Abwasserentsorgung – Vertragsschluss ja oder nein?

Der Bundesgerichtshof (BGH) musste sich kürzlich in einem Urteil (Aktenzeichen VII ZR 121/12) mit der Frage befassen, mit wem ein Wasserbetrieb einen Abwasserentsorgungsvertrag geschlossen hatte. In dem Urteil stellte der BGH fest, dass die Rechtsprechung dazu, zwischen wem Versorgungsverträge über Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme zustande kommen, auf Verträge über die Entsorgung von Abwasser nur bedingt übertragbar ist.

Dem Urteil des BGH lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Berliner Wasserbetriebe hatten Abwasser entsorgt, das ihnen von dem Pächter eines Grundstücks, das über keinen Anschluss an das Berliner Entwässerungssystem verfügte, in einem Sammelbehälter übergeben worden war. Die Wasserbetriebe hatten den Eigentümer des Grundstücks auf die Erteilung von Auskünften verklagt, die sie zur Berechnung der Entgelte benötigten, die sie für die Entsorgung dieses Abwassers in Rechnung stellen wollten. Die Anspruchsgrundlage für den klageweise geltend gemachten Auskunftsanspruch sahen die Wasserbetriebe in einem zwischen ihnen und dem verklagten Eigentümer geschlossenen Abwasserentsorgungsvertrag. Dass der Vertrag mit dem Eigentümer zustande gekommen sei, begründeten die Wasserbetriebe damit, dass nach ständiger Rechtsprechung ein Versorgungsvertrag über Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme auch dann mit dem Eigentümer zustande komme, wenn nicht er, sondern der Mieter aus einem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnehme. Der vorliegende Fall könne nicht anders beurteilt werden.

Dies sah der BGH nicht so. In Fällen, in denen von einem Versorger auf einem Grundstück Versorgungsleistungen angeboten würden, sei es gerechtfertigt, davon auszugehen, dass der Vertrag über diese Leistungen auch dann zwischen dem Versorger und dem Eigentümer zustande komme, wenn nicht der Eigentümer, sondern der Mieter die Versorgungsleistungen in Anspruch nehme. Denn nur der Grundstückseigentümer habe einen Anspruch auf Anschluss an diese Versorgung. Deshalb sei die Zulassung der Versorgung auf seinem Grundstück als stillschweigende Annahme des Vertragsangebots des Versorgers zu werten.

Diese Rechtsprechung könne auf den vorliegenden Fall der Abwasserentsorgung nicht übertragen werden. Vorliegend habe der Eigentümer keinerlei Verhalten an den Tag gelegt, aus dem eine – stillschweigende – Zustimmung zu einem Vertragsschluss abgeleitet werden könne. Anders als bei den vorgenannten Versorgungsleistungen erfolgten hier gerade keine Leistungen auf dem Grundstück, in deren Duldung eine stillschweigende Zustimmung gesehen werden könne. Da das Grundstück über keinen Anschluss an das Entwässerungssystem verfüge, könnten dort auch keine Abwasserentsorgungsleistungen erbracht werden. Außerdem sei Folgendes zu beachten: Zwar bestehe in Berlin die Pflicht, das auf Grundstücken, die nicht an das Entwässerungssystem angeschlossen sind, anfallende Abwasser bei den Berliner Wasserbetrieben entsorgen zu lassen. Diese Pflicht treffe aber nicht die Eigentümer, sondern nur die Mieter und Pächter dieser Grundstücke. Im vorliegenden Fall war es daher auch der Pächter des Grundstücks, auf dem das Abwasser angefallen war, der die Entsorgung des Abwassers durch die Berliner Wasserbetriebe veranlasst hatte.

Das Urteil des BGH zeigt, dass sich die Frage, ob bzw. mit wem ein Vertrag über die Erbringung von Abwasserentsorgungsleistungen zustande kommt, nicht pauschal beantworten lässt, sondern in jedem Einzelfall einer sorgfältigen Prüfung anhand der von dem BGH hierfür als maßgeblich aufgestellten Kriterien bedarf. Dabei kommt es insbesondere auf die Ausgestaltung des jeweiligen Landesrechts und auf die konkreten Umstände der Abwasserentsorgung an. Diese rechtliche Prüfung kann – wie in dem vom BGH entschiedenen Fall – durchaus zu dem Ergebnis führen, dass die Vertragsverhältnisse nicht zwischen den Personen bestehen, die auf den ersten Blick Vertragspartner zu sein scheinen.
 

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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