BGH bestätigt Kündigungsrecht des Auftraggebers im Falle eines Eigeninsolvenzantrags durch den Auftragnehmer

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Grundsatzurteil vom 07.04.2016 (Az. VII ZR 56/15) die in Rechtsprechung und Literatur äußerst umstrittene Frage entschieden, dass das in § 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 VOB/B enthaltene Sonderkündigungsrecht des Auftraggebers im Falle eines Eigenantrags des Auftragnehmers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens weder insolvenzrechtlichen Vorschriften noch den Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen widerspricht.

 

Anlass für die bis dato unterschiedlichen Auffassungen zur Wirksamkeit des in einen Bauvertrag einbezogenen Sonderkündigungsrechts gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B waren aus insolvenzrechtlichen Gesichtspunkten die §§ 103, 119 Insolvenzordnung (InsO) i.V.m. § 134 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Aus diesen Vorschriften ergibt sich die Unwirksamkeit von Vereinbarungen, die das Wahlrecht des Insolvenzverwalters bei gegenseitigen Verträgen, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht oder noch nicht vollständig erfüllt wurden, ausschließen oder beschränken. Dieses Wahlrecht des Insolvenzverwalters erlaubt es ihm zu entscheiden, ob er die Erfüllung der wechselseitigen Vertragspflichten ablehnt oder die Durchführung des Vertrags verlangt. Es stellte sich daher die Frage, ob das Wahlrecht des Insolvenzverwalters beeinträchtigt würde, wenn der Auftraggeber bei Einbeziehung des in § 8 Abs. 2 VOB/B enthaltenen Sonderkündigungsrechts im Falle der Stellung eines Eigeninsolvenzantrags durch den Auftragnehmer die Möglichkeit erhält, den noch nicht erfüllten Bauvertrag vor Insolvenzeröffnung zu kündigen.

 

Gemäß dem nun ergangenen Urteil des BGH sind die in einen Bauvertrag einbezogenen Regelungen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B nicht gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen §§ 103, 119 InsO unwirksam. Das Sonderkündigungsrecht des Auftraggebers stellt keine unzulässige Beeinträchtigung des Wahlrechts des Insolvenzverwalters dar. Zur Begründung führt der BGH aus, eine Beeinträchtigung des Wahlrechts sei nicht gegeben, wenn sich dieses eng an eine gesetzliche Lösungsmöglichkeit anlehne. Dies sei bei § 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B der Fall. Denn die Kündigungsregelung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 VOB/B gehe – isoliert betrachtet – nicht weiter als die gesetzliche Kündigungsmöglichkeit nach § 649 Satz 1 BGB und habe daher nur deklaratorische Bedeutung. Nichts anderes ergebe sich bei einer Gesamtbetrachtung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 VOB/B mit den sich aus der Kündigung wegen eines Eigeninsolvenzantrags des Auftragnehmers ergebenden Rechtsfolgen gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B. Danach sind lediglich die ausgeführten Leistungen abzurechnen und der Auftraggeber kann Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Restes verlangen. Auch diese Rechtsfolgen gingen regelmäßig nicht weiter als die dem Auftraggeber im Falle eines Eigeninsolvenzantrags des Auftragnehmers gesetzlich und aufgrund Richterrechts zustehenden Rechte.

 

Darüber hinaus hat der BGH auch entschieden, dass die Regelungen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B nicht gemäß § 307 Abs. 1 und 2 BGB unwirksam sind. Zwar ist in der Einbeziehung dieser Regelungen der VOB/B durch den Auftragnehmer die Stellung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch den Auftragnehmer zu sehen, welche der Inhaltskontrolle für die Gestaltung von Schuldverhältnissen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß § 305 ff. BGB unterliegen. § 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B seien jedoch weder mit Grundgedanken gesetzlicher Regelungen unvereinbar noch würden sie den Auftragnehmer sonst unangemessen benachteiligen.

 

Mit dieser für die Praxis außerordentlich relevanten Entscheidung schafft der BGH Rechtssicherheit für den Auftraggeber. Wird von einem Auftragnehmer ein Eigeninsolvenzantrag gestellt, kann der Auftraggeber den Bauvertrag wegen der Stellung dieses Eigeninsolvenzantrags kündigen. Während im Falle einer freien Kündigung gemäß § 649 BGB der Auftragnehmer im Grundsatz seinen Anspruch auf die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen behält, hat der Auftragnehmer im Falle der Kündigung wegen der Stellung eines Eigeninsolvenzantrags nur einen Anspruch auf Vergütung der erbrachten Leistungen. Dem Auftraggeber steht ein Schadensersatzanspruch gegen den Auftragnehmer wegen der Mehrkosten einer Fertigstellung durch Dritte zu.

 

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte