VGH Baden‐Württemberg, Urteil vom 29.9.2020 – 1 S 2999/19
Die Klägerin ist als Messdienstleistungsunternehmen tätig und wendet sich gegen die Heranziehung zur Zahlung einer Gebühr für eine eichrechtliche Verwendungsüberwachung. Die Klägerin liest Messgeräte ab und übermittelt die abgelesenen Werte an ihre Auftraggeber (Ablese‐ und Abrechnungsservice). Die streitgegenständlichen Kaltwassermessgeräte stehen nicht im Eigentum der Klägerin, sondern im Eigentum einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). In der Liegenschaft der WEG befinden sich sog. Unterzähler, auf deren Grundlage die Verbrauchswerte für die einzelnen Wohnungseigentümer ermittelt werden. Im Jahr 2009 hat sich die Klägerin gegenüber der WEG zur Ablesung der Kaltwasserunterzähler sowie zur Abrechnung der abgelesenen Verbrauchswerte verpflichtet. Im Jahr 2017 stellte das Eichamt bei einer Kontrolle der Messgeräte fest, dass sechs Messgeräte ungeeicht waren. Der Beklagte erließ einen an die Klägerin adressierten Gebührenbescheid für die Verwendungsüberwachung der Messgeräte. Die Klägerin ist im Wesentlichen der Ansicht, dass sie nicht als Gebührenschuldnerin anzusehen sei. Insbesondere stelle die Ablesung und Abrechnung der Messwerte für eine WEG keine Verwendung von Messwerten i.S.d. MessEG dar. Die Klägerin unterlag erstinstanzlich. Der VGH Baden‐Württemberg hat nunmehr über die Berufung der Klägerin entschieden.
Die Berufung hat Erfolg. Zunächst hat die Klägerin nach der Ansicht des Gerichts die kontrollierten Messgeräte nicht bereitgehalten oder betrieben (§ 3 Nr. 22 MessEG). Zwar ist sie als Verwenderin von Messwerten i.S.v. § 3 Nr. 23 MessEG anzusehen, was wiederum eine gebührenrechtliche Heranziehung begründen kann. Dies deshalb, da sie die Messwerte im „geschäftlichen Verkehr“ verwendet, indem sie die Messwerte zur Erfüllung ihrer vertraglichen und damit geschäftlichen Pflichten gegenüber ihrer Auftraggeberin (WEG) nutzt. Zudem hat die Klägerin die WEG nicht als Messgeräteverwenderin vertraglich zur Einhaltung ihrer eich‐ und messrechtlichen Pflichten im Hinblick auf die streitgegenständlichen Messgeräte verpflichtet. Der Gebührenbescheid ist aber dennoch aufzuheben, weil der Beklagte die vorliegend in Betracht kommenden Gebührenschuldner nicht ermessensfehlerfrei ausgewählt hat. Nach § 59 Abs. 1 S. 1 MessEG können Gebühren für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen erhoben werden. Die Verwendungsüberwachung durch das Eichamt stellt eine öffentliche Leistung dar, die der Klägerin zudem individuell zurechenbar ist, weil sie an eine rechtliche Verantwortung der Klägerin als Messwerteverwenderin anknüpft. Allerdings hat der Beklagte die WEG nicht als in Betracht kommende Gebührenschuldnerin berücksichtigt, obwohl diese als gebührenpflichtige Messgeräteverwenderin anzusehen ist.
Anmerkung: Das Urteil des VGH Baden‐Württemberg dürfte für sämtliche Messdienstleistungsunternehmen eine grundsätzliche Bedeutung haben, sofern deren Geschäftstätigkeit die Abrechnung und Ablesung von im Eigentum Dritter stehender Messgeräte betrifft. Dabei ging das Gericht zutreffend davon aus, dass derartige Messdienstleistungsunternehmen als potenzielle Gebührenschuldner einer Verwendungsüberwachung in Betracht kommen, weil diese Messwerte von Messgeräten im geschäftlichen Verkehr verwenden. Nach der Ansicht des Gerichts können Messdienstleistungsunternehmen jedoch eine gebührenrechtliche Heranziehung als Messwerteverwender insbesondere durch vertragliche Vereinbarungen mit dem Messgeräteverwender verhindern. Dies setzt voraus, dass der Messgeräteverwender konkret zur Einhaltung seiner mess‐ und eichrechtlichen Pflichten verpflichtet wird. In diesem Falle erfüllt der Messwerteverwender wiederum seine Verpflichtung nach § 33 Abs. 2 MessEG, was nach der Ansicht des Gerichts dazu führt, dass keine gesetzlichen Anknüpfungspunkte für eine gebührenrechtliche Inanspruchnahme bestehen.
Quelle: Kopp-Assenmacher & Nusser Rechtsanwälte PartGmbB
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