Bundesregierung beschließt POPAbfall-Überwachungs-Verordnung

Die Verordnung (EG) Nr. 850/2004 (sog. EU-POP-Verordnung) bestimmt, dass Abfälle, welche die in ihrem Anhang IV aufgeführten persistenten organischen Schadstoffe (engl.: persistent organic pollutants, kurz: POP) in bestimmten Konzentrationen enthalten, so verwertet oder beseitigt werden müssen, dass eine Zerstörung oder unumkehrbare Umwandlung der POP stattfindet. Um die Überwachung dieser unionsrechtlichen Pflicht sicherzustellen, stufte eine am 11.03.2016 in Kraft getretene Änderung der Abfallverzeichnisverordnung (AVV) durch eine dynamische Verweisung auf die EU-POPVerordnung alle betroffenen Abfälle als gefährlich ein. Diese Abfälle sollten damit dem abfallrechtlichen Nachweisverfahren unterworfen werden. In der Praxis verursachte die Neuregelung, die in dieser Form unionsrechtlich nicht geboten war, allerdings erhebliche Entsorgungsprobleme bei Abfällen – insbesondere Dämmstoffen –, die den unter die EU-POPVerordnung fallenden Stoff Hexabromcyclododecan (HBCD) enthalten. Der entstandene „Entsorgungsnotstand“ veranlasste den Verordnungsgeber im Dezember 2016, die Notbremse zu ziehen und im Rahmen eines sog. Moratoriums die Einstufung von HBCD-haltigen Abfällen als gefährlich zunächst befristet auf ein Jahr zu revidieren. Eine umfassende und dauerhafte Lösung für den Umgang mit POPhaltigen Abfällen soll nun eine speziell für diese Abfälle neu geschaffene Verordnung bringen, die von der Bundesregierung am 07.06.2017 beschlossen wurde. Vor ihrem Inkrafttreten ist allerdings noch die Zustimmung des Bundesrates erforderlich.

Kernstück der „Verordnung zur Überwachung von nicht gefährlichen Abfällen mit persistenten organischen Schadstoffen und zur Änderung der Abfallverzeichnis- Verordnung“ ist die Einführung einer neuen POP-Abfall-Überwachungsverordnung. Diese übernimmt für die in ihren Anwendungsbereich fallenden Abfälle (sog. POP-haltige Abfälle) bestimmte Regelungen aus dem Bereich der gefährlichen Abfälle. Im Gegenzug wird die Einstufung POP-haltiger Abfälle in der AVV als gefährlich auf eine 1:1-Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben reduziert. Die in der AVV von 2016 vorgesehene dynamische Verweisung auf die EU-POPVerordnung soll also wieder entfallen und es werden nur noch die 16 im Europäischen Abfallverzeichnis aufgelisteten POPhaltigen Abfälle als gefährlich eingestuft.

Im Zentrum der POP-Abfall-Überwachungs-Verordnung (POP-Abfall-ÜberwV) steht der Begriff „POP-haltiger Abfall“. Dabei handelt es sich nach der Grundregel des § 2 Nr. 1 POP-Abfall-ÜberwV um einen Abfall, der durch vier Merkmale gekennzeichnet ist: (1.) das Vorhandensein von POP im Sinne der EU-POP-Verordnung, wobei Verunreinigungen genügen, (2.) das Erreichen der Konzentrationsgrenzen nach der EU-POP-Verordnung, (3.) die Einstufung als nicht-gefährlicher Abfall und (4.) die Zugehörigkeit zu bestimmten AVV-Abfallschlüsseln. Erfasst ist davon etwa Dämmmaterial mit HBCD-haltigen Bestandteil, aber auch gemischte Bau- und Abfälle, die solche Materialien enthalten; in beiden Fällen gilt dies allerdings nur, sofern im jeweiligen Abfall bzw. Abfallgemisch die Konzentrationsgrenzen nach der EU-POP-Verordnung erreicht werden.

Von den gemischt anfallenden Abfällen, deren „POP-Haltigkeit“ sich nach § 2 Nr. 1 POP-Abfall-ÜberwV bemisst, zu unterscheiden sind Abfallgemische, die durch eine (beabsichtigte oder unbeabsichtigte) Vermischung in einer Anlage entstehen. Für diese enthält § 2 Nr. 2 POP-AbfallÜberwV eine Sonderregelung, nach der in Anlagen anfallende Gemische unabhängig von den Konzentrationsgrenzen der EU-POP-Verordnung POP-haltige Abfälle sind, wenn diese Gemische POP-haltige Abfälle als Bestandteil enthalten. Mit anderen Worten: Werden POP-haltige Abfälle in einer Anlage mit anderen Materialien vermischt, ist auch das entstehende Gemisch ein POP-haltiger Abfall im Sinne der Verordnung; dies gilt selbst dann, wenn das Gemisch als solches keine Konzentrationsgrenze erreicht. Die Konzentrationsgrenzen sind für solche Gemische demnach nur insoweit von Bedeutung, als es um die Frage geht, ob ein darin enthaltener Bestandteil im Sinne von § 2 Nr. 1 POP-Abfall-ÜberwV POP-haltig ist. Durch diese Regelung soll gewährleistet werden, dass die Überwachung nach der POPAbfall-ÜberwV nicht bereits in der (Vorbehandlungs-) Anlage endet, in der die Vermischung stattfindet, sondern bis zum Abschluss der Entsorgung bestehen bleibt.

Die gleiche Zielsetzung verfolgt auch die zweite Sonderregelung in § 2 Nr. 3 POPAbfall-ÜberwV, welche Vorbehandlungen durch Sortierung betrifft. Danach sind in einer Anlage aussortierte Abfälle unter den Voraussetzungen des § 2 Nr. 1 POPAbfall-ÜberwV ebenfalls POP-haltige Abfälle, wobei allerdings anstelle der Einstufung unter einen der in § 2 Nr. 1 Buchstabe d) POP-Abfall-ÜberwV genannten Abfallschlüssel (nur) gefordert wird, dass der aussortierte Abfall nach Art und Zusammensetzungen einer dort genannten Abfallart entspricht.

Rechtsfolgen des Vorliegens eines POPhaltigen Abfalls sind ein Getrennthaltungsgebot und Vermischungsgebot nach § 3 POP-Abfall-ÜberwachV sowie Nachweis- und Registerpflichten nach §§ 4 und 5 POP-Abfall-ÜberwachV.

Das Getrennthaltungsgebot (§ 3 Abs. 1 POP-Abfall-ÜberwachV) soll die Grundpflichten der Abfallentsorgung nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz einschließlich der Abfallhierarchie umsetzen und gilt für die Sammlung und Beförderung POPhaltiger Abfälle. Wie bereits in der neuen Gewerbeabfallverordnung soll der Sammlungsbegriff dabei auch und gerade die getrennte Erfassung des Abfalls durch den Erzeuger umfassen, also z.B. auch die Erfassung auf einer Baustelle. Dabei dürfte es sich bei dem Getrennthaltungsgebot nach § 3 Abs. 1 POP-Abfall-ÜberwachV um eine Spezialregelung gegenüber der Gewerbeabfallverordnung handeln, sodass deren Vorschriften über gewerbliche Siedlungsabfälle sowie Bau- und Abbruchabfälle – jedenfalls soweit es um die Getrennthaltung geht – auf POP-haltige Abfälle nicht anwendbar sind. Damit dürften für diese Abfälle auch die besonderen Dokumentationspflichten der Gewerbeabfallverordnung entfallen.

Das Vermischungsverbot nach § 3 Abs. 2 bis 4 POP-Abfall-ÜberwachV entspricht im Wesentlichen der für gefährliche Abfälle geltenden Vorschrift des § 9 Abs. 2 KrWG. Zulässig ist die Vermischung nach § 3 Abs. 3 POP-Abfall-ÜberwachV ausnahmsweise dann, wenn diese in einer hierfür zugelassenen Anlage erfolgt, sichergestellt ist, dass das gesamte Gemisch ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder gemeinwohlverträglich beseitigt wird und das Vermischungsverfahren dem Stand der Technik entspricht. Diese Ausnahme ermöglicht etwa eine gezielte Mischung in einer Anlage, um einen POP-haltigen Abfall der Verbrennung zuzuführen.

Auch die Vorschriften über die Nachweis- und Registerpflichten sind im Wesentlichen den entsprechenden Regelungen für gefährliche Abfälle nachgebildet, insbesondere finden infolge von Verweisungen in der POP-Abfall-ÜberwachV grundsätzlich die Regelungen der Nachweisverordnung auf POP-haltige Abfälle Anwendung. Übernommen wurden auch die Ausnahmen von der Nachweispflicht bei einer Entsorgung in eigenen Anlagen, sofern diese in einem engen räumlichen und betrieblichen Zusammenhang mit der Anfallstelle stehen, bei einer vorgeschriebenen Rücknahme im Rahmen der Produktverordnung bis zum Abschluss der Rücknahme sowie für die Überlassung von Elektroaltgeräten an Einrichtungen zur Erfassung und Erstbehandlung; im Falle einer freiwilligen Rücknahme besteht eine Freistellungsmöglichkeit entsprechend § 26 Abs. 3 KrWG. Einen wichtigen Unterschied zum allgemeinen Nachweisrecht gibt es allerdings beim Sammelentsorgungsnachweis: Hier entfällt für POPhaltige Abfälle die Mengenbeschränkung von 20 Tonnen je Abfallschlüssel und Kalenderjahr nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 NachwV, sodass eine Sammelentsorgung bei POP-haltigen Abfällen unabhängig von der anfallenden Abfallmenge zulässig ist. Verstöße gegen die Nachweis- und Registerpflichten stellen nach § 6 POPAbfall-ÜberwachV Ordnungswidrigkeiten dar.

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

Das dazu gehörige Fachseminar ist in der Seminarwelt des IWU Magdeburg auffindbar.