BGH verschärft die Strafbarkeit des „Compliance Officers“ – Anmerkungen zu dem Urteil vom 17.07.2009 – 5 StR 394/08

Mit seinem Urteil vom 17.07.2009 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es Aufgabe der sogenannten „Compliance Officers“ ist, Straftaten, die aus dem Unternehmen heraus begangen werden, zu verhindern. Für den Fall, dass diese Verhinderung misslingt, kann der „Compliance Officer“ strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, da ihn insoweit eine Garantenpflicht trifft.

In Frage standen der Betrugsvorwurf sowohl gegenüber dem Finanzvorstand als auch dem Leiter der Rechtsabteilung und der Innenrevision der Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR). Der Finanzvorstand veranlasste, dass der gesamte Vorstand und Aufsichtsrat einen fehlerhaften Tarif für die Straßenreinigung verabschiedete. Auf der Grundlage dieses fehlerhaften Tarifs forderte und erhielt BSR von 170.000 Eigentümern von Anliegergrundstücken überhöhte Gebühren in einer Größenordnung von 23 Millionen Euro. Der Finanzvorstand wurde in einem gesonderten Verfahren wegen Betrugs verurteilt.

Der Leiter der Rechtsabteilung und der Innenrevision, dessen strafrechtliche Verantwortlichkeit Gegenstand des Urteils vom 17 Juli 2009 war, hatte positive Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Tarifberechnung sowie von dem Verhalten des Finanzvorstandes. Er unterließ es, andere Vorstandsmitglieder respektive den Aufsichtsrat auf den Fehler bei der Tarifberechnung hinzuweisen. Der Bundesgerichtshof wertete dieses Unterlassen als eine strafbare Beihilfe zum Betrug des Finanzvorstandes und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe.

Diese Entscheidung hat in Fachkreisen insoweit für Aufsehen gesorgt, als durch diese höchstrichterliche Rechtsprechung – soweit ersichtlich – erstmals auch die rechtlichen Vorgaben für die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Compliance Officern genannt wurden, wobei der Bundesgerichtshof ausdrücklich betont hat, dass es den Angeklagten als Leiter der Rechtsabteilung und der Innenrevision nicht zu diesem Personenkreis rechnet.

Im Hinblick auf die „Compliance Officers“ hat der Bundesgerichtshof zunächst ausgeführt, dass sich eine strafrechtliche Garantenpflicht grundsätzlich aus der Übernahme von bestimmten Funktionen in einem Unternehmen ergeben kann. Diesbezüglich sei es im Hinblick auf den Inhalt und Umfang der Garantenpflicht erforderlich, den tatsächlichen Aufgabenbereich des Verpflichteten zu bestimmen.

Das Aufgabengebiet des „Compliance Officer“ zeichne sich dadurch aus, dass es gerade die Verhinderung von Rechtsverstößen, insbesondere auch Straftaten, die aus dem Unternehmen heraus begangen werden und diesem erhebliche Nachteile durch Haftungsrisiken oder Ansehensverlust bringen könne, umfasse. In Übereinstimmung mit diesem Aufgabenbereich treffe den „Compliance Officer“ daher die Garantenpflicht i.S.v. § 13 Abs. 1 StGB, solche im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Unternehmens stehende Straftaten von Unternehmensangehörigen zu verhindern. Dies sei die notwendige Kehrseite ihrer gegenüber der Unternehmensleitung übernommenen Pflicht, Straftaten zu unterbinden.

Der Bundesgerichtshof hat obiter dictum ausgeführt, dass Umweltbeauftragte – namentlich der Beauftragte für Gewässerschutz gem. §§ 21 a) ff. WHG, für Immissionsschutz gem. §§ 53 ff. BImSchG oder für Strahlenschutz gem. §§ 31 ff. StrahlenschutzVO – allein aufgrund dieser Funktion grundsätzlich gleichfalls eine Garantenpflicht treffe. Diese Garantenpflicht erschöpfe sich im Gegensatz zu dem Aufgabenbereich des „Compliance Officer“ allerdings darin, die unternehmensinternen Prozesse zu optimieren und gegen das Unternehmen gerichtete Pflichtverstöße aufzudecken und zukünftig zu verhindern. Insoweit begründet das Urteil des Bundesgerichtshofes keine erweiterte strafrechtliche Verantwortlichkeit der Umweltbeauftragten.

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte