Übertragbarkeit der Rechtsprechung zu Untersuchungs- und Rügeobliegenheit beim Streckengeschäft auf Weiterlieferung der gekauften Ware an Subunternehmer des Käufers

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 08.04.2014 (VIII ZR 91/13) entschieden, dass die zum Streckengeschäft entwickelte Rechtsprechung zur kaufmännischen Untersuchungs- und Rügeobliegenheit entsprechend anwendbar ist, wenn der Verkäufer die Ware beim Käufer abliefert und dieser die Ware unmittelbar an seinen Subunternehmer weiterliefert.

Gemäß § 377 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB) hat der Käufer einer Ware diese unverzüglich nach Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen. Kommt ein Käufer dieser Verpflichtung nicht nach, ist dies mit erheblichen rechtlichen Auswirkungen verbunden. Denn unterlässt der Käufer die Anzeige, gilt die Ware gemäß § 377 Abs. 2 HGB als genehmigt und der Verkäufer ist berechtigt, etwaige von dem Käufer geltend gemachte Ansprüche und Rechte in Bezug auf den Mangel zurückzuweisen. Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn es sich um einen Mangel handelt, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war. Zeigt sich ein solcher Mangel erst später, muss die Anzeige unverzüglich nach der Entdeckung gemacht werden. Andernfalls gilt die Ware auch in Ansehung dieses Mangels als genehmigt (§ 377 Abs. 3 HGB).

In der Praxis ist zunächst von besonderer Bedeutung, wann die Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten des § 377 HGB auf einen Vertrag überhaupt Anwendung finden.

§ 377 HGB findet unmittelbar zunächst nur auf Kaufverträge Anwendung, die für beide Parteien ein Handelskauf sind. Dies ist der Fall, wenn beide Parteien Kaufmann im Sinne des Handelsrechts sind und ein Kaufvertrag geschlossen wurde. Da § 377 HGB nach der gesetzlichen Konzeption keine Anwendung auf Werkverträge findet, kann der Abgrenzung zwischen Kauf- und Werkvertrag im Einzelfall entscheidende Bedeutung zukommen, weil davon abhängt, ob Rügeobliegenheiten bestanden, deren Nichtbeachtung zu einem Anspruchsausschluss führt. Die Abgrenzung zwischen Kauf- und Werkvertrag richtet sich ausschließlich nach dem jeweiligen Vertragsgegenstand. Während beim Kaufvertrag der Schwerpunkt auf der Übergabe und Verschaffung des Eigentums an einer fertigen Sache liegt, steht beim Werkvertrag die Erstellung eines bestimmten Werkes im Vordergrund. Große praktische Bedeutung haben die Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten z.B. bei Verträgen über die Lieferung von Baustoffen wie Sand, Steinen, Zement, etc., da auf diese Verträge regelmäßig nicht die werkvertraglichen, sondern die Vorschriften über den Handelskauf Anwendung finden.

Neben Kaufverträgen gelten die Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten des § 377 HGB aufgrund einer entsprechenden Anordnung in § 381 Abs. 2 HGB auch für sogenannte Werklieferungsverträge, d.h. für Verträge, die die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen zum Gegenstand haben.

Bei anderen Verträgen finden die Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten des § 377 HGB dagegen nur Anwendung, wenn dies entsprechend vertraglich vereinbart worden ist.

Beim Handel mit Waren nimmt ein Zwischenhändler die Ware oft nicht selbst physisch in Empfang, sondern der Verkäufer liefert die Ware auf Geheiß des Zwischenhändlers unmittelbar an den Abnehmer des Zwischenhändlers. Die Rechtsprechung hat für diese sog. Streckengeschäfte den Grundsatz entwickelt, dass der weiterverkaufende Zwischenhändler die Untersuchung des Kaufobjekts nicht selbst durchführen muss, sondern seinem Abnehmer überlassen darf, er dann aber dafür zu sorgen hat, dass der Abnehmer ihn oder den Verkäufer sobald wie möglich von Mängeln unterrichtet. Kommt es dabei beim Abnehmer zu vermeidbaren Verzögerungen, muss der Zwischenhändler sich diese zurechnen lassen. Eine wegen solch einer Verzögerung nicht rechtzeitig erfolgte Rüge führt dann dazu, dass die Ware in Bezug auf den nicht rechtzeitig gerügten Mangel als genehmigt gilt. Dies wiederum hat zur Folge, dass die Ansprüche ausgeschlossen sind, die dem Zwischenhändler im Falle einer rechtzeitigen Rüge wegen des Mangels zugestanden hätten.

Mit Beschluss vom 08.04.2014 hat der BGH entschieden, dass die Grundsätze zum Streckengeschäft wegen der vergleichbaren Interessenlage entsprechend gelten, wenn die Ware vom Verkäufer an einen Subunternehmer des Käufers geliefert wird, der die Ware in dessen Auftrag verwenden soll. Auch in diesem Fall muss daher darauf geachtet werden, dass sichergestellt ist, dass der Subunternehmer die an ihn weitergelieferte Ware unverzüglich prüft und etwaige Mängel rechtzeitig rügt.

Im Zusammenhang mit der rechtzeitigen Wahrnehmung von Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten werden in der Praxis viele Fehler gemacht. Diese wiegen besonders schwer, weil diese Fehler später nicht mehr geheilt werden und zu einem endgültigen Anspruchsverlust führen können. Solche Fehler können am besten vermieden werden, wenn mit dem Abnehmer/ Subunternehmer vertraglich Regelungen über die Wahrnehmung der Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten vereinbart werden, die die sehr allgemein gehaltenen gesetzlichen Vorschriften konkretisieren und besser handhabbar machen.

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert