Informationsbegehren nach dem Umweltinformationsgesetz

Inhalt und Reichweite des Urheberrechtsschutzes (hier: Fachgutachten) bei Informationsbegehren nach dem Umweltinformationsgesetz

Mit Urteil vom 24.11.2017 – 15 A 690/16 – hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) entschieden, unter welchen Voraussetzungen Inhalte von Fachgutachten, die Bestandteil eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens ohne Öffentlichkeitsbeteiligung waren, urheberrechtlich geschützt sind und daher ihre Bekanntgabe nach dem Umweltinformationsgesetz (UIG) nicht verlangt werden kann. Das Urteil enthält Ausführungen, die für Fragen zu Voraussetzungen und Reichweite des Urheberrechtsschutzes auch in anderen öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahren – etwa solchen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz mit Öffentlichkeitsbeteiligung – von Bedeutung sind.

Die beklagte Behörde hatte der Klägerin zu 1) im August 2013 eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von drei Windenergieanlagen erteilt. Das Genehmigungsverfahren erfolgte ohne Öffentlichkeitsbeteiligung. Die Klägerin zu 2) hatte für das Genehmigungsverfahren naturschutzfachliche Gutachten betreffend u.a. den Vogel- und Fledermausbestand erstellt.

Im Januar 2014 beantragte die Beigeladene auf der Grundlage des Umweltinformationsgesetzes Nordrhein-Westfalen (UIG NRW) Einsichtnahme in die naturschutzfachlichen Gutachten.

Die Beklagte gestattete mit Bescheid aus März 2014 die umfassende Akteneinsicht und untersagte lediglich die Vervielfältigung bestimmter Passagen aus den naturschutzfachlichen Gutachten unter Hinweis auf § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG. Danach ist der Antrag auf Bekanntgabe der Umweltinformationen abzulehnen, sobald Rechte am geistigen Eigentum, insbesondere Urheberrechte, durch das Zugänglichmachen der Information verletzt würden. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Betroffene der Bekanntgabe zugestimmt hat oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt.

Bei Erlass des Bescheids aus März 2014 war die Beklagte davon ausgegangen, dass jedenfalls die Vervielfältigung der maßgeblichen Passagen der betroffenen Fachgutachten nicht gestattet werden könne, weil insoweit Urheberrechtsschutz greife und weder eine Zustimmung der Klägerinnen zu 1) und 2) vorliege noch das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiege.

Das erstinstanzlich zuständige Verwaltungsgericht hatte das Begehren der Klägerinnen zu 1) und 2), den Bescheid aus März 2014 aufzuheben und damit schon die Einsichtnahme zu verhindern, abgewiesen.

Vor dem OVG NRW verfolgten die Klägerinnen ihr Begehren dahingehend weiter, den Bescheid der Beklagten aus März 2014 insoweit aufzuheben, als er dem Beigeladenen die Einsichtnahme in bestimmte, aus ihrer Sicht urheberrechtlich geschützte Passagen der Fachgutachten gestattete.

Die Klage war nach Auffassung des OVG NRW zulässig, weil sich die Klägerin zu 1) als Auftraggeberin der Fachgutachten und die Klägerin zu 2) als Erstellerin auf urheberrechtliche Rechtspositionen – hier das sogenannte (Erst-)Veröffentlichungsrecht nach § 12 Urheberrechtsgesetz (UrhG) – berufen könnten, die drittschützend seien. Die in Rede stehenden Gutachtenteile unterfielen dem Urheberrechtsschutz im Sinne der § 2 Satz 3 UIG NRW, § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG. Zwar seien die allgemeinen Antragsunterlagen eines behördlichen Genehmigungsverfahrens wie etwa Anwaltsschriftsätze, behördliche Prüfungsvermerke und Ähnliches regelmäßig nicht urheberrechtlich geschützt. Etwas anderes gelte aber für Sachverständigengutachten, Architektenpläne und sonstige genehmigungsrelevante Ausarbeitungen, „die eine überdurchschnittliche individuelle Eigenart als Ergebnis einer eigenen geistigen Leistung aufwiesen“.

An diesen Maßstäben gemessen, seien die streitgegenständlichen Gutachtenteile urheberrechtlich geschützt. Dies gelte etwa für die Landschaftsbildanalyse, Ausführungen zur Erholungseignung sowie Darlegungen zur Eingriffsminimierung ebenso wie für Ausführungen zur Kompensation. Diese und andere Kapitel der verfahrensgegenständlichen Fachgutachten hätten naturschutzfachliche Bewertungen mit prognostischen Elementen zum Inhalt, die qualitativ über eine bloße Datensammlung oder Ähnliches deutlich hinausgingen.

Die Klage war nach Auffassung des OVG NRW auch begründet. Denn die Gewährung des Informationszugangs zu den maßgeblichen Passagen der Gutachten verstoße zum Nachteil der Klägerinnen gegen deren Urheberrechte.

Es sei gemäß § 12 Abs. 1 UrhG das Recht des Urhebers, zu bestimmen, ob und wie sein Werk zu veröffentlichen ist. Die Klägerinnen seien nach wie vor Inhaber des (Erst-)Veröffentlichungsrechts aus § 12 Abs. 1 UHG. Sie hätten dieses Recht auch nicht mit der Einreichung der im Streit stehenden Gutachtenteile als Antragsunterlagen eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens verloren. Denn vorliegend sei ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 19 Abs. 1 und 2 BImSchG durchgeführt worden; die dort eingereichten Unterlagen richteten sich gerade nicht an die Öffentlichkeit als einem unbestimmten, nicht von vornerein abgrenzbaren Personenkreis. Vielmehr seien die Antragsunterlagen nur an die Genehmigungsbehörde und deren Bedienstete adressiert, die für die Prüfung des Genehmigungsantrags zuständig sind. Insoweit habe der Genehmigungsantragssteller nur darin eingewilligt, dass die Genehmigungsbehörde und ihre Mitarbeiter von dem Genehmigungsantrag und den mit diesen eingereichten Antragsunterlagen Kenntnis erlangen, um das Genehmigungsverfahren durchführen und die Genehmigungsvoraussetzungen des Genehmigungsanspruchs untersuchen zu können. Dies beinhalte nicht zugleich die Zustimmung, dass mit der Antragsstellung zugleich der Öffentlichkeit – also potentiell jedermann – der Zugang zu den Antragsunterlagen eröffnet werden sollte.

Ausdrücklich offen gelassen hat das OVG NRW, ob die vorbezeichneten urheberrechtlichen Fragestellungen anders zu beurteilen sind, wenn ein immissionsschutz-rechtliches Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 10 Abs. 3 BImSchG durchgeführt wird.

Die im UrhG vorgesehenen Rechtfertigungsgründe (§§ 45 Abs. 1, 53 Abs. 1 UrhG), mit denen ein Eingriff in das (Erst-)Veröffentlichungsrecht des § 12 Abs. 1 UrhG gerechtfertigt werden könnte, griffen im vorliegenden Fall nach Auffassung des OVG NRW nicht ein.

Die Klägerinnen hätten der Informationserteilung an den Beigeladenen zudem weder zugestimmt noch überwiege gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG das öffentliche Interesse an dem Informationszugang, weil es sich bei der genehmigten Anlage nur um drei Windenergieanlagen gehandelt habe.

Das OVG NRW hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Diese bestehe im Hinblick auf Inhalt und Reichweite des Urheberrechtsschutzes gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UIG in Verbindung mit § 12 Abs. 1 UrhG für in immissionsschutzrechtlichen oder vergleichbaren Genehmigungsverfahren eingereichte (Sachverständigen-)Gutachten.

Es bleibt also spannend: Auch in künftigen Genehmigungsverfahren oder sonst bei auf das UIG gestützten Informationsbegehren werden Fragen nach Voraussetzungen und Reichweite urheberrechtlicher Rechtspositionen eine Rolle spielen. Die Entscheidung des OVG NRW liefert wertvolle Hinweise zum Umgang mit diesen Fragestellungen.

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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