Laufende Entsorgungsverträge in der Insolvenz

Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise haben auch die Entsorgungswirtschaft erreicht. So steigt insbesondere bei kleinen und mittelständigen Unternehmen das Risiko einer Insolvenz. Bestehen laufende Entsorgungsverträge mit einem Unternehmen, für das ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dies auf das Vertragsverhältnis und insbesondere auf die Verwirkung von Vertragsstrafen hat, die in Entsorgungsverträgen regelmäßig vereinbart werden.

An die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind eine Reihe von Rechtsfolgen geknüpft. Hervorzuheben ist zum einen, dass die Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen des Insolvenzschuldners auf einen Insolvenzverwalter übergeht. Dieser wird vom Insolvenzgericht im Eröffnungsbeschluss namentlich benannt und übernimmt die Verwaltung und Verwertung der Masse. Er informiert die Gläubiger des Insolvenzschuldners über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und fordert sie weiter auf, ihm ihre Forderungen gegen den Insolvenzschuldner anzumelden.

Soweit laufende Verträge noch nicht erfüllt sind, steht dem Insolvenzverwalter – soweit die Sonderregeln in §§ 104 ff. InsO nicht eingreifen – ein Wahlrecht zu, ob er diese Verträge fortführt oder die Erfüllung ablehnt, § 103 InsO. Der Insolvenzverwalter hat hierbei keine Frist zu beachten. Als Ausgleich steht dem Insolvenzgläubiger allerdings das Recht zu, den Insolvenzverwalter zur Ausübung seines Wahlrechts aufzufordern, was dieser dann unverzüglich vorzunehmen hat. Während dieser Entscheidungsphase befindet sich der laufende Vertrag in einem Schwebezustand.

Dieser Schwebezustand hängt damit zusammen, dass nach herrschender Auffassung sämtliche Ansprüche mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorläufig ihre Durchsetzbarkeit verlieren (BGH, Urt. v. 25.04.2002 – IX ZR 313/99). Laufende Vertragsverhältnisse werden dadurch bis zur Entscheidung des Insolvenzverwalter gewissermaßen „eingefroren“. Dieser Zustand lässt sich von Seiten eines Insolvenzgläubigers nur dadurch beenden, dass er den Insolvenzverwalter zu einer Erklärung über das weitere Schicksal des Vertrages auffordert.

Auf diese Aufforderung wird der Insolvenzverwalter regelmäßig mit Erfüllungsablehnung und/oder mit der Kündigung des Vertrages reagieren. Lehnt der Insolvenzverwalter die Erfüllung ab, erlöschen die gegenseitigen Erfüllungsansprüche und der Insolvenzgläubiger erhält einen Anspruch auf Schadenersatz statt der Leistung. Von Bedeutung ist dabei, dass etwaige Sicherheiten, die zur Absicherung des Erfüllungsanspruchs bestellt wurden, auch den Schadenersatzanspruch statt der Leistung mit abdecken.

Denkbar ist auch, dass der Insolvenzverwalter die Vertragserfüllung wählt. In diesem Fall erfahren die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag einen „Qualitätssprung“. Sie werden zu Masseforderungen und Masseverbindlichkeiten. Dies hat für den Insolvenzgläubiger den Vorteil, dass er grundsätzlich eine ungeschmälerte Gegenleistung erhält und nicht lediglich nach der Quote befriedigt wird.

Für Vertragsstrafenregelungen, die an die Nichterfüllung von Verträgen anknüpfen, kommt es im Falle der Insolvenz auf deren genaue Formulierung an. So wird eine Vertragsstrafe im Falle der Insolvenz nicht automatisch verwirkt. Beschränkt sich die Vertragsstrafenregelung darauf, dass eine Vertragsstrafe bei Nichterfüllung verwirkt sein soll, die einzelnen Lieferansprüche in einem laufenden Entsorgungsvertrag aber noch nicht fällig geworden sind, führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens dazu, dass die Ansprüche aus der Vertragsstrafenregelung nur bis zu Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen. Eine Verwirkung kann darüber hinaus infolge der mangelnden Durchsetzbarkeit und einer Erfüllungsablehnung durch den Insolvenzverwalter nicht erfolgen. Es sollte daher bei der Formulierung einer Vertragsstrafenklausel darauf geachtet werden, dass eine Verwirkung der Vertragsstrafe auch dann eintritt, wenn der Vertrag infolge der Insolvenz nicht erfüllt werden kann, die Verwirkung also an eine Kündigung infolge der Insolvenz oder die Ablehnung der Erfüllung durch den Insolvenzverwalter anknüpft und somit eine ausdrückliche Vereinbarung darüber besteht, dass die Vertragsstrafe auch vor Fälligkeit infolge der vorzeitigen Auflösung des Vertrages verwirkt sein soll.

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte