Neue Anforderungen an die Kundenanlage – Zur Änderung des § 12 Abs. 4 AVBWasserV durch Verordnung vom 13.01.2010

Mit der Ersten Verordnung zur Änderung der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (1. AVBWasser VÄndV) vom 13.01.2010 (BGBl. I S. 10) sind die Anforderungen an die Kundenanlage zur Trinkwasserversorgung geändert worden.

Zur Kundenanlage gehört die gesamte Installation zur Trinkwasserversorgung zwischen der Hauptabsperrvorrichtung eines an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossenen Grundstücks und den einzelnen Entnahmestellen für Trinkwasser auf dem Grundstück.

Für die ordnungsgemäße Errichtung, Erweiterung, Änderung und Unterhaltung der Kundenanlage mit Ausnahme der Messeinrichtungen des Wasserversorgungsunternehmens ist der Anschlussnehmer, d.h. der Kunde des Wasserversorgungsunternehmens verantwortlich (§ 12 Abs. 1 AVBWasserV).

Die Kundenanlage darf nur nach den anerkannten Regeln der Technik errichtet, erweitert, geändert und unterhalten werden (§ 12 Abs. 2 Satz 1 AVBWasserV).

Die Errichtung der Anlage und wesentliche Veränderungen dürfen nur durch das Wasserversorgungsunternehmen oder ein in ein Installateurverzeichnis eines Wasserversorgungsunternehmens eingetragenes Installationsunternehmen erfolgen (§ 12 Abs. 2 Satz 2 AVBWasserV).

§ 12 Abs. 4 Satz 1 AVBWasserV in der geänderten Fassung legt fest, dass bei Arbeiten an der Kundenanlage nur Produkte und Geräte verwendet werden dürfen, die den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen.

Die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik wird nach der Neuregelung vermutet, wenn für die verwendeten Produkte oder Geräte eine CE-Kennzeichnung für den ausdrücklichen Einsatz im Trinkwasserbereich vorhanden ist (§ 12 Abs. 4 Satz 2 AVBWasserV).

Sofern eine solche CE-Kennzeichnung nicht vorgeschrieben ist, wird die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik gemäß § 12 Abs. 4 Satz 3 AVBWasserV auch vermutet, wenn das Produkt oder Gerät ein Zeichen eines akkreditierten Branchenzertifizierers trägt, insbesondere das DIN-DVGW-Zeichen oder DVGW-Zeichen.

Produkte und Geräte, die in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum rechtmäßig hergestellt worden sind oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in der Türkei rechtmäßig hergestellt oder in den Verkehr gebracht worden sind und die nicht den technischen Spezifikationen der Zeichen eines akkreditierten Branchenzertifizierers entsprechen, werden einschließlich der in den vorgenannten Staaten durchgeführten Prüfungen und Überwachungen als gleichwertig behandelt, wenn mit ihnen das in Deutschland geforderte Schutzniveau gleichermaßen dauerhaft erreicht wird (§ 12 Abs. 4 Satz 4 AVBWasserV).

Mit der 1. Änderungsverordnung zur AVBWasserV sind die Anforderungen des § 12 Abs. 4 AVBWasserV alter Fassung (a.F.) auf den ersten Blick deutlich umfangreicher geworden. § 12 Abs. 4 AVBWasserV a.F. sah vor, dass nur Materialien und Geräte verwendet werden dürfen, die entsprechend den anerkannten Regeln der Technik beschaffen sind. Nach § 12 Abs. 4 AVBWasserV a.F. sollte das Zeichen einer anerkannten Prüfstelle (zum Beispiel DINDVGW, DVGW- oder GS-Zeichen) bekunden, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind.

Nach der Neufassung des § 12 Abs. 4 AVBWasserV begründet eine CE-Kennzeichnung oder ein Prüfzeichen eines akkreditierten Branchenzertifizierers jetzt die Vermutung, dass ein in der Kundenanlage verwendetes Produkt oder Gerät den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Werden so gekennzeichnete Produkte oder Geräte verwendet, ist eine Einzelfallprüfung auf eine Übereinstimmung mit den anerkannten Regeln der Technik nicht erforderlich. Ist ein Wasserversorgungsunternehmen der Auffassung, dass ein Produkt oder Gerät trotz vorhandener Kennzeichnung nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht, kann und muss die Vermutung des § 12 Abs. 4 AVBWasserV im Einzelfall widerlegt werden.

Die in § 12 Abs. 4 AVBWasserV a.F. genannte Kennzeichnung mit einem GS-Zeichen begründet keine Vermutung einer Beschaffenheit nach den anerkannten Regeln der Technik, da eine GS-Kennzeichnung allein nicht die Eignung von Produkten oder Geräten im Zusammenhang mit der Trinkwasserversorgung dokumentieren soll (vgl. Begründung zur Änderungsverordnung, BR-Drs. 818/09, S. 3).

Neu aufgenommen ist die Regelung in § 12 Abs. 4 Satz 4 AVBWasserV zur Gleichwertigkeit von Produkten und Geräten, die in anderen Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie in der Türkei rechtmäßig hergestellt oder in den Verkehr gebracht worden sind. Für diese Produkte und Geräte wird die Erfüllung der Anforderungen an die anerkannten Regeln der Technik auch ohne Kennzeichnung durch die genannten Prüfzeichen vermutet, wenn diese Produkte und Geräte dauerhaft das in Deutschland geforderte Schutzniveau erreichen. Ist diese Voraussetzung erfüllt, dürfen diese Produkte und Geräte auch ohne Prüfzeichen in Kundenanlagen verwendet werden.

Anlass für die Änderung der AVBWasserV ist ein Beschwerdeverfahren der Europäischen Kommission, in welchem die Kommission durch die bisherige Fassung des § 12 Abs. 4 AVBWasserV die europäische Warenverkehrsfreiheit gefährdet sah. Eine Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit sollte insbesondere darin liegen, dass die Übereinstimmung mit den anerkannten Regeln der Technik nur durch Prüfzeichen bestimmter, in Deutschland ansässiger Anbieter bekundet werden konnte. Die Änderung soll sicherstellen, dass die Art. 28 EG-Vertrag gesicherte Warenverkehrsfreiheit gewährleistet ist.

Die Neuregelung des § 12 Abs. 4 AVB WasserV richtet sich in erster Linie an die Anschlussnehmer eines Wasserversorgungsunternehmens, die dafür verantwortlich sind, dass die Kundenanlage den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Die Neuregelung ist ferner von Installationsunternehmen zu beachten, die im Auftrag des Anschlussnehmers Arbeiten an der Kundenanlage vornehmen und dabei Produkte oder Geräte einbauen oder austauschen.

Ein unmittelbarer Handlungsbedarf für Wasserversorgungsunternehmen ergibt sich aus der Änderung nicht.

Soweit ein Wasserversorgungsunternehmen allerdings den Text der AVBWasserV in seinen Versorgungsbedingungen oder seinem Satzungsrecht wörtlich wiedergibt, sollten die entsprechenden Texte möglichst bald angepasst werden, damit das Regelwerk des Wasserversorgungsunternehmens der geänderten AVBWasserV wieder entspricht. Bei der AVBWasserV handelt es sich um bundesrechtliche Regelungen zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die auch im öffentlich-rechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnis gelten (§ 35 AVBWasserV). Eine Änderung von Versorgungsbedingungen, die wörtlich dem § 12 Abs. 4 AVBWasserV a.F. entsprechen, ist deshalb unbedingt und zeitnah erforderlich.

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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