Drittschutz durch Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzungen

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Urteil vom 09.08.2018 – 4 C 7.17 – klargestellt, dass Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzungen drittschützende Wirkung zukommt, wenn sie nach dem Planungskonzept Bestandteil eines wechselseitigen nachbarlichen Austauschverhältnisses sind. Dies gelte auch dann, wenn der Bebauungsplan aus einer Zeit vor 1960 stammt, in der man an einen nachbarlichen Drittschutz noch nicht gedacht hatte.

In dem vom BVerwG entschiedenen Fall wandte sich der Kläger gegen von der Beklagten in Aussicht gestellte Befreiungen in einem der Beigeladenen erteilten Bauvorbescheid. Der Kläger und die Beigeladene waren Eigentümer benachbarter, direkt am großen Wannsee gelegener Ufergrundstücke. Beide Grundstücke liegen im Bereich eines Bebauungsplans, der das Gebiet als Sonderzweckfläche für den Wassersport ausweist. In den Planergänzungsbestimmungen ist für diese Sonderzweckfläche u.a. als Maß der baulichen Nutzung eine größte Baumasse von 1,0 m³ umbauten Raumes je Quadratmeter Baugrundstück und als zulässige Geschosszahl 2 Vollgeschosse festgesetzt.

Die Beigeladene plante auf ihrem Grundstück ein Gebäude mit 6 Vollgeschossen und einer Baumasse von 4,3 m³. Eine entsprechende Befreiung war ihr im Bauvorbescheid in Aussicht gestellt worden.

Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt, das Oberverwaltungsgericht (OVG) wies die Berufung der Beigeladenen zurück. Die vom OVG zugelassene Revision der Beigeladenen blieb ohne Erfolg:

Die vom Beklagten in Aussicht gestellte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans sei rechtswidrig, da die Abweichung zum einen die Grundzüge der Planung berühre und zum anderen den Kläger in seinen Rechten als Grundstücksnachbar verletze.

Es sei zentrales Anliegen des Plangebers gewesen, insbesondere durch die Beschränkungen der Vollgeschosse, aber auch die Beschränkung der Baumassenzahl, das Landschaftsbild an dieser herausragenden Stelle zu schützen und den Gebietscharakter zu erhalten, wobei es um die Stärkung von Grünflächen und die Begrenzung der Bebauung gegangen sei. Dem Vorhaben des Beigeladenen wäre insofern eine Schlüsselfunktion für eine neue städtebauliche Ordnung zugekommen, die den Grundzügen der ursprünglichen Planung widersprochen hätte.

Des Weiteren sei der nachbarschützende Charakter der Maßfestsetzungen unmittelbar aus dem Bebauungsplan abzuleiten. Das BVerwG folgte insofern dem OVG darin, dass Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung auch dann drittschützende Wirkung entfalten können, wenn der Bebauungsplan aus einer Zeit vor 1960 stammt, in der man ganz allgemein an einen nachbarlichen Drittschutz noch nicht gedacht hatte: Stehen Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung nach der Konzeption des Plangebers in einem wechselseitigen, die Planbetroffenen zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbindenden Austauschverhältnis, kommt ihnen nach ihrem objektiven Gehalt Schutzfunktion zu Gunsten der an dem Austauschverhältnis beteiligten Grundstückseigentümer zu. Dies verpflichte und berechtige die Beteiligten zur Wahrung des Gebietscharakters gleichermaßen und gelte auch, wenn der Plangeber die Rechtsfolge einer nachbarschützenden Wirkung der Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung zum Zeitpunkt der Planaufstellung nicht in seinen Willen aufgenommen hatte.

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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