Am 31.03.2017 hat der Bundesrat die Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) in der Fassung der BR-Drs. 144/16 beschlossen. Damit zeichnet sich das Ende eines langwierigen Rechtssetzungsverfahrens ab: Der Bundesrat hatte schon am 23.05.2014 beschlossen, einer zielgleichen Verordnung der Bundesregierung nach Maßgabe von diversen Änderungen zuzustimmen. Das Verfahren zum Erlass der AwSV war dann allerdings auch wegen politischer Auseinandersetzungen um die vom Bundesrat geforderten Regelungen zu Jauche-, Gülle- und Silagesickersaft-anlagen (sogenannte JGS-Anlagen) verzögert worden. Am 18.03.2016 schließlich hatten die Länder Bayern und Rheinland-Pfalz unter der BR-Drs. 144/16 einen überarbeiteten Entwurf der AwSV als Kompromisslösung vorgelegt.
Seit Änderung des Grundgesetzes zum 01.09.2006 hat der Bund eine sogenannte abweichungsfeste Vollkompetenz für das stoff- und anlagenbezogene Wasserrecht, infolge derer von Bundesrecht abweichende stoff- und anlagenbezogene Regelungen durch die Bundesländer ausgeschlossen sind. § 62 Abs. 4 des neuen Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) in der Fassung vom 31.07.2009 ermächtigt zu diesem Zweck die Bundesregierung zum Erlass von (Bundes)Rechtsverordnungen, welche die Anforderungen an den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen konkretisieren. Insgesamt war es eines der Ziele der Verfassungsänderung und des neuen WHG, die rechtlichen Grundlagen dafür zu schaffen, die bisherige „Kleinstaaterei“ im anlagenbezogenen Gewässerschutz – noch existieren sechzehn, teilweise voneinander abweichende Landesverordnungen über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (VAwS) – durch ein bundesweit geltendes, einheitliches Rechtsregime ablösen zu können. Dies soll nun durch die AwSV erfolgen.
Auch wenn die AwSV in nicht unerheblichem Maß Regelungen aus den VAwS’en der Länder übernimmt und dementsprechend viel „Vertrautes“ beinhaltet, enthält sie gleichwohl beachtliche Neuerungen. Über einige soll im Folgenden berichtet werden:
Einstufung von Stoffen und Gemischen
Aus dem Kapitel 2 der AwSV („Einstufung von Stoffen und Gemischen“) hervorzuheben ist die Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 AwSV, wonach bestimmte Stoffe und Gemische künftig als allgemein wassergefährdend gelten und daher nicht in die Wassergefährdungsklassen (WGK) 1 – 3 mit den sich daraus ergebenden besonderen rechtlichen Anforderungen eingestuft werden müssen. Dies gilt unter anderem für bestimmte Wirtschaftsdünger im Sinne des Düngegesetzes, bestimmte Gärsubstrate/ Gärreste sowie feste Gemische. Zu letzteren gehören auch feste Abfallgemische.
§ 3 Abs. 2 Satz 3 AwSV bestimmt, dass feste Gemische, bei denen insbesondere aufgrund ihrer Herkunft oder ihrer Zusammensetzung eine nachteilige Veränderung der Gewässereigenschaften nicht zu besorgen ist, nicht wassergefährdend sind und damit keinen Anforderungen nach der AwSV unterliegen. Nach der Verordnungsbegründung fallen hierunter etwa – auch wenn es sich um Abfälle handelt – Gesteine, Boden, Sägespäne, Verpackungskunststoffe, Glas und Papier, es sei denn, dass diese Materialien offensichtlich oder zielgerichtet mit wassergefährdenden Stoffen verunreinigt worden sind.
Unter den – anspruchsvollen – Voraussetzungen des § 10 AwSV kann der Anlagenbetreiber zudem ein festes Gemisch als nicht wassergefährdend einstufen.
Technische und organisatorische Anforderungen
Kapitel 3 der AwSV enthält technische und organisatorische Anforderungen an Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen. Neben den Vorgaben über die Einstufung von Stoffen und Gemischen in Kapitel 2 ist das Kapitel 3 aus der Sicht von Anlagenbetreibern sicherlich das „Herzstück“ der AwSV.
Neben allgemeinen Anforderungen, die grundsätzlich für alle Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen gelten, sind in Kapitel 3 für bestimmte Anlagentypen besondere Anforderungen in einem eigenen Abschnitt vorgesehen (§§ 25 – 38 AwSV). So sind unter den Voraussetzungen des § 13 AwSV die dort genannten Anlagen zur Lagerung und Behandlung bestimmter Abfälle von den technisch-organisatorischen Anforderungen des Kapitels 3 befreit. § 26 AwSV etwa enthält besondere Anforderungen an die Rückhaltung bei Anlagen zum Lagern, Abfüllen, Herstellen, Behandeln und Verwenden fester wassergefährdender Stoffe; unter bestimmten Voraussetzungen kann auf die üblicherweise sonst erforderlichen Rückhalteeinrichtungen für den Fall des Austritts wassergefährdender Stoffe verzichtet werden.
Ein weiterer Abschnitt innerhalb des Kapitels 3 enthält spezifische Anforderungen an Anlagen in Abhängigkeit von ihrer Zuordnung zu einer WGK (§§ 39 – 48 AwSV); insbesondere sind dort die ausdifferenzierten Überwachungs- und Prüfpflichten einschließlich Prüfzeitpunkten und – intervallen geregelt.
Insgesamt sind die kleinteiligen Regel-Ausnahme-Vorschriften des Kapitels 3 von einer gewissen Unübersichtlichkeit geprägt. Diese erfordert es, anlagenspezifisch die einschlägigen Anforderungen des Kapitels 3 zu identifizieren.
Übergangsvorschriften
Für die Anwendung in der Praxis von Bedeutung sind schließlich die – teilweise komplexen – Übergangsvorschriften in den §§ 66 – 73 AwSV.
Danach gelten für bestimmte Bestandsanlagen bis auf Weiteres die landesrechtlichen Vorschriften der jeweiligen VAwS weiter fort.
Die Übergangsvorschriften haben zudem Bedeutung für die Einstufung von Stoffen und Gemischen, für die Umsetzung insbesondere der technischen und organisatorischen Anforderungen – wobei zwischen sogenannten wiederkehrend prüfpflichtigen und nicht wiederkehrend prüfpflichtigen Anlagen unterschieden wird –, sowie für Prüffristen für bestehende Anlagen.
Angesichts der Komplexität der Übergangsvorschriften ist insoweit ebenfalls eine sorgfältige, anlagenbezogene Prüfung unabdingbar, um zu bestimmen, welche Anforderungen der VAwS ab wann durch einen Anlagenbetreiber – ggf. erst nach vorheriger Aufforderung durch die Behörde – umgesetzt werden müssen.
Speziell: JGS-Anlagen
Die am 31.03.2017 beschlossenen Regelungen zu JGS-Anlagen, welche das Verfahren zum Erlass der AwSV mit verzögert haben, wurden weitestgehend aus dem Beschluss des Bundesrats vom 23.05.2014 übernommen.
Für bestehende JGS-Anlagen ist nunmehr allerdings ein weitreichender Bestandsschutz vorgesehen. Beispielsweise soll für Bestandsanlagen grundsätzlich die Sachverständigenprüfpflicht nicht eingreifen, es sei denn, dass ein Verdacht erheblicher oder gefährlicher Mängel vorliegt oder für die Anlage bereits in der Vergangenheit eine entsprechende Prüfpflicht aufgrund landesrechtlicher Regelungen galt. Zudem sollen technische oder organisatorische Anpassungsmaßnahmen bei Anlagen, die den technischen Anforderungen nach der AwSV (Nr. 2 bis 4 und 5.2 der Anlage 7 zur AwSV) nicht genügen, erst ab einem Volumen von 1.500 m3 angeordnet werden dürfen; ausgeschlossen sind dabei die Stilllegung der Anlage und Anpassungsmaßnahmen, die einer Neuerrichtung gleichkommen.
Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte
Das dazu gehörige Fachseminar ist in der Seminarwelt des IWU Magdeburg auffindbar.