Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat sich in einem Beschluss vom 13.05.2019 (Verg 47/18) mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Angabe mehrerer elektronischer Adressen in der Bekanntmachung die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung – VgV) erfüllt. Konkret ging es dabei um die Frage, in welchem Umfang nach Aufrufen der elektronischen Adresse(n) weiterer Aufwand erforderlich sein darf, um an die für die Angebotserstellung erforderlichen Informationen in den Vergabeunterlagen zu gelangen.
Nach § 41 Abs. 1 VgV hat der öffentliche Auftraggeber in der EU-Auftragsbekanntmachung eine elektronische Adresse anzugeben, unter der die Vergabeunterlagen unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt abgerufen werden können. In der vergaberechtlichen Rechtsprechung hat sich zu jedem einzelnen dieser Tatbestände eine Kasuistik gebildet, welche sich jedoch nicht immer einheitlich darstellt. Es wurde beispielsweise diskutiert, ob die Vorgabe „vollständig“ bedeutet, dass bereits zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der EU-Auftragsbekanntmachung alle Vergabeunterlagen zur Verfügung gestellt werden müssen.
Hierzu äußert sich nunmehr das OLG Düsseldorf: Vollständigkeit bedeute danach nicht, dass lediglich Teile der Vergabeunterlagen über die in der Bekanntmachung genannte Internetadresse abgerufen werden können. Der Auftraggeber hat vielmehr wesentliche Zwischenschritte oder Erschwernisse – etwa durch mehrere Links, „Durchklicken“ oder das Erfordernis einer Anforderung von Teilen der Vergabeunterlagen (Ausnahmen in § 41 Abs. 2 VgV) – zwingend zu vermeiden. Es müssen alle Vergabeunterlagen durch einen Link zur Verfügung gestellt werden.
Ferner führt das OLG Düsseldorf aus, dass Vergabeunterlagen uneingeschränkt abrufbar sind, wenn die elektronische Adresse einen eindeutig und vollständig beschriebenen medienbruchfreien elektronischen Weg zu den Vergabeunterlagen enthält. Direkt abrufbar seien schließlich die Vergabeunterlagen, wenn potentielle Bieter oder Bewerber sich über bekanntgemachte öffentliche Auftragsvergaben informieren oder Vergabeunterlagen abrufen können, ohne sich zuvor auf einer elektronischen Vergabeplattform mit ihrem Namen, einer Benutzerkennung oder ihrer E-Mail-Adresse registrieren zu müssen.
Rechtsfolge bei Verstößen gegen die Vorgaben des § 41 Abs. 1 VgV ist nach der vergaberechtlichen Rechtsprechung grundsätzlich, dass der öffentliche Auftraggeber Angebote oder Teilnahmeanträge nicht deshalb ausschließen darf, weil das Angebot von Vorgaben der Vergabeunterlagen abweicht, wenn die Vergabeunterlagen nicht entsprechend zur Verfügung gestellt wurden. Regelmäßig führt ein derartiger Verfahrensfehler zu einer fehlerhaften Bekanntmachung, sodass das Verfahren – einschließlich einer neuen, fehlerfreien Bekanntmachung – wiederholt werden muss.
Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte
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