Informationsanspruch eines Wettbewerbers auf Einsicht in die Genehmigungsakte eines Metallrecyclingunternehmens nach dem Landesumweltinformationsgesetz Rheinland-Pfalz

Die Beteiligten stritten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren darüber, ob einem Metall-Recyclingunternehmen nach dem seinerzeit maßgeblichen Landesumweltinformationsgesetz Rheinland-Pfalz (LUIG – heute: Landestransparenzgesetz) durch die zuständige Behörde vollumfänglich Einsicht in die Genehmigungsakten eines Wettbewerbers am gleichen Standort zu gewähren ist. Im Ergebnis hat das Verwaltungsgericht Neustadt/Weinstraße (VG) durch Urteil vom 21.09.2015 – 4 K 146/15.NN – dem Informationsanspruch stattgegeben, weil die Grenze des Schutzes privater Belange inhaltlich an dem immissionsschutzrechtlich gewährten Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen festgemacht wird, für den nach Auffassung des VG weder konkret vorgetragen wurde noch hinreichende Anhaltspunkte bestanden.

 

Die Klägerin, ein Metall-Recyclingunternehmen, betreibt seit November 1987 im Hafengebiet von G. einen Recyclingbetrieb, für den ihrer Rechtsvorgängerin zahlreiche abfall- und immissionsschutzrechtliche Genehmigungen durch die Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz bzw. die Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd (SGD Süd) erteilt worden sind. Die Beigeladene, gleichermaßen ein Metall-Recyclingunternehmen, betreibt – ebenfalls im Hafengebiet von G. – eine nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) genehmigte Anlage zur Lagerung von Eisen- und Nichteisenschrotten, zur Behandlung von Altfahrzeugen, sowie zur sonstigen Behandlung und zeitweiligen Lagerung von gefährlichen und nicht gefährlichen Abfällen. Die Klägerin verfolgte mit ihrer Anfechtungsklage vor dem VG die Abwehr eines Informationsanspruchs nach dem LUIG, welchen die Beklagte der Beigeladenen gewährt hatte.

 

Auf den Antrag der Beigeladenen auf Einsicht in die Behördenakten zur Prüfung der Einhaltung immissionsschutzrechtlicher und sonstiger Normen durch den Betrieb der Klägerin gab die Beklagte dieser Gelegenheit, zu möglicherweise in den Akten befindlichen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Stellung zu nehmen.

 

Durch die Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin wurde angeregt, den Antrag auf Einsicht in die Behördenakten abzulehnen. Denn er sei offensichtlich rechtsmissbräuchlich. Der Beigeladenen gehe es nur darum, sich Informationen zu verschaffen, um als Konkurrentin der Klägerin Vorteile für den Wettbewerb zu erlangen. Im Übrigen verwies die Klägerin nur allgemein auf in den Akten befindliche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Auch auf gesonderte Aufforderung der Klägerin durch die Beklagte, das Vorliegen solcher Geheimnisse im Einzelnen zu konkretisieren, beantragte die Klägerin, alle im Rahmen von Genehmigungs- oder Anzeigeverfahren übermittelten Informationen als besonders schutzwürdig zu kennzeichnen, insbesondere den Umfang der gestatteten immissionsschutzrechtlich relevanten Betriebsvorgänge sowie alle Informationen, die Rückschlüsse über weitere Entsorgungswege und Abfallströme gäben, sowie weiterhin alle Nebenbestimmungen der vorliegenden Genehmigungen. Denn als Wettbewerberin sei die Beigeladene in der Lage, aus den genannten Informationen Rückschlüsse zu ziehen, die wiederum als wettbewerbswidriger Vorteil ausgenutzt werden könnten. Die Beigeladene könne beispielsweise die Informationen über bestimmte Abfallströme dazu nutzen, dass sie auf Kosten der Klägerin Kundenakquise betreibt. Die sich aus den Nebenbestimmungen der Genehmigungen ergebenden Restriktionen könnten ebenfalls vom Wettbewerber ausgewertet und für seine eigenen wirtschaftlichen Zwecke verwendet werden. Insbesondere der Einsatz besonderer technischer Mittel, die Einhaltung von Grenzwerten, Analyseverpflichtungen, Selbst- und Fremdkontrollen könnten der Beigeladenen Rückschlüsse auf betriebliche Aktivitäten am Standort der Klägerin erlauben.

Die Beklagte gab dem Akteneinsichtsgesuch der Beigeladenen mit Bescheid vom 25.10.2013 statt. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies sie unter dem 16.01.2015 zurück, worauf die Klägerin am 18.02.2015 – im Wesentlichen unter Aufrechterhaltung ihrer Begründung im Verwaltungsverfahren – Klage erhob.

 

Die Beklagte nahm auf die Begründung des Antrags der Beigeladenen auf Akteneinsicht Bezug und erläuterte, dass die Beigeladene im Begriff sei, sich in dem Gewerbegebiet, in dem auch die Klägerin ihr Betriebsgelände habe, anzusiedeln, und daher großen Wert auf die Einhaltung aller umweltrechtlich relevanten Vorgaben lege. Selbstverständlich bestehe ein entsprechendes Interesse daran, dass auch im Umfeld dieselben Sorgfaltsmaßstäbe angelegt würden. Daraus lasse sich erkennen, welche konkreten umweltbezogenen Informationen die Beigeladene bezogen auf die Anlagen der Klägerin begehre.

 

Das VG hielt die zulässige Klage für unbegründet, denn der durch die Klägerin angefochtene Bescheid vom 25.10.2013 sei rechtmäßig:

 

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 LUIG habe jede Person nach Maßgabe dieses Gesetzes freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle verfügt, ohne eine berechtigtes Interesse darlegen zu müssen.

 

Bei den in den Genehmigungsakten enthaltenen Angaben und Darstellungen zu der von der Klägerin betriebenen Recyclinganlage handele es sich um Umweltinformationen im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 LUIG. Dazu gehörten alle Daten über den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft, Atmosphäre, Wasser, Boden, Landschaft und natürliche Lebensräume. Dazu gehören weiter Faktoren wie Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung, Abfälle, alle Arten von Emissionen, Ableitungen und sonstige Freisetzungen von Stoffen in die Umwelt, die sich auf die Umweltbestandteile auswirken. Die Beklagte sei auch eine informationspflichtige Stelle im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 LUIG.

 

Die Klägerin könne mit dem Einwand mangelnder Bestimmtheit des Akteneinsichtsantrags der Beigeladenen im Sinne von § 4 Abs. 2 LUIG nicht gehört werden. Denn diese Vorschrift diene allein dem Zweck, spezifische Voraussetzungen für Form und Verfahren der Informationserteilung zu schaffen. Ihr komme deswegen keine drittschützende Wirkung zu.

 

Auch das Vorbringen der Klägerin, der Antrag der Beigeladenen auf Akteneinsicht sei offensichtlich missbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 LUIG, dringe nicht durch. Denn auch diese Vorschrift habe keine drittschützende Wirkung; die diesbezügliche Einschränkung des Informationsanspruchs sei vielmehr allein im öffentlichen Interesse erfolgt. Zudem teilte das Gericht nicht die Auffassung, dass der Antrag der Beigeladenen offensichtlich missbräuchlich sei. § 8 Abs. 2 LUIG diene allein dem Schutz öffentlicher Belange und sei als Ausnahme von der Gewährung eines möglichst weitgehenden Zugangs zu Umweltinformationen eng auszulegen. Missbräuchlich sei ein Antrag danach nur, wenn er erkennbar dem Zweck des LUIG nicht dienen könne. Dies sei nur der Fall, wenn mit dem Antrag ausschließlich zweckfremde, nicht umweltbezogene eigene Interessen verfolgt würden.

 

Der Schutz privater Belange sei dagegen in § 9 LUIG geregelt. Die Frage, ob ein besonderes Schutzbedürfnis anzuerkennen sei, Informationen über konkurrierende Unternehmen dem grundsätzlich weiten Informationsanspruch zu entziehen, sei allein anhand des Maßstabs in § 9 LUIG zu beantworten. Insoweit sähen die tatbestandlichen Voraussetzungen der gesetzlich geregelten Ablehnungsgründe keinen Rückgriff auf den Missbrauchsfall vor.

 

Ein verwendungsbezogener Missbrauch setze voraus, dass die Beigeladene die erlangten Daten ausschließlich für Zwecke nutzen wolle, die nicht die Förderung des Umweltschutzes zum Ziel hätten. Dies sei vorliegend mit Blick auf das Informationsbegehren der Beigeladenen nicht mit der erforderlichen Gewissheit festzustellen, was das VG sodann im Einzelnen näher begründet.

 

Der Offenlegung der Genehmigungsakten über die von der Klägerin betriebene Recyclinganlage stehe schließlich auch der Ablehnungsgrund aus § 9 Abs. 1 Nr. 3 LUIG nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift ist bei fehlender Zustimmung des betroffenen Unternehmens der Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abzulehnen, wenn hierdurch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des betroffenen Unternehmens zugänglich gemacht werden und das öffentliche Interesse an der Informationsgewährung nicht überwiegt. Bei einer drohenden Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen habe die informationspflichtige Stelle gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 LUIG unter Beteiligung des Betroffenen die öffentlichen Interessen an einer Offenbarung der Informationen mit den privaten Belangen an deren Geheimhaltung abzuwägen und danach zu entscheiden, ob und inwieweit die betreffenden Informationen zugänglich gemacht würden. Seien geheim zu haltende Informationen in den Verwaltungsakten enthalten, sei der Informationsanspruch nur insoweit ausgeschlossen.

 

Der Begriff „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse“ ist in den Vorschriften des LUIG nicht definiert. Insoweit werden in der Rechtsprechung in Anlehnung an § 17 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge erfasst, die nicht offenkundig sind, nur einem bestimmten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat.

 

Die Beklagte habe zutreffend davon ausgehen können, dass vorliegend keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Klägerin vorgelegen hätten. Dies habe sich weder aus offensichtlichen Umständen ergeben noch aus den diesbezüglichen Darlegungen der Klägerin.

 

Im Einzelnen untersucht das VG sodann die Angaben in den Verwaltungsakten (Anträge, Bauzeichnungen, Lagepläne mit Umgebungsbebauung, Berechnungen der Dimensionierung der Abscheideranlage, ein Beiblatt über die Anlagenart) daraufhin, ob diese in einem immissionsschutz-rechtlichen Genehmigungsverfahren der Öffentlichkeit durch Auslegung nach § 10 Abs. 3 Satz 2 BImSchG zugänglich zu machen seien. Es kommt dabei zu dem Schluss, dass auch weitere Angaben wie Durchsatzleistung, Aufnahmekapazität, Gesamtlagerkapazität einer Anlage, Verfahrens- und Leistungsbeschreibungen einzelner Anlagen, Aufstellungspläne, Grundstückspläne, Brandschutzkonzepte usw. zu den üblichen Antragsunterlagen im Rahmen eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens gehörten (§ 4a der 9. BImSchV), die regelmäßig keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse darstellten, deren Offenbarung die Wettbewerbssituation nachteilig beeinflussen würde. Dass diese Angaben im vorliegenden Fall ausnahmsweise als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse einzustufen gewesen seien, sei von der Klägerin nicht hinreichend dargelegt worden, obwohl sie dazu gesondert um eine detaillierte Stellungnahme gebeten worden sei.

 

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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