Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a.M. hat mit Beschluss vom 01.10.2020 (Az. 11 Verg 9/20) zugunsten eines Bieters entschieden, der von einer in einem ausgeschriebenen Entsorgungsvertrag vorgesehenen Preisanpassungsklausel keinen Gebrauch machen wollte, und nur einen Festpreis für die gesamte Vertragslaufzeit angeboten hatte.
Sachverhalt
Mit europaweiter Bekanntmachung schrieb ein öffentlicher Auftraggeber die Sammlung und den Transport verschiedener Abfallfraktionen im offenen Verfahren aus. Der Vertrag sah eine Laufzeit von maximal 8 Jahren vor. Nach den Bewerbungsbedingungen war, im Hinblick auf eine im abzuschließenden Entsorgungsvertrag vorgesehene Preisanpassungsklausel, die tatsächliche prozentuale Gewichtung einzelner Kostenbestandteile anzugeben. Die Summe der anzugebenden Zahlenwerte musste dabei einschließlich eines Fixkostenanteils, der mindestens 30 % betragen musste, 100 % ergeben. Ein Bieter trug in seinem Angebot unter der Rubrik „Fixkosten“ 100 %, bei den anderen Kostengruppen jeweils 0 % ein. Der Auftraggeber beabsichtigte, auf das Angebot dieses Bieters den Zuschlag zu erteilen.
Auf Antrag eines unterlegenen Bieters entschied die Vergabekammer Hessen, dass das Fixkostenangebot zwingend auszuschließen sei, da es von den Vorgaben der Bewerbungsbedingungen abweiche. Die kalkulierten Kosten hätten den vorgegebenen Kostenbestandteilen zugeordnet und anschließend im Verhältnis zu ihrem Anteil an den angebotenen Entgelten gewichtet angegeben werden müssen. Dies beträfe vor allem Kraftstoff- und Fahrzeugkosten sowie Personalkosten, die im Angebot als variable Preisanteile hätten ausgewiesen werden müssen. Gegen die Entscheidung der Vergabekammer wurde Beschwerde zum OLG erhoben.
Entscheidung
Das OLG gab der sofortigen Beschwerde statt. Das Angebot der Beigeladenen sei nicht wegen einer unzulässigen Änderung der Vergabeunterlagen von der Wertung auszuschließen gewesen. Der Bieter sei seiner Pflicht zur vollständigen Angabe der von ihm geforderten Preise nachgekommen. Es liege keine Abweichung zwischen der tatsächlichen und der angegebenen Gewichtung im Angebot des Bieters vor, da der Bieter auch tatsächlich, unter dem Gesichtspunkt eines Festpreisangebotes, für alle Teilbereiche und alle Kostengruppen den Anteil der Fixkosten mit 100% angenommen habe.
Eine Abweichung von den Vergabeunterlagen liege auch nicht vor, weil nicht zwingend variable Preisanteile gefordert worden wären. Ein Ausschluss komme nur dann in Betracht, wenn die Angaben in den Vergabeunterlagen, von denen das Angebot eines Bieters abweiche, eindeutig seien. Verstöße gegen interpretierbare oder missverständliche bzw. mehrdeutige Angaben rechtfertigten keinen Ausschluss. Die Bewerbungsbedingungen ließen auch die Auslegung zu, dass eine entsprechende Aufteilung nur dann erforderlich ist, wenn der Bieter tatsächlich von der Möglichkeit Preise anzupassen später Gebrauch machen will. Soweit jedoch während der Vertragslaufzeit keine Erhöhung stattfinden soll, erübrige sich die Aufteilung in verschiedene Kostenbestandteile. Es obliege der Kalkulationshoheit des einzelnen Bieters, welche Kostenbestandteile er in welchem Verhältnis als Fixkosten anbiete.
Praxishinweise
Das OLG stärkt erfreulicherweise die Kalkulationsfreiheit der Bieter. Nur wenn dies ausdrücklich ausgeschlossen ist und ausdrücklich variable Preise gefordert sind, ist der Bieter verpflichtet, im Angebot eine Aufteilung in verschiedene Kostenbestandteile vorzunehmen. Wenn aber, wie in dem entschiedenen Fall, nur die Möglichkeit besteht, variable Preise zu vereinbaren, kann der Bieter eben auch Fixpreise für die gesamte Vertragslaufzeit anbieten und auf eine Aufteilung verzichten. Ein entsprechendes Angebot darf – aus vergaberechtlichen Gründen – dann nicht ausgeschlossen werden.
Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte
Das dazu gehörige Fachseminar ist in der Seminarwelt des IWU Magdeburg auffindbar.