In seinem Urteil vom 28.03.2019 (C-487/17 – C-489/17) hat sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) zu bestimmten Rechtsfragen betreffend die Einstufung von Spiegeleinträgen als gefährlicher/nicht gefährlicher Abfall geäußert. Über den Schlussantrag des Generalanwalts in den vorbezeichneten Verfahren hatten wir berichtet. Der nunmehr vorliegenden Entscheidung des EuGH lassen sich unter anderem Aussagen zur Bedeutung des umweltrechtlichen Vorsorgeprinzips bei der Einstufung von Spiegeleinträgen entnehmen.
Zunächst betont der EuGH, dass Anhang III der Richtlinie 2008/98 und der Anhang der Entscheidung 2000/532 dahin auszulegen sind, dass der Besitzer eines Abfalls, dessen Zusammensetzung nicht von vornherein bekannt ist, verpflichtet ist, dessen Zusammensetzung zu bestimmen; dabei muss er nach denjenigen gefährlichen Stoffen suchen, die sich nach vernünftiger Einschätzung im Abfall befinden können, um festzustellen, ob der Abfall gefahrenrelevante Eigenschaften aufweist und daher einem gefährlichen Spiegeleintrag zuzuordnen ist oder nicht (Rn. 54).
Das bei der Einstufung grundsätzlich zu beachtende umweltrechtliche Vorsorgeprinzip sei mit der technischen Durchführbarkeit und der wirtschaftlichen Vertretbarkeit in Einklang zu bringen; daher sei der Abfallbesitzer nicht verpflichtet, zu überprüfen (und nachzuweisen), dass in dem betreffenden Abfall keine gefährlichen Stoffe vorhanden sind (Rn. 45 f., 59). Auf die von Rechts wegen zu beachtenden Grenzen der technischen Durchführbarkeit und wirtschaftlichen Vertretbarkeit der vorzunehmenden Untersuchungen zum Zwecke der Einstufung hatte bereits der Generalanwalt in seinem Schlussantrag hingewiesen.
Demnach besteht keine Verpflichtung zum Nachweis der Nicht-Gefährlichkeit.
Eine Verpflichtung zur Einstufung als gefährlicher Abfall soll sich in Anwendung des umweltrechtlichen Vorsorgeprinzips nach Auffassung des EuGH aber unter den folgenden – kumulativ zu erfüllenden – Voraussetzungen ergeben; nämlich wenn es dem Abfallbesitzer
– nach einer möglichst umfassenden Risikobewertung
– unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des konkreten Falls
– praktisch unmöglich ist,
das Vorhandensein gefährlicher Stoffe festzustellen oder die gefahrenrelevante Eigenschaft des Abfalls zu beurteilen (Rn. 60).
Angesichts dieser engen Voraussetzungen dürfte eine Verpflichtung zur Einstufung eines Spiegeleintrags als gefährlich allein in Anwendung des Vorsorgeprinzips nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Bloße Zweifel / Vermutungen hinsichtlich der Gefährlichkeit zwingen in Anwendung des Vorsorgeprinzips jedenfalls nicht zur Einstufung als gefährlich.
Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte
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