Preis einziges Zuschlagskriterium: Nebenangebote unzulässig!

Derzeit wird erörtert, ob Nebenangebote unzulässig sind, wenn der Preis das einzige Zuschlagskriterium ist. Umstritten ist, ob in Deutschland hierzu unterschiedliche Auffassungen in der Rechtsprechung bestehen und somit diese Frage dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen ist.

 

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit Beschluss vom 07.01.2010 (VII-Verg 61/09) am Anfang des Jahres 2010 in einem sogenannten obiter dictum vertreten, dass die Zulassung von Nebenangeboten vergaberechtswidrig ist, wenn der Preis alleiniges Zuschlagskriterium ist.

 

Begründet wird dies damit, dass gem. Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/18/EG die öffentlichen Auftraggeber bei Aufträgen, die nach dem Kriterium des wirtschaftlich günstigsten Angebots vergeben werden, zulassen, dass die Bieter Varianten vorlegen. Bei Nebenangeboten handelt es sich um Varianten in diesem Sinne, weil sie den Anforderungen an das Hauptangebot nicht exakt entsprechen, sondern dieses variieren. Die Vorschrift lässt nach ihrem Wortlaut Varianten bei solchen Aufträgen zu, die nach dem Kriterium des wirtschaftlich günstigsten Angebots vergeben werden. Hinsichtlich der Zulässigkeit von Varianten bei Aufträgen, die nach anderen Kriterien, also etwa allein nach dem niedrigsten Preis vergeben werden, lässt sich dem Wortlaut des Art. 24 Abs. 1 dieser Richtlinie keine unmittelbare Aussage entnehmen. Aus dem systematischen Kontext dieser Richtlinie folgt jedoch, dass Varianten bei Aufträgen, die nach dem Kriterium des niedrigsten Preises vergeben werden sollen, unzulässig sind. Denn die Richtlinie differenziert mehrfach ausdrücklich zwischen den Kriterien des „niedrigsten Preises“ und des „wirtschaftlich günstigsten Angebots“. Die Richtlinie geht damit offensichtlich davon aus, dass die beiden Zuschlagskriterien im Verhältnis der Alternativität zueinander stehen. Hat der europäische Gesetzgeber die Zulässigkeit von Varianten gem. Art. 24 Abs. 1 dieser Richtlinie auf solche Aufträge beschränkt, die nach dem Kriterium des wirtschaftlich günstigsten Angebots vergeben werden, sind die nationalen vergaberechtlichen Vorschriften europarechtskonform dahingehend auszulegen. Konsequenz daraus ist, dass die Vergabestelle in dem Moment, in dem diese als einziges Zuschlagskriterium den Preis bekannt gibt, keine Varianten und somit Nebenangebote zulassen darf. Umgekehrt gilt dies gleichermaßen. In dem Moment, in dem die Vergabestelle Nebenangebote zulässt, darf sie nicht mehr als einziges Zuschlagskriterium den Preis bekanntgeben.

 

Das dahingehende obiter dictum ist durch den Vergabesenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auch streitentscheidend sowie durch weitere vergaberechtliche Rechtsprechung (beispielsweise Oberlandesgericht Koblenz, Vergabekammer Schleswig-Holstein) bestätigt worden.

 

Das Oberlandesgericht Brandenburg hat nunmehr in einem Beschluss im einstweiligen Rechtsschutz am 07.12.2010 (Verg W 16-10)in Aussicht gestellt, diese Frage dem Europäischen Gerichtshof bzw. dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen, weil unterschiedliche Auffassungen hierzu in der Rechtsprechung bestünden.

 

Zu beachten ist aber, dass diejenigen Entscheidungen, bei denen der Preis alleiniges Zuschlagskriterium war und Nebenangebote zugelassen wurden, bereits vor Bekanntmachung des ersten Beschlusses des Oberlandesgerichts Düsseldorf in dieser Angelegenheit ergangen sind. Gleichermaßen vertritt auch das Oberlandesgericht Koblenz mit Beschluss vom 02.02.2011 (1 Verg 1/11) hierzu keinen abweichenden Rechtsstandpunkt. Vielmehr weist das Oberlandesgericht Koblenz in einer aktuellen Entscheidung ausdrücklich darauf hin, dass die frühere Entscheidung in Unkenntnis der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf ergangen ist und lässt die Frage, ob dieser Rechtsprechung zu folgen ist, ausdrücklich offen. Eine Divergenz im Rechtssinne wird gleichermaßen durch einen aktuellen Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 09.03.2011 (VII-Verg 52/10) in Abrede gestellt.

 

Vor diesem Hintergrund besteht zumindest derzeit im Rahmen der nationalen Rechtsprechung keine uneinheitliche Rechtsauffassung dahingehend, dass Nebenangebote nicht zugelassen sind, sofern der Preis das alleinige Zuschlagskriterium ist. Eine Vorlage zum Bundesgerichtshof kommt deshalb nicht in Betracht. Möglich bleibt jedoch eine Vorlage dieser Frage an den Europäischen Gerichtshof, z.B. durch OLG Brandenburg. Bis zu diesem Zeitpunkt muss jedoch im gesamten Bundesgebiet davon ausgegangen werden, dass Nebenangebote auszuschließen sind, sofern der Preis das einzige Zuschlagskriterium ist.

 

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte