aus welchen Gründen die Funktionsfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgung gefährdet ist bzw. warum der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger oder der Drittbeauftragte wesentlich beeinträchtigt sein soll.

 

Der bloße Umstand, dass Entsorgungsleistungen ausgeschrieben oder vergeben worden sind, kann nicht genügen, um eine solche Annahme zu rechtfertigen. Dies wird zumindest dann gelten müssen, wenn das Einnahmepotential aus einer bestimmten Abfallfraktion wie z.B. Altkleidern nur einen geringen Anteil der Gesamterlöse aus der Abfallwirtschaft eines öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers bzw. Drittbeauftragen ausmacht, wie es bei der Entscheidung des VGH B.-W. vom 04.03.2014 der Fall war. Dort standen den gesamten von der Stadt Mannheim im Haushaltsplan angegebenen Erlösen aus der Abfallwirtschaft in Höhe von über 50 Mio. Euro Einnahmeausfälle in Höhe von 167.000 Euro gegenüber, welche die Stadt Mannheim bei Durchführung der gewerblichen Sammlung befürchtet hatte. Bei diesem Verhältnis, bei dem die befürchteten Verluste allenfalls rund 0,3 % der Gesamterlöse ausmachten, konnte der VGH B.-W. nicht erkennen, dass die Abfallentsorgung gefährdet wäre.

 

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte